Thomas Deelmann, #1Blick vom Beratungsforscher 3 mal 3 Herausforderungen des Beratungseinkaufs

Zur Rolle des Beratungseinkaufs
Einkäufer in Unternehmen und Verwaltungen verfügen typischerweise über eine organisationspolitisch gut abgesicherte sowie relativ mächtige Position. In Unternehmen mag dies damit zusammenhängen, dass die alte Kaufmannsweisheit "Im Einkauf liegt der Gewinn" aufrechterhalten wird. Das unternehmerische Ziel der langfristigen Gewinnorientierung führt dann zwangsläufig dazu, dass die hier liegenden Potenziale erkannt und realisiert werden. Einen besonderen Ausdruck findet dies dort, wo ein hoher Kostendruck herrscht oder eher geringe Gewinnmargen vorhanden sind. Hier werden nicht selten auf der höchsten Hierarchieebene funktionale Führungsstellen geschaffen (beispielsweise in Form eines Vorstands für den Geschäftsbereich Einkauf bei der Volkswagen AG).
Im öffentlichen Sektor nimmt das Beschaffungs- oder Vergabewesen ebenfalls eine besondere Rolle ein. Dort steht nicht das Gewinnstreben als Leitmotiv im Vordergrund, sondern der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeldern, um beispielsweise das Gemeinwohl zu steigern. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene existieren Rechtsvorschriften, die einen Rahmen bieten, in dem nur die Güter beschafft werden, für die eine Notwendigkeit besteht und deren externer Bezug wirtschaftlich ist. Zugleich soll ein Beschaffungsverfahren möglichst offen gestaltet werden. Da diese Regularien teilweise sehr spezifisch sind und eine Nichteinhaltung schwerwiegende Folgen mit sich bringt, wird den verantwortlichen Stellen in Verwaltungen eine hohe Binnenmacht zugestanden.
Im Rahmen dieser Einkaufskompetenz werden manche Warengruppen sehr professionell betreut, anderen hingegen weniger. Wichtig sind typischerweise diejenigen, die im Leistungserstellungsprozess eine große Bedeutung haben. Beratungsleistungen gehören meist nicht hierzu. Sie werden im Rahmen einer ABC-Analyse eher als typisches C-Produkt interpretiert, weisen aber klassenuntypische Besonderheiten auf, welche die "normale Ordnung" einer Einkaufsabteilung durcheinander bringen können. Dies gilt, so zeigt die praktische Beobachtung, tendenziell genauso für Kleinst- und kleine Organisationen mit einer ebenso kleinen Beschaffungsabteilung, wie für große Organisationen, die in ihrem Beschaffungsbereich sehr divers aufgestellt sind. Selbst in Organisationen, die jährlich für mehrere Millionen Euro Beratungsdienstleistungen beschaffen, hat dieser Einkaufsbereich dann einen eher schweren Stand, wenn das Beratungsvolumen im Vergleich zu den gesamten Ausgaben nur einen relativ geringen Anteil ausmacht.
Offen ist die Frage, welche Besonderheiten mit der Warengruppe Consulting verknüpft und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Hier möchte der vorliegende Beitrag ansetzen und Herausforderungen aufzeigen, mit denen sich der Beratungseinkauf konfrontiert sieht.
Dazu werden zunächst Besonderheiten der Dienstleistung selbst und drei der damit verbundenen Herausforderungen vorgestellt. Anschließend werden drei ausgewählte Charakteristika der Dienstleistungsproduzenten skizziert, bevor im Folgeabschnitt die Beziehung zu den internen Kunden des Einkaufsbereiches, den so genannten Bedarfsträgern, an Hand von wiederum drei Interaktionsschwierigkeiten beleuchtet wird. Diese in Summe neun typischen Herausforderungen stellen selbstredend keine abschließende Liste dar, scheinen aber geeignet zu sein, um als Basis für Professionalisierungsbemühungen der Gesamtorganisation zu dienen.
Dienstleistung Beratung: Herausforderungen einer oft unterschätzten Warengruppe
Übersicht
Die Dienstleistung Beratung zeichnet sich durch verschiedene Besonderheiten aus, die Herausforderungen für die Einkaufsfunktion darstellen können, beispielsweise die Vertrauensguteigenschaft, die Heterogenität und die pendelartige Wiederkehr von inhaltsähnlichen Konzepten.
