Die #Beraterberaterin Clash oder Chance im Consulting: Der Kampf zweier Generationen

Beim Fingerhakeln geht es darum, den Gegner über den Tisch zu ziehen. Kein gutes Zielbild für das Miteinander der unterschiedlichen Generationen. (Bild: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand).
Zuweilen werde ich das Opfer von Ghosting. In 90 Prozent durch den Marketing-Leitenden renommierter Strategieberatungen und Restrukturierungsboutiquen. Er/sie spricht von ‚akutem Handlungsbedarf' und bittet um detaillierte Kostenvoranschläge – idealerweise bis gestern.
Unsere Spannung steigt innerhalb solcher Calls von 0 auf 100. Wir rüsten uns für einen Strategie-Sprint.
Doch stattdessen? Radio Silence!
Tage werden zu Wochen. Wenn es nicht zum kompletten Ghosting kommt, lautet die Mantra-artige Antwort: „Die Partnerschaft diskutiert noch.“
20 Prozent der Projekte sterben dann still und leise. Auch andere Kommunikationsberatungen werden nicht mandatiert. Am Pricing liegt es also nicht.
Und die verbleibenden 80 Prozent? Sie kommen zuweilen erst Monate nach dem Dringlichkeits-Trigger zum Fliegen.
Warum diese Verspätungen, die den Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb kosten?
Gilt für Ghost-Marketers im Consulting der abgewandelte Fisherman's Friend-Claim „Sind sie zu schwach, bist du zu stark“? Verlieren sie wegen zu hoher Projektbelastung den Faden?
Nein, sie sitzen auf einem ‚Hot Seat‘ – eingeklemmt zwischen der ersten Garde der etablierten Partner und der Next Generation-Leader.
Da knirscht es. Da prallen Boomer und Generation Golf auf ungeduldige Enddreißiger.
Wie beschreibt es Daniel Nerlich? „The Big Shift zwingt zum Perspektivenwechsel“!
Das bedeutet Unterschiede im Führungsstil wie bei präferierten Marketing-Strategien.
Führungsstile im Duell: Bewährtes trifft auf Zukunftsorientiertes
Erlebe ich ein solches Duell der Generationen hautnah, schießen mir Stories über den Stabswechsel von Steve Ballmer an Satya Nadella (Microsoft) durch den Kopf. Ballmer war von seinem Managementstil eher autoritär und oft lautstark. Sein kultureller Mindset war wettbewerbsorientiert, mit einer Tendenz zu internem Konkurrenzkampf. Sein Nachfolger Nadella bevorzugt einen kollaborativen Leadership-Stil, agiert besonnen, ist offener für Feedback. Er ist ein Fan des „Growth Mindset“.
Vergleichbares sehe ich bei Consultants. Da treffen Anzug-tragende Rainmaker, deren Karrieren in einer Zeit ohne Smartphones startete, auf durch und durch digitale Entry-Partner mit Sneaker-Kollektion.
Erstere setzen auf bewährte Rezepte: Top-Down-Führung, klare Hierarchien und Handshakes. Persönliche Beziehungen und Networking auf Vorstandsebene sind ihre Super-Power. Ihre Devise lautet: „Never change a winning team.“
Zweitere wurden in einer Zeit sozialisiert, in der sich Start-ups zu Giganten entwickelten. Für sie ist Führung Team-Sport. Sie setzen auf offene Diskussionen, schnelle Anpassungen und das Aufbrechen von Silos. Datengetriebene Ansätze wie Account-Based Marketing und Predictive Analytics für eine zielgenauere Kundenansprache sind für sie Brot und Butter.
Neue Wellen, alte Anker: Diese Generationendynamik ist für Marketers eine Challenge
In dieser Generationsdynamik mit zum Teil heftigem Wellengang müssen Marketers zu Übersetzern werden. Was ihnen als Brückenbauenden hilft, ist eine ‚blended culture‘.
So bringen Beratungsunternehmen das Beste aus beiden Welten zusammen: Die Zuverlässigkeit und Erfahrung der Älteren mit der Innovationskraft und Agilität der Jüngeren.
Drei Beispiele für den Balanceakt „Clash oder Chance“ im Marketing
1) Digital Native vs. Digital Immigrants
Next Generation-Partner sind als Digital Natives aufgewachsen. Technologie ist ihr Begleiter seit Kindheitstagen. Zu Plattformen wie LinkedIn haben sie eine natürliche Affinität. Das Chrome Plug-in für ChatGPT haben sie längst installiert. Treibt sie ein Marketing-Thema um, senden sie mir einfach eine WhatsApp oder greifen direkt zum Hörer, ohne dass aufwendig ein Termin über die Assistentin arrangiert wird.
Das Gros der Senior-Partner gehört hingegen zu den Digital Immigrants. Erst relativ spät haben sie den Sprung ins digitale Ökosystem vollzogen. Möchten sie ein Marketing-Projekt vorantreiben, setzen sie – häufig mit wochenlangen Vorlauf – ein Meeting auf. Hier sitzen dann mindestens fünf Partner am Tisch und diskutieren amikal-partnerschaftlich die Pro’s und Con’s. Zur Entscheidung kommt es meist nach drei weiteren Calls.
Wie wirkt sich das etwa auf den Dauerbrenner Personal Branding auf LinkedIn aus?
Digital Natives sehen LinkedIn nicht nur als soziales Netzwerk, sondern entscheidend für die Markenbildung und als Thought Leadership-Kanal. In ihrem Personal Branding agieren sie proaktiv, teilen Insights, engagieren sich in fachspezifischen Diskursen und verwenden ganz selbstverständlich Analytics für eine adaptive Content-Strategie.
Ihre Pendants der Boomer-Generation sind hingegen entweder gar nicht auf LinkedIn oder nutzen es als Rolodex. Ihre Interaktion ist oftmals reaktiver und beschränkt sich auf Netzwerkpflege.
2) Traditionelle vs. moderne Marketingstrategien
In Strategie-Workshops im Consulting erlebe ich immer wieder eine Kluft zwischen traditionellen und progressiven Marketing-Vertretern. Die einen sind überzeugte Kotler-Jünger. Für sie ist sein Buch von 2014 „How to Create, Win, and Dominate Markets" die Marketing-Bibel. Sie setzen auf traditionelle Strategien wie 4P-Analysen, SWOT und Werbung. Nicht-personalisierte Hubspots-Mailings mit der neuesten Studie an tausende von Adressen ist für sie der Gold Standard im Thought Leadership-Marketing.
Next Gen-Partner lesen eher „Marketing 5.0: Technology for Humanity“ von 2021. Sie mögen es progressiver und bauen auf datengesteuerte Entscheidungen, Customer Journey-Mapping und hyperpersonalisierte Marketingtaktiken. Ein Beispiel ist etwa die Predictive Content Recommendation. Hier analysiert ein Algorithmus das Nutzerverhalten sowie die vorherigen Interaktionen auf der Corporate-Webseite und bietet in Echtzeit personalisierten Content an. Dies erhöht die Conversion-Rate erheblich.
3) Klassische vs. progressive PR
Gerade im PR-Bereich hat sich in den letzten zehn Jahren viel getan. Nicht nur durch die veränderte Verlagslandschaft. Sondern auch durch die Arbeitsweisen der Journalisten. Selbst bei wichtigen Wirtschaftsmedien sind nicht mehr Ex-BWