#1Blick vom Beratungsforscher Bin ich schon drin? Ich bin drin! – Updates zum Inhouse Consulting

Unternehmen und Verwaltungen, die etwas auf sich halten, zählen eine eigene Beratungseinheit zu den Insignien ihres Erfolges – so scheint es zumindest manchmal. Aber Spaß beiseite: Interne Beratungen punkten mit vielen Vorteilen, scheinen tatsächlich in ihrer Anzahl zu wachsen und machen typischerweise ihre Mutterorganisation erfolgreich(er). Leider geht auch hier, wie so oft, eine größere Verbreitung mit einer schwindenden Klarheit einher und auf der Strecke bleibt dann etwa die Frage: Was ist das eigentlich, eine „Interne Beratung“? Dieser #1Blick kümmert sich um eine Antwort.

Boris Becker stellt sich 1999 im AOL-Werbespot die Frage, ob er schon im Internet sei (Bild: picture-alliance / dpa | Fotoreport AOL).

„Ehrlich, ich versteh absolut Null von …“

Der eine oder die andere wird sich vielleicht noch an den Werbespot mit Boris Becker (er war 1985 der erste deutsche und seinerzeit jüngste Gewinner des Tennisturniers in Wimbledon) erinnern, in dem er sich als Technik-Laie 1999 die Frage stellt – und dann sichtbar überrascht positiv selbst beantwortet – ob er schon im Internet sei.

Die Unterscheidung in drinnen & draußen ist auch Thema dieses #1Blickes, um vielleicht hier und dort für etwas (mehr) Klarheit zu sorgen. Ein Vorgängertext über die typischen Aufgaben, Nutzenaspekte und Herausforderungen „Interner Beratungen“ wird dadurch ergänzt.

Länger intern

Zunächst ist freudig nachzutragen, dass Beratung schon viel länger „drinnen“ sein könnte, als bisher angenommen. Das vermutlich erste moderne Organigramm stammt aus dem Jahr 1854 und zeigt die Organisation der „New York and Erie Railroad“-Eisenbahngesellschaft. Für heutige Betrachter zunächst ungewöhnlich ist die Darstellung in einer Baumform; mittlerweile wird typischerweise eine pyramidale Darstellung genutzt. Bemerkenswert ist aber auch, dass ein kleiner Ast dieses Baumes eine Consulting-Abteilung markiert. Die Platzierung legt nahe, dass es sich um eine interne Beratung handelt – und nicht etwa um die Beratung von Firmen- und Privatkunden.

Das moderne Inhouse Consulting ist dann wohl deutlich älter als gedacht. Die amerikanische Eisenbahn schlägt also die ersten Gründungen in Deutschland (vermutlich 1971) und im Vereinigten Königreich (mindestens seit 1976) um Längen.

Fairerweise muss aber auch notiert werden, dass (derzeit) kaum mehr als die Bezeichnung im Organigramm bekannt ist und keine seriösen Aussagen über Aufgaben, Verantwortlichkeiten et cetera getroffen werden können.

Nicht intern

Anders schaut es bei einer Beratung aus, die hin und wieder als „Interne Beratung“ bezeichnet wird, obwohl sie strenggenommen keine ist. Auf einen ersten, flüchtigen Blick scheint die Situation zwar etwas verwirrend, dies lässt sich aber gut auflösen. Die Rede ist von der „PD – Berater der öffentlichen Hand“, die aus der „PD – Partnerschaft Deutschland“, einem sogenannten Public-Private-Partnership (PPP bzw. deutsch: ÖPP) hervorgegangen ist. Die PD präsentiert sich selbst als stolze Gewinnerin und Platzierte in diversen Berater-Rankings und Consulting-Wettbewerben, das Nachrichtenportal Business-Insider hat sie einmal als „Staats-McKinsey“ bezeichnet und der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen sieht durch die PD den Wettbewerb eingeschränkt.

Vielleicht entsteht die Verwirrung, weil erstens die Begriffe „Intern“ und „Inhouse“ oft und gerne austauschbar genutzt werden und zweitens bei öffentlichen Vergaben sogenannte „Inhouse-Gesellschaften“ eine ganz besondere Rolle einnehmen.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GBW, § 108) räumt öffentlichen Auftraggebern (also etwa Bund, Ländern und Kommunen) die Möglichkeit ein, auf längliche Ausschreibungsverfahren zu verzichten, wenn Aufträge an öffentliche Auftragnehmer vergeben werden, also eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit vorliegt.

Bei der PD ist anscheinend genau dies der Fall. Die Gesellschaft befindet sich zu einem großen Teil in der Hand des Bundes und zählt jüngst mit „den Städten Espelkamp, Dreieich, Köln, Luckau und Wiesbaden, den Kreisen Pinneberg und Rhein-Hunsrück, den Gemeinden Schönefeld und Windeck sowie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Kommunalen Zweckverband ITK Rheinland [sowie anderen] seit Mai 2023 186 ausschließlich öffentliche Gesellschafter.“ Und nur diese Gesellschafter können die Leistungen der PD in Anspruch nehmen.