Beratung als Vertrauensgut
Für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen ist es hilfreich, die gewünschten Eigenschaften im Vorfeld beschreiben und bewerten zu können. Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter unterscheiden sich hierbei deutlich.
Die Qualität von Suchgütern lässt sich bereits vor der Beschaffung und vor einem Kauf feststellen. Im Rahmen der Suche werden zunächst Eigenschaften definiert und anschließend mit den entsprechenden Parametern von möglichen Alternativen verglichen. Insbesondere standardisierte Produkte und Dienstleistungen fallen in diese Kategorie. Bei Erfahrungsgütern lässt sich die Qualität erst nach dem Einsatz bzw. nach dem Verbrauch feststellen, wenn also eine einschlägige Erfahrung vorliegt. Vertrauensgüter haben die Eigenschaft, dass sich auch nach dem Konsum oder nach der Inanspruchnahme des Services die Qualität nicht mit Bestimmtheit feststellen lässt, da systemisch keine Vergleichsmöglichkeiten zur Einschätzung vorliegen.
Beratungsleistungen sind in den meisten Fällen Vertrauensgüter. Die Kundenorganisation kann ex ante, also zum Beschaffungszeitpunkt, häufig die Qualität, den möglichen Nutzen oder das Leistungspotenzial der Beratung korrekt bestimmen. Für die Einkaufsfunktion liegt eine eingeschränkte Beurteilungsmöglichkeit der von den Beratungen dargestellten Angebotsvorteilen vor, welche schließlich in einer erhöhten Unsicherheit mündet. Diese Beurteilungsschwierigkeiten können zwar grundsätzlich durch Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (z.B. Auswahlverfahren) verringert werden, in der Praxis ergeben sich allerdings auch hier Grenzen. Der Einkauf muss also darauf vertrauen, dass die Leistungserbringung auf den Wegen erfolgt und die Resultate erbringt, die von der Beratung versprochen werden.
Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass auch die Bewertung der Leistung nach einem Projektende weder besonders einfach ist, noch von allen Beteiligten begrüßt wird. [1]
Heterogenität der Dienstleistung
Mit der ISO 20700 liegt zwar eine international akzeptierte Norm vor, die den Leistungserstellungsprozess von Beratungsleistungen beschreibt. Allerdings ist diese Norm nicht bindend. Selbstverpflichtungen von Berufsinteressenvertretungen kämpfen mit ähnlichen Problemen. Hinzu kommt, dass weder die Berufsbezeichnungen Beraterin/Berater, Unternehmensberaterin/Unternehmensberater oder Consultant in Deutschland geschützt sind, noch dies für die Tätigkeit des Beratens gilt. Ein semantischer Konsens ist kaum vorhanden, da selbst auf einer hohen Bedeutungsebene die Unterschiede zwischen Beratung, Unternehmensberatung, Managementberatung und Top-Managementberatung nicht immer klar sind.
Beratungsleistungen können an Hand verschiedener Kriterien unterschieden werden, beispielsweise nach der Interventionsform (dies sind idealtypisch die gutachterliche Beratung, Expertenberatung, Organisationsentwicklung und systemische Beratung), dem Beratungsfeld (unterschieden wird meist in Strategieberatung, Organisations- und Prozessberatung, HR-Beratung sowie IT-Beratung), den weiteren Kompetenzen (beispielsweise Branchen-, Größen-, hierarchische Zielgruppen- oder Methodenkompetenzen) oder nach der Frage, ob es sich um Beratung im engeren oder im weiteren Sinne handelt (also ob eine unabhängige Begleitung der Kundenorganisation oder ein Body Leasing erfolgt).
Zusätzlich erschwert wird die Aufgabe durch die Vielzahl von beratungsnahen Tätigkeiten. Hier können Trainingsleistungen, Coaching, Leih- und Zeitarbeit, einmalige Vorträge und Gespräche, weitere irgendwie geartete Hilfestellungen oder Unterstützungsleistungen sowie Mischformen hieraus genannt werden.
