#1Blick vom Beratungsforscher Beraterhonorare - Es reicht! Jetzt ist‘s genug!

Der Appell zu mehr Zurückhaltung bei Beratungskosten, manchmal als knallharte Forderung nach einem Beraterstopp formuliert, kommt im politischen Betrieb immer dann auf, wenn wieder irgendwo über die Ausgaben für Consultants berichtet wird. Das kann man machen – der Sprung ist aber viel zu kurz. Dieser #1Blick bietet ein paar Gedanken zur Einordnung an.

Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit den Ministerinnen und Ministern, deren Ressorts die meisten Ausgaben für externe Beratung auf sich vereinen (v.l.n.r.):  Christian Lindner (Finanzen), Nancy Faeser (Inneres und Heimat), Volker Wissing (Verkehr und Digitales) und Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz). (Bild: picture alliance / photothek | Florian Gaertner)

Es ist absehbar: Das Jahr geht zu Ende, es erfolgen Rückblicke und Kassenstürze und auch ein Daueraufregerthema wird nicht lange auf sich warten lassen: Die Höhe der Beratungsausgaben. Sie sind ein steter Quell der Freude für Oppositionspolitiker im Bund, in den Ländern und Kommunen. Können Sie doch ihren regierenden Kolleginnen und Kollegen vorwerfen, in den Ministerien wieder viel zu viel Geld ausgegeben zu haben.

Und bevor irgendwer auf falsche Gedanken kommt und sich „Ach, das ist ja nur der Staat“ denkt:

Ein ähnliches Spiel findet sich auch in privaten Unternehmen – nur, dass dort die Konfliktlinien anders verlaufen.

Warengruppen-Reportings des Einkaufs und Controlling-Berichte werden auch wieder Anlass für im besten Fall besorgte, meist aber sehr kritische Nachfragen bei den Fachseiten geben. Diese werden dann mit ihrer Profit & Loss-Verantwortung argumentieren, ebenso wie es die verantwortlichen Fachpolitiker und Ministerialbeamten mit der dringenden praktischen Notwendigkeit einer externen Unterstützung machen.

Dieses Spiel ist nicht das Vorrecht einer bestimmten Gruppierung. Es wird vielmehr von allen Parteien wechselseitig losgetreten: Die alte Opposition hat der letzten Regierung Merkel vorgehalten, über 1 Milliarde Euro in der Legislatur für externe Beratung ausgegeben zu haben, die neue Opposition hat sich mit „271 Millionen Euro nach einem halben Jahr Ampel“ als Aufreger revanchiert.

Wie viel ist zu viel?

Und ja, die Mahner haben Recht: Das ist viel Geld. Im Drogeriemarkt oder beim Discounter könnte man für die 1 Milliarde Euro heute ein bis zwei Milliarden FFP2-Masken erwerben. Alternativ gäbe es dafür mehrere hunderttausend Luftreiniger für Klassen- und Kitaräume. Oder eine Handvoll Airbus A400M-Transportflugzeuge für die Bundewehr. Aber ein solcher Vergleich ist hier unbrauchbar, weil er zu stark verkürzt. Der Diskurs würde zudem auf eine politische oder sogar ideologische Ebene verschoben. Das reflexhafte „zu viel“ hilft nämlich in der Sache in keiner Weise weiter.

Es ist typischerweise eine reine Contra-Position, die es unterlässt, selber konstruktiv Stellung zu beziehen.

Weder gibt sie Auskunft, ob statt der 1 Milliarde Euro eher 900 Millionen angemessen wären. Oder ob die Hälfte das Maximum sind, oder 250 Millionen. Oder nichts. Denkbar ist natürlich auch, dass der Betrag, der in einer beliebigen Zeitspanne für Consulting-Services ausgegeben wurde, genau die richtige Höhe hatte. Oder aber – was für ein Graus – viel zu gering war. Vielleicht wäre ja die doppelte Menge passend gewesen? Wer weiß das schon? Aus der Hüfte geschossen ist jede dieser Wertungen sachlich unseriös.

