Die #BeraterBeraterin Bestehen Ihre Berater und Ihre Consulting-Marke den Airport-Test?

Wer prägt eigentlich wen? Das Beratungshaus seine Mitarbeitenden oder die Beratungspersönlichkeiten die Marke? Und was hat das alles mit dem Ankunftsgate des Münchner Flughafens zu tun? BeraterBeraterin Susan Mathony analysiert die Kausalfrage nach dem Zusammenhang Marke & Mensch bei Beratungshäusern.

An ihren Anzügen sollt ihr sie erkennen, wie hier die Spieler des FC Bayern Münchens in Boss-Anzügen nach ihrer Ankunft am Flughafen München. Sind Consultants bestimmter Häuser ebenso gut erkennbar? (Bildnachweis: picture alliance / sampics / Stefan Matzke | Stefan Matzke)

Eine meiner engsten Freundinnen hat eine stolze Trefferquote von 80 Prozent. Seit fast zwei Jahrzehnten wettet sie mit dem Taxifahrer ihres Vertrauens, dass sie Consultants und deren Arbeitgebermarke am Ankunftsgate des Münchner Flughafens identifizieren kann. Spätestens beim Einsteigen ins Taxi gibt sie ihren Tipp ab. Da sich die Taxifahrer alle untereinander kennen, kann er ihr sagen, ob sie recht hat.

Woran erkennt sie die jeweilige Consulting-Brand?

Vermutlich ziehen Sie nun Ihre Augenbraue hoch. Aber: Die Art des Gesprächs mit dem jeweiligen Taxifahrer, Schnitt des Anzugs (besonders der Hosenbeine), Aftershave (oder keines), Laptoptaschen-Marke und Haarschnitt inkl. Nackenhaarlänge sind ihre Zuordnungskriterien.

Für Außenstehende mag das wild oder nach „Wetten, dass“ der Achtziger klingen. Eigentlich jedoch ist es unausweichlich. Wer lange in der Consulting-Branche unterwegs ist, weiß um die Unterschiede der Marken und ihrer Menschen. Womit wir beim Thema sind:

Suchen Unternehmensberatungen eigentlich gezielt nach Menschen, die zur Marke passen?

Oder umgekehrt: Muss die Beratungsmarke zu den Menschen passen, die für sie arbeiten? Lassen sich Berater sogar so verändern, dass sie einen besseren Markenfit aufweisen?

Marke, Menschen, Services?

Welcher Trumpf sticht am besten? So titelte meine #BeraterBeraterin-Kolumne im Mai 2020. Sie fragte nach dem Erfolgsgeheimnis für wirksames Professional Services-Marketing. Fokussiert man am besten auf eine starke Marke ODER spezielle Services ODER im Sinne des Human-to-Human-Marketing auf die Berater?

Damals wie heute gilt: Ein „one size fits all“-Marketing-Mix existiert nicht. Alle drei Elemente sind eng miteinander verwoben. Mein Tipp daher an Beratungs- wie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften: Spielen Sie Ihre Marke und Ihre Menschen als starke Trümpfe aus. Auch wenn weiter viel Marketingbudget in den Leistungsbereich der Corporate Websites fließt: Leider sind Services nur eine Commodity und daher kein USP.

Was Teil der Antwort ist: Ja, Menschen und Marken müssen zueinander passen. Ohne diese Kongruenz der Markenwerte und den durch zahlreiche Assessments vorher geprüfte „cultural fit“ geht es nicht. Ein McKinsey-Berater wird immer anders als ein BCG- oder ein Roland Berger-Berater sein. Daher sind die Positionierungen als Arbeitgebermarke auch sehr unterschiedlich – oder sollten es im Idealfall sein.

Denn: Je spitzer die Markenpositionierung, um so wahrscheinlicher, die richtigen Berater anzuziehen – und um so umsatzstärker das Business.

Zwei Fliehkräfte potenzieren sich: „Great Resignation“ und der Markenschredder Employer Branding

Die Frage „Wer passt zu welcher Marke?“ wird durch zwei massive Fliehkräfte potenziert.