Wenn die PD nun als „Inhouse-Beratung“ im Sinne einer Inhouse-Gesellschaft (entsprechend § 108 GWB), die im konkreten Fall Beratungsleistungen erbringt, bezeichnet wird, dann mag das nachvollziehbar sein. Die Interpretation der „Inhouse-Beratung“ im Sinne einer „Internen Beratung“ im beratungsfachlichen Sinne geht aber wohl einen Schritt zu weit. Hier mangelt es nämlich an der Internalität und den typischen Charakteristika (beispielsweise: Beraterin und Kundin sind „Kolleginnen“). Die PD ist also keine „Interne Beratung“; aber eine mit einer starken Branchenfokussierung (öffentlicher Sektor) und einer noch engeren Kundenbasis („nur“ die 186 oben genannten Gesellschafter).

Doch intern

Bei einem weiteren Fall verhält es sich genau umgekehrt. Auch hier steht eine Beratung im Mittelpunkt und es gehen die Meinungen auseinander, ob es sich um eine „Interne Beratung“ oder um eine externe handelt. (Notiz: Die einschlägige Diskussion ist noch nicht öffentlich geworden, daher soll auch hier die Namensnennung unterbleiben.) Die fragliche Beratungseinheit ist bereits seit einigen Jahren als GmbH organisiert und hat nur eine Kundin: ihre Alleingesellschafterin.

Es gibt Stimmen in der Diskussion, die artikulieren, dass die Beratung „extern“ sei, weil sie als eigenständige GmbH nur eine Tochter der Mutterorganisation ist. Dies mag organisationskulturelle Wahrnehmungen nachzeichnen, greift aber aus beratungsfachlicher Sicht deutlich zu kurz.

Die Art der aufbauorganisatorischen Gestaltung – also ob eine Beratungseinheit als GmbH oder als Betrieb oder als Abteilung oder als internes Team oder, oder, oder organisiert wird – ist typischerweise nicht für die Zuschreibung des Status „Intern“ relevant: „Grundsätzlich greift hier die Organisationsfreiheit der Mutterorganisation. Mit welcher Aufgabenfülle, Personalstärke, Vortragsrechten, Gehaltsstruktur etc. eine interne Beratung ausgestattet wird, auf welcher rechtlichen Basis sie steht und ob es einen so genannten Kontrahierungszwang, ein Kontrahierungsgebot oder keinerlei einschlägige Regelung gibt, das wird entsprechend vieler Vorüberlegungen und in der Sache individuell fixiert." Der Blick in die Praxis (etwa hier oder hier) spiegelt diese Einschätzung.

Zudem ist im öffentlich einsehbaren Geschäftsbericht der GmbH die deutliche und ausschließliche Fokussierung auf die Mutterorganisation erkennbar. Und bei dieser wird – auch dies ist nachlesbar – das Finanzbudget der Beratungstochter bereitgestellt. Der vorliegende Fall stellt vermutlich ein Paradebeispiel für eine reife und weit entwickelte „Interne Beratung“ dar.

Quickcheck: Intern? Intern!

Bevor der Eindruck entsteht, es sei eine große Schwierigkeit, „Interne Beratungen“ zu erkennen und zu bestimmen: Nein, dem ist eigentlich überhaupt nicht so. In ganz vielen Fällen verläuft das absolut problem- und geräuschlos. Um aber dennoch etwas Klarheit zu ermöglichen, gibt es abschließend zwei Angebote für Hilfestellungen. Zum einen kann sich der Bestimmung einer „Internen Beratung“ mehr oder minder wissenschaftlich genähert werden, wie etwa in dieser Studie oder dieser systemtheoretisch grundierten Dissertation.

Zum anderen können ganz pragmatische Heuristiken genutzt werden:

  • Haben Beraterin und Kundin irgendwo in ihrer Berichtslinie bzw. Hierarchie eine gemeinsame Vorgesetzte? Falls ja, dann gehören beide zu einer (Gesamt-)Organisation und die Beraterin ist Mitglied einer „Internen Beratung“.
  • Lassen sich Bezahlung bzw. Finanzierung etwas flapsig mit „linke Tasche, rechte Tasche“ charakterisieren und werden die jeweiligen Zahlungsströme zwischen Kundin und Beraterin irgendwann im Rechnungswesen konsolidiert? Dann ist auch dies ein deutliches Zeichen, dass es sich um eine „Interne Beratung“ handelt.

Beide Tests bieten einen recht guten „Interne Beratung“-Indikator. Oder, um nochmal den Boris Becker-Spot zu bemühen: „So einfach ist das!“

 

Über die Person

Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung und berät bei strategischen Fragen. Als Buch erschienen von ihm das Sachbuch „Die Berater-Republik – Wie Consultants Milliarden an Staat und Unternehmen verdienen“ (2023, 256 Seiten,... mehr

Diskutieren Sie mit!     

Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!

Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.

Anmelden

Weitere Highlights auf CONSULTING.de

Editors Choice

alle anzeigen