Basis für Einschätzung fehlt

Und an dieser Stelle wird es bitter: Es ist nicht die Höhe der Ausgaben, die irritieren sollte. Erschreckend ist, dass offensichtlich keine umfassenden und validen Informationen über den Nutzen der ausgegebenen Gelder vorliegen.

Es muss ja nicht einmal ein „Return on Consulting“-Wert, also so etwas wie der Goldstandard, für alle Interessenten veröffentlicht werden. Bereits die Ermittlung selber wäre ja schon wertvoll – wenn die Ergebnisse dann von einer Ombudsperson oder einem Kontrollgremium eingesehen werden könnten. Oder wenn man die Latte etwas tiefer legen möchte und nicht das ökonomische Ergebnis ermitteln kann, dann sind Antworten auf die folgenden Fragen bereits ein Fortschritt: Gibt es eine Verhaltensveränderung in der Organisation? Wurde im Rahmen des Projektes etwas gelernt? Oder war man zumindest mit dem Projekt zufrieden?

Zugegeben – und hier darf man sich nichts vormachen: Die Erfolgsmessung von Beratungsprojekten gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Consulting-Umfeld.

Eine direkte Ursächlichkeit ist nicht leicht festzustellen und wenn dann zwischen dem Ende der Projektarbeit und dem Vorliegen erster messbarer Ergebnisse noch viel Zeit vergeht, dann wird’s kompliziert. (Das haben zuletzt zwei Investigativ-Journalisten der New York Times erfahren müssen, die versucht haben, dem Branchenprimus McKinsey die Verantwortung für diverse Skandale und Skandälchen – und Unfälle! – anzuhängen; sie blieben an dieser Stelle erfolglos!)

Aber diese Schwierigkeit entbindet nicht von dem Versuch der Erfolgsmessung und zumindest der Bewertung der Beratungsarbeit. Auch hier nochmal der Hinweis: Die Herausforderungen stellen sich nicht nur im öffentlichen Sektor, sie gibt es ebenso in der Privatwirtschaft. Dort kann man sich aber besser verstecken.

Minimalanforderung

Als Minimalanforderungen sollten für jedes Beratungsengagement die Fragen beantwortet werden, ob das vereinbarte Projektziel erreicht wurde, ob Zeit- und Budgetrahmen eingehalten wurden und wie es um die Zufriedenheit mit der Consulting-Leistung bestellt ist. Relativ leicht noch zu ergänzen sind Fragen zur allgemeinen Servicequalität und zur (vermuteten) Wirkung des Projektes.

Ein solches Set von Informationen ist schnell erhoben, lässt sich leicht dokumentieren und für Analysen aufbereiten und ist eine exzellente Basis, um im Rahmen eines organisatorischen Lernprozesses später darauf aufzubauen.

Und mit dieser Kurzbewertung aus vier plus zwei Fragen kann man sich dann der Aufforderung „Es reicht! Jetzt ist‘s genug!“ auch seriös widmen und sich über die Messungen einer passenden Ausgabenhöhe nähern. Unterbleibt diese Ermittlung und werden keine Antworten auf die rudimentären Fragen erhoben, dann ist man nicht weiter und nicht klüger, als Henry Ford es für sein Business vor rund einhundert Jahren war. Ihm wird das Bonmot zugeschrieben, dass die Hälfte seiner Ausgaben rausgeschmissenes Geld seien – er wisse nur nicht, welche Hälfte. Er sprach von Werbung, wir reden über Beratung. Aber wenn es eh schon an der Bewertungsgrundlage fehlt, ist auch solch ein hinkender Vergleich nicht schlimm.

Über den Autor

Thomas Deelmann
Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung und berät bei strategischen Fragen. Als Buch erschien von ihm zuletzt „Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium“ (2021, Erich Schmidt Verlag, 49,95 Euro).

 

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