  1. Berater stellen ein wie niebzw. So ehrgeizig waren die Einstellungspläne der Berater noch nie“ schreibt die FAZ gestern. Addiert möchten die Top Ten der Beratungshäuser und Wirtschaftsprüfungen 27.000 Stellen besetzen. Die Projektpipelines sind prall gefüllt in der Boomphase. Daher definieren 34 Prozent der Professional Services-Player den Mangel an Top-Talenten als größte Herausforderung, so Hinge Research.
  2. Aber: Die Branche hat an Attraktivität eingebüßt, so Trendence. Als Brandbeschleuniger hat die Covid19-Pandmie Loyalitäten erodiert. Laut aktueller „EY-Jobstudie 2021: Karriere und Wechselbereitschaft“ fühlt sich in Deutschland nur noch jeder fünfte Beschäftigte seinem Arbeitgeber sehr eng verbunden. Fast jeder Zweite (48 Prozent) habe Interesse an einem Arbeitgeberwechsel oder suche bereits aktiv. Das sind mehr als in jeder Vorbefragung. Vor vier Jahren lag dieser Anteil bei nur 18 Prozent.

Was gegen diese Rückschläge im War for Talents hilft? Neben taktisch gut gewählten Employer Branding-Maßnahmen vor allem eines: Die eigene Profilschärfung. 70 Prozent der Top-Talente suchen einen innovativen Arbeitgeber mit deutlichem Profil. Die messerscharfe Differenzierung zieht wie ein Lead-Magnet die richtigen Bewerber an – und zahlt sich in der Unternehmensperformance aus. Denn: Durch eine differenzierte Marke können Consulting-Player 20 Prozent mehr Umsatz generieren. Bei konsequenter Umsetzung sogar bis zu 40 Prozent.

Wie inszenieren sich die großen Player als Marke für ihre Bewerber?

Um ein Gefühl für die Kraft starker Markenkerne zu erhalten, lohnt sich der Blick auf die McKinsey-Karriereseite. Das Haus beweist Mut durch Klarheit. Der MBB-Player positioniert sich als das, was er ist: Als Premium-Sprungbrett für die Karriere ‚danach‘.
Der USP wird gleich im Header „Der Unterschied“ präsentiert:
Warum haben so viele erfolgreiche Konzernlenker:innen, Gründer:innen und NGO-Manager:innen McKinsey im Lebenslauf? Finde heraus, ob McKinsey auch für deine Karriere den entscheidenden Unterschied machen kann.“

Konsequenter kann man im Employer Branding den Benefit einer Beraterkarriere nicht benennen. Es ist die ehrliche Replik auf die Tatsache: Für das Gros der Bewerber geht es weniger um eine langfristige Karriereoption. Der durchschnittliche Strategieberater vollzieht seinen „Exit“ nach 3,2 Jahren, so die aktuelle Pumpkincareers-Analyse.

Bei BCG ploppt gleich beim Aufrufen der Karriereseite ein Bot auf, der fragt: „Hi, are you looking for a job?“ Und der Button leuchtet weiter rot, auch wenn man diesen schließt. Hier steht das Wachstum im Vordergrund: „Denn bei BCG gilt: “The sky is the limit.” Welcome to the Group.“ Letzteres zieht sich als roter Faden durch die Positionierung: „Was du nicht überall kannst: Teil einer starken Gruppe werden, die an den großen Themen der Welt arbeitet. Das geht nur bei der Group.“

Den Slogan „Welcome to the Group“ lancierte die Strategieberatung als Teil einer neuen Kampagne im Herbst 2018. Das ,G‘ in BCG stellt das Team und das Gemeinschaftsgefühl in den Mittelpunkt, wie auch das Making-Off zeigt.

Wie halten es die deutschen Player mit ihrem Employer Branding?

Der größte deutsche Player – Roland Berger – wirbt gleich mit acht Gründen, warum man sich hier bewerben sollte. Der Bogen ist dabei sehr weit gespannt. Er klingt fast ein wenig, als wolle man den Generationen X, Y und Z alle zentralen Lebensthemen wie Sustainability, Diversity und Empathie offerieren. Auffällig: Fast alle Gründe betonen explizit, dass der Bewerber ein Charakter, eine Persönlichkeit sein solle und könne. Deshalb lautet der erste Grund auch „Be yourself - Zeigen Sie Persönlichkeit. Sie selbst zu sein, erfordert Charakter und Integrität.
Etwas später lautet das Versprechen: „Wir wollen Sie nicht verbiegen“.