Selbstredend sind auch die oben aufgeführten Unterscheidungen nicht begrifflich vereinheitlicht, so dass in Summe die große Heterogenität der angebotenen Leistungen eine Herausforderung für den Einkauf von Beratungsleistungen darstellt. [2]
Wiederkehr inhaltsähnlicher Konzepte
Eine dritte Herausforderung beim Einkauf von Beratungsleistungen besteht darin, dass sich viele der nachgefragten bzw. angebotenen Konzepte in ihrem Wesenskern kaum unterscheiden lassen und zudem mit ihren Zielrichtungen regelmäßig wie ein Pendel zwischen zwei grundsätzlichen Optionen schwingen.
Am Beispiel des volumenstärksten Beratungsfeld der Organisations- und Prozessberatung kann dies verdeutlicht werden. Die Designmöglichkeiten für eine Organisation sind grundsätzlich zahlenmäßig recht übersichtlich und haben sich inhaltlich in den vergangenen Dekaden nicht signifikant weiterentwickelt.
Kernfragen sind, ob die Organisation zentral oder dezentral gestaltet werden soll, ob sie stärker auf die Eigenherstellung oder den Fremdbezug von (Vor-) Leistungen setzt, ob sie eine funktionale oder eine objektzentrierte Bündelung von Aufgaben präferiert, ob sie eher stabil oder eher elastischen ist, ob sie eher bürokratischen Vorschriften folgt oder individualisierte Zielvereinbarungen präferiert etc. Die einzelnen Optionenpaare haben jeweils gegensätzliche Stärken und Schwächen und wenn heute für die eine Variante optiert wird, dann wird morgen die andere gewählt, um den Schwächen oder Dysfunktionalitäten der ersten entgegenzuwirken, bevor übermorgen das Pendel zurückschwingt.
Die einzelnen Beratungsangebote werden allerdings mit immer neuen Begrifflichkeiten versehen und entweder als Mode bzw. Chance, um neue Möglichkeiten zu entdecken und zu realisieren angepriesen oder als Hilfsmittel, um Gefahren bzw. Risiken zu begegnen. Exemplarisch sei hier auf die Wiederholung der Gedanken von Coase aus 1937 ("The nature oft he firm") im Rahmen der jüngeren Outsourcing-Insourcing-Debatten sowie auf die Ähnlichkeiten zwischen dem Trendthema des agilen Arbeitens und den bereits in den 1970er Jahren formulierten Gedanken der Teilautonomen Arbeitsgruppen bzw. den Überlegungen zur Humanisierung des Arbeitslebens verwiesen.
Die kunstvolle Mischung aus neuen Darstellungsformen für bekannte Konzepte, die eine Lösung für morgen zu einem Problem von heute vorschlagen, welche der Situation von gestern ähnelt, trägt kaum dazu bei, die Beschaffung von Beratungsleistungen zu vereinfachen. [3]
Beratungen: Herausforderungen beim "natürlichen Gegner"
Übersicht
Vielfach wird eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kunden und Dienstleistern beschworen, zu der auch die Einkaufsabteilung ihren Teil beitragen will - beispielsweise mit Hilfe von Rahmenverträgen, die eine langfristige Planungsgrundlage ermöglichen. Allerdings stehen sich beim Beratungsvertrieb einerseits und dem Beratungseinkauf andererseits handfeste wirtschaftliche Interessen gegenüber, die einen natürlichen Konflikt begründen. Mit mindestens drei Herausforderungen sieht sich der Beratungseinkauf konfrontiert, nämlich den grundsätzlich unterschiedlichen Intentionen von Beratungs- und Kundensystem, den sich ständig ändernden Kompetenzen der Beratungen sowie einem oftmals unterschiedlichen Professionalitätsniveau zwischen Einkäufer und Beratungsvertrieb.
Unterschiedliche Handlungssysteme
Kundenorganisationen und Beratungsunternehmen agieren zwar beide meist (zweck- oder wert-) rational, aber unter dem Einfluss unterschiedlicher sozialer Codes. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen bewegt sich in einem System, das auf ein Ziel oder einen Zweck hin ausgerichtet ist und fällt seine Entscheidungen entlang der Differenzierung von "haben/nicht haben" in Bezug auf Geld. Eine Verwaltung arbeitet im Rahmen gegebener Vorschriften und ihrer Einhaltung wird ein hoher Wert beigemessen. Der Code lautet also hier "vorschriftsmäßig/nicht vorschriftsmäßig". Beiden Organisationstypen ist gemein, dass sie ihre Ziele verfolgen bzw. ihre Werte einhalten wollen.
