Deep Dive Consulting: Kolumne von Jörg Hossenfelder, Lünendonk Agil, remote, komplex – und brüchig: Zeitenwende in der Berater-Kunden-Beziehung?

Consulting-Unternehmen stehen aktuell nicht nur vor der Aufgabe, ihre Beratungsinhalte an neue wirtschaftliche Herausforderungen anzupassen. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit mit Kunden und der Durchführung von Projekten ändert sich rasant. Welche Änderungen auf die Branche zukommen und was das Akronym BANI damit zu tun hat, erläutert unser Kolumnist Jörg Hossenfelder anhand von Vorab-Ergebnissen aus der jährlichen Lünendonk-Studie 2022.

Agile Arbeit besteht aus mehr als nur aus einem Kanban Board. (picture alliance / PantherMedia | Andrey Popov)

Haben Sie schon von der BANI-Welt gehört? Das Akronym steht für brittle (brüchig) – anxious (besorgt) – nonlinear (nicht-linear) – incomprehensible (unbegreiflich). Seit kurzer Zeit löst es den gängigen VUCA-Begriff ab. Denn die Welt, in der wir leben, wird nicht nur immer komplexer, sondern bietet auch zunehmend weniger Orientierung und Struktur. Dieses weit verbreitete Grundgefühl greift auch unter Beratungskunden um sich. Die politische und wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche und ökologische Weltsituation verändert sich dramatisch und immer unvorhersehbarer. Nicht nur die Beratungsinhalte selbst unterliegen dem Wandel. Consulting-Häuser müssen zunehmend auf veränderte Rahmenbedingungen für ihre Beratungstätigkeit reagieren und dürfen dabei gleichzeitig nicht die Bedürfnisse ihrer Kunden außer Acht lassen. Was sich mittelfristig ändern wird, haben wir die deutschen Berater im Rahmen unserer alljährlichen Lünendonk-Studie 2022 gefragt, die zur Jahresmitte erscheint.

Remote und agil soll es sein

Dass alle befragten Consultants beinahe einhellig mit mehr Remote-Beratungsarbeit rechnen (98 Prozent), mag gerade angesichts der vergangenen Geschäftsjahre und Pandemiebedingungen nicht verwundern. Auch wenn vielerorts über ein „Zurück zum Büro“ diskutiert wird, ist der Trend im Vergleich mit der Zeit vor Corona unumkehrbar. Sowohl Kunden als auch Kolleginnen und Kollegen schätzen die neue Flexibilität und die um aufwendige Reisen gestrafften Beratungszeiten. Nicht wenige Managementberatungen befassen sich noch mit der Frage, in welchem Verhältnis die Consultants beim Kunden, im Office und zu Hause sein sollten.

Gleichzeitig werden Consulting-Projekte oftmals immer komplexer, die Wege zur Erreichung eines Beratungsziels hingegen weniger eindeutig und einer explorativen Logik folgend. So setzen 92 Prozent der befragten Managementberatungen künftig auf mehr agile Projektumsetzung, lediglich acht Prozent der Studienteilnehmenden prognostizieren einen höheren Bedarf an klassischer Projektumsetzung.

Erfolgsfaktor Partnernetzwerk

Die angesprochene, zunehmende Komplexität der Beratungsfelder sowie -methoden setzt Consulting-Häuser unter Druck: Es soll nicht bei der bloßen Eruierung von Optimierungspotenzialen bleiben – nein, auch die Implementierung von Lösungen gehört immer mehr zum festen Leistungsbestandteil. Diese auf dem US-amerikanischen Beratungsmarkt bereits unter dem Stichwort „Transformationsberatung“ gefasste Gesamtleistung erstreckt sich auf immer mehr Projekte mit Digitalisierungsschwerpunkt. Doch wie können hier gerade angesichts des Fachkräftemangels gezielt neue Kompetenzen auf- beziehungsweise ausgebaut werden? In vielen Fällen greifen Consulting-Häuser auf ein eigenes Netzwerk an Dienstleistungspartnern zurück. Dem Kunden gegenüber gilt weiterhin „One Face to the Customer“. Diese Tendenz bestätigen rund 70 Prozent der befragten Beraterinnen und Berater in unserer Studie.

Beratungsprojekte werden in Zukunft häufiger remote und agiler durchgeführt als bislang, sind sich die Befragten sicher. Zum Umgang mit Projektzielen gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. (Quelle: Exklusive Vorab-Auswertung zur Lündendonk-Studie 2022: Managementberatung in Deutschland)

Das Ziel klar vor Augen – oder doch nicht?

Eine deutliche Uneinigkeit indes herrscht im Hinblick auf die künftige Entwicklung von Projektzielen. Durch Analyse der bestehenden Unternehmenssituation oder aufgrund neuer Erkenntnisse über Prozesse und Vorgehensweisen sowie deren Optimierungspotenzial können sich Ziele innerhalb eines Beratungsprojekts durchaus verschieben oder neue Impulse erhalten. 54 Prozent der im Rahmen der Lünendonk-Consulting-Studie befragten Beratungshäuser rechnen künftig mit mehr anpassungsfähigen Zielen im Projektverlauf. Dem gegenüber rechnen 46 Prozent damit, dass Kunden eher auf festgelegte Projektziele Wert legen (werden). Wohin wird die Reise also gehen?

Bei Gesprächen mit Procurement-Verantwortlichen der DAX-Konzernlandschaft wird uns gespiegelt, dass gerade die Messbarkeit von Projekterfolgen in der Managementberatung eine große Herausforderung darstellt. So sorgen eindeutige Projektziele und definierte Wegmarken nicht nur für mehr Transparenz dem Kunden gegenüber, sondern erleichtern es den Einkäufern auch maßgeblich ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. Flexibilität gerne, aber kein Laissez-faire.

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Über die Person

Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater B2B-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.

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