Screent man die Websites der 15 führenden Managementberatungsunternehmen in Deutschland fällt auf: Das Gros der Player tut sich weiter schwer mit der Markenkern-Definition. Nicht immer sticht Bewerbern eine sauber differenzierte Employer Value Proposition (EVP) ins Auge. Solche Karriereseiten tauchen bei der Google-Suche eher selten an erster Stelle auf. Häufig wird noch mit der Superlativsprache gearbeitet wie „unvergleichliche Unternehmenskultur“, „einzigartige Unternehmenskultur“ oder „einzigartiger Beratungsansatz“.

Manche Player verzichten ganz auf das zentrale „Why“ und den Purpose ihrer Marke und skizzieren lediglich trocken-pragmatisch den Karriereweg. Jene, die auf das sonst verbreitete „up or out“-System verzichten, stellen dieses prominent in den Vordergrund.

Zentrale Keywords Team, Vision, Wachstum, Weiterentwicklung und Leidenschaft tauchen bei allen auf. Wissend, wie wichtig – aber auch wie kostenintensiv – eine professionelle SEO-Optimierung ist – ist zu hoffen, dass dieses nicht die SEO-Fokus-Keywords sind. Denn dann würden sich alle Beraterseiten gegenseitig kannibalisieren und leider nicht auf Seite 1 der Trefferlisten stehen.

Henne oder Ei: Wer prägt hier eigentlich wen?

Last but not least zurück zur Ausgangsfrage: Wer prägt hier eigentlich wen? Bzw. verändern sich Berater sogar so, dass sie einen besseren Markenfit aufweisen? Sicher verändern sich Mitarbeiter durch ihre Arbeitgebermarke. Bei jedem, der länger als zwei Jahre für ein bestimmtes Beratungshaus arbeitet, stellt sich eine „Déformation professionnelle“ ein. Dafür sorgen nicht nur gemeinsame Projekte sowie Trainings und Schulungen, sondern unzählige Offsites, Sommerparties und aufwendigste Teamevents – zumindest bis zur Pandemie. Heute sind es eben virtuelle Weihnachtsparties oder Weinverkostungen vor dem heimischen Bildschirm.

Früher hätte man das als „Corpsgeist“ bezeichnet. Aber schaut man sich die Definition an, merkt man: Sie passt noch heute. „Wenn eine emotionale Gemeinschaft innerhalb einer objektiv abgrenzbaren Gesellschaftsgruppe entsteht, die nach außen hin einheitlich auftritt und untereinander solidarisch handelt und dadurch persönliche Bindungen über das rein gesellschaftliche Maß hinaus fördert.“

Und so wird bei diesem Zusammenspiel von Marke & Mensch immer ein wenig die „Henne-Ei“-Kausalfrage mitspielen. Unabhängig wer im Einzelfall stärker ist: Die Marke oder die Senior-Partner/der CEO und sein Vorstandsteam: Alle wissen um den Wert der „gelebten Marke“ und der „erlebten Marke“ in der Experience Economy.

Fazit

Wer von der Boomphase partizipieren will, sollte die ‘Great Attrition’ in eine ‘Great Attraction’ umwandeln. Und hier besteht Handlungsbedarf. Solange es jedem zweiten Käufer von Beratungsleistungen schwerfällt, den passenden Unternehmensberater zu finden, da eine klare Differenzierung zwischen den Playern fehle, geht es Bewerbern nicht sehr viel anders. Professional Services-Brands sind daher gut daran beraten, ihre Employer Brand maximal scharf zu differenzieren. Was früher die Kür für HR & Marketing war, ist heute die Pflicht mit Vorstandsrelevanz. Sonst droht der ‚Markenschredder‘ der Austauschbarkeit – und das wäre schade.

Über Susanne Mathony

Susanne Mathony
Susanne Mathony ist Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u. a. für Accenture Strategy sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.

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