Beratungen hingegen arbeiten zwar ebenfalls meist gewinnorientiert, ihr Handlungscode besteht aber darin, dass sie ihre Handlungen lediglich in "nützlich/nicht nützlich" unterscheiden. Sie haben dadurch im Vergleich zu ihren Kunden eine deutlich größere Kompetenz- und Handlungsflexibilität. Dies kann sich darin äußern, dass sie ihren Kunden recht opportunistisch Unterstützung anbieten können und dabei nicht auf eine Firmenhistorie oder -zukunft inklusive der Ausrichtung an Narrativen Rücksicht zu nehmen brauchen.
Unterstützt wird diese Situation noch, wenn auf der Beratungsseite Unternehmen tätig sind, die einem Wachstumszwang unterliegen. Dies trifft auf sehr viele Beratungen zu, typischerweise diejenigen, die ein Up-or-Out-Prinzip der Personalentwicklung verfolgen. Dieser Wachstumszwang kann dazu führen, dass Beratungen nicht lediglich auf Kundenwunsch Beratungsbedarfe decken, sondern selber Beratungsmöglichkeiten identifizieren und sie dem Kunden vorlegen.
Die Herausforderung für den Beratungseinkauf besteht darin, beratungsinduzierte von kundenindizierten Bedarfen zu unterscheiden. Ein gutgläubiges Akzeptieren von z.B. Folgeprojektvorschlägen der Beratungen mag den Dienstleistern nutzen, aber kundenintern wenig Nutzen bieten. [4]
Dynamische Anbieterstruktur
Nicht nur die einzelnen Dienstleistungsangebote, die unter der Bezeichnung Beratung angeboten werden sind sehr heterogen, sondern auch die Anbieterlandschaft. Die Bandbreite ist groß und reicht von Beratungskonzernen mit mehreren zehntausend Consultants bis zu Einzelunternehmen. Die Beratungsgüte ist dabei grundsätzlich unabhängig von der Organisationsgröße, letztere bietet also in vielen Fällen keine Orientierung.
Verstärkt wird die Unübersichtlichkeit durch eine Dynamik, die von vielen Marktneuzugängen und -abgängen, eine Verschmelzung und Aufspaltung von Beratungen geprägt ist. Zudem entwickeln Beratungen ihr Portfolio weiter und werden in Segmenten aktiv, in denen sie kurz vorher noch nicht präsent waren. Exemplarisch können hier die Beratungssparten der "Big Four" genannt werden, die vor wenigen Jahren nicht (mehr) als Wettbewerber im Consulting-Markt gesehen wurden, aktuell aber einen großen Teil des Branchenumsatzes auf sich vereinigen. Innerhalt dieser Gruppe kämpft EY mit den Ermittlungen und den Auswirkungen des Wirecard-Skandals, wobei bisher noch keine Ermittlungsauswirkungen auf den Beratungsbereich erfolgt sind. McKinsey, um ein anderes Beispiel zu nennen, übernimmt nicht mehr ausschließlich Beratungsaufgaben für das Top-Management, sondern bedient auch andere Themen. Ergänzend verändert sich die Marktpräsenz, wenn mit der Tochter Orphoz ein Vehikel installiert wird, das eine zweite (niedrigere) Honorarlinie etablieren kann, ohne die Honorarstruktur der Mutter in Frage zu stellen.
Aber auch die Einzelunternehmen machen es dem Beratungseinkauf nicht leicht, wenn sie "Beratung - Training - Coaching - Speaker" als Angebotsportfolio formulieren, da für jedes Segment unterschiedliche Warengruppenregeln gelten, oder das Verkaufsargument lediglich "Ich war bei der McKinsey/Bain/BCG/... und arbeite immer noch wie die - nur zum halben Preis" lautet.
Der Umgang mit dieser Heterogenität und Dynamik kann als herausfordernd bezeichnet werden. Im Gegensatz zu anderen Branchen zeichnet sich auch keine Situation ab, in der innerhalb der Jahre eine Konsolidierung auf wenige Schlüsselanbieter die Beschaffung übersichtlicher macht. [5]
Unterschiedliche Professionalitätsniveaus
Oft ist es so, dass die Interaktion zwischen Beratern und Kunden asymmetrisch erfolgt. Hierbei agieren die einen als Profis, die anderen jedoch eher im Stil von Amateuren. Dies zeigt sich oft deutlich in der Angebots- und Beauftragungsphase. Kunden haben tendenziell weniger praktische Erfahrungen in der Interaktion, als die Berater. Sie benötigen zwar Beratungsleistungen und kaufen sie auch (hin und wieder) ein, aber oft weder regelmäßig noch hauptberuflich.
Auf der anderen Seite gibt es bei den Beratungen oftmals Partner oder Senior-Projektleiter, bei denen der Vertriebs- und Angebotsprozess die Schwerpunktaufgabe oder zumindest eine der Kernaktivitäten darstellt. Ihre Praxis- und Interaktionserfahrung ist dadurch höher und sie können leichter auf einen hilfreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Durch diese Asymmetrie ergibt sich eine recht unterschiedlich stark ausgeprägte Professionalität.
Die Herausforderung des Beratungseinkaufs besteht nun darin, mit relativ wenig eigener Erfahrung gegen einen Gegner anzutreten, der über viel Erfahrung im Vertrieb von Beratungsleistungen verfügt. [6]
Interne Kunden: Herausforderungen im eigenen Haus
Übersicht
Es mag paradox klingen, aber oft warten große Herausforderungen des Beratungseinkaufs im eigenen Haus. Die hierarchische Position des Bedarfsträgers, die gewünschte Geschwindigkeit einer Beschaffung bzw. Beauftragung sowie "erste Ideen" für die Lieferantenwahl sind hier als Herausforderung zu nennen. [7]
Hierarchische Position des Bedarfsträgers
Eine Bestellanforderung für Beratungsleistungen unterscheidet sich oft von den BANFen für anderen Produkte und Dienstleistungen darin, dass sie meist von einer hierarchisch hochstehenden Person stammt. Nicht selten werden auch schon erste Ideen für beispielsweise ein erstes Projekt-Setup geäußert. Oft kommen diese Ideen als Wünsche daher und es ist manchmal schwer zu unterscheiden, ob sie ebensolche sind - oder doch charmant formulierte Arbeitsanweisungen.
Auf den ersten Blick erscheinen die übermittelten Informationen auch gut nachvollziehbar und richtig: Die Beratung soll ja oft ein Teil der Führungsmannschaft direkt unterstützen und es haben eventuell schon Vorgespräche stattgefunden. Für die Mitglieder einer Einkaufsorganisation, die einige Hierarchiestufen unterhalb des Bedarfsträgers angesiedelt sind, wird es dann schwierig, hier einen Widerspruch zu tätigen und die Einhaltung von grundsätzlichen Beschaffungsregeln zu fordern.
Verschärft wird die Position des Einkaufs, wenn - wie im Fall der Beratungsleistung häufig anzutreffen - eine Dienstleistung zu beschaffen ist, die selten abgerufen wird und es an Erfahrungswissen mangelt.
Es kann also herausfordernd sein, der Vehemenz, mit der ein Beratungsbedarf artikuliert wird, professionell zu begegnen, Hierarchieunterschiede auszublenden und den Auswahl- und Beschaffungsprozesses weiterhin regelkonform zu gestalten.
Geschwindigkeit der Beschaffung
Ein großer Stolperstein ist die Geschwindigkeit. Der Bedarfsträger möchte einen möglichst schnellen Start des Beratungsengagements, der Einkauf will sorgfältig vorgehen. Gerade im öffentlichen Sektor sind die (Horror-) Geschichten über sich fast unendlich ziehende Beschaffungsprozesse und hürdenreiche Vergabeverfahren Legion.
Selbstredend gibt es häufig Tipps & Tricks, um einschlägige Verfahren zu beschleunigen. Auf sie soll hier aber nicht eingegangen werden. Vielmehr wird im Rahmen dieses Beitrages unterstellt, dass vorhandene Regeln sinnvoll und notwendig sind.
Eine zügige Bearbeitung und Durchführung der Beratungsbeschaffungen ist in der Praxis hilfreich, um die Akzeptanz des Einkaufs auch in dieser Warengruppe zu schaffen. Die Herausforderung besteht darin, dem Wunsch des internen Kunden nachzukommen und gleichzeitig ein professionelles Beratermanagement auszuüben. Dazu gehört die Anwendung der guten Kenntnisse der Warengruppe, des Beschaffungsmarktes sowie der internen Bedarfssituation.
Vorauswahl des Wunschberaters
"Nur Berater X kann uns hier helfen!" - Ist diese Aussage (oder solche wie "Nur Beraterin Y hat Erfahrungen auf diesem Gebiet!" und "Berater Z hat uns beim Vorgängerprojekt schon unterstützt, er muss auch diesmal wieder dabei sein!") wirklich plausibel?
In Deutschland gibt eine Vielzahl an Beraterinnen und Beratern und die Wahrscheinlichkeit, dass nur eine ganz bestimmte beratende Person unterstützen kann, erscheint gering. Eine Unterstützung in einem Vorgängerprojekt kann im Rahmen eines Nischenprojektes hilfreich sein. Sie kann aber auch zu einer Art Blindheit führen und den gedanklichen Horizont des Beraters einschränken, da Optionen bereits im Vorfeld bzw. im Vorprojekt ausgeschlossen wurden oder der Berater sich an Ergebnisse, Absprachen etc. aus alten Projekten gebunden fühlt, obwohl es dazu keinen Grund gibt.
Herausfordernd ist es nun, dieser Anregung entgegenzutreten und nicht einfach zu folgen - und dabei die Gefahr abzuwenden, dass ein Projektmisserfolg der Einkaufsabteilung angelastet wird, da sie ja seinerzeit die vom Projektverantwortlichen artikulierte Wunschberatung verhindert hat.
Ausblick
Natürlich decken die jeweils drei Herausforderungen in den drei Bereichen nicht alle Themenfelder ab, mit denen sich der Beratungseinkauf konfrontiert sieht. Aber sie geben einen Überblick zu in der Praxis beobachtbaren Punkten, welche die Beschaffung erschweren können.
Als Situationsbeschreibung kann generalisierend festgehalten werden, dass die Rolle und Position des Beratungseinkaufs im Umfeld von Dienstleistungsbesonderheiten, Anbieterprofessionalität und Bedarfsträgerposition dann eher schwach ist, wenn viele unbekannte Gebiete bearbeitet werden müssen. Die Position ist aber dann komfortabel, wenn eine Sicherheit und Professionalität auf allen Feldern herrscht.
Als Ausblick lassen sich daher bereits an dieser Stelle drei Hinweise ableiten: Erstens müssen existierende blinde Flecken individuell identifiziert und akzeptiert werden und zweitens gilt es, die so erkannten Herausforderungen zu bearbeiten und dadurch Schwachstellen abzubauen, damit drittens der notwendige professionelle Beratungseinkauf erfolgen kann.
Zum Weiterlesen:
[1] Für die Einordnung von Beratungsleistungen als Vertrauensgut vgl. Deelmann, Krämer (2020): Consulting - Ein Lehr-, Lern- und Lesebuch zur Unternehmensberatung. S. 141-142.
[2] Vgl. Deelmann (2015): Beratung - Beschreibung von Begriffen und Beziehungen. In: Handbuch der Unternehmensberatung, Kz. 1101, insb. S. 9-11, 15-17, 21-25.
[3] Vgl. für die Organisationstheorie beispielsweise Kühl (2011): Organisation - Eins sehr kurze Einführung. Die Zangenstrategie von Moden und Gefahren arbeitet Nicolai heraus, vgl. Nicolai (2000): Die Strategie-Industrie - Systemtheoretische Analyse des Zusammenspiels von Wissenschaft, Praxis und Unternehmensberatung, insb. S. 270, 280.
[4] Vgl. für die Rolle und Handlungsmuster von Beratungen Kieser (2002): Wissenschaft und Beratung.
[5] Zur Marktkonzentration im Beratungsmarkt vgl. auch Deelmann (2021): Marktkonzentration - ja oder nein? (Online)
[6] Vgl. Deelmann (2019): Amateure gegen Profis. (Online)
[7] Dieser Abschnitt basiert auf Deelmann (2020): Berater in Behörden und Unternehmen - Fluch oder Segen? In: VergabeFokus, 2/2020, S. 14-18.
Über den Autor:

/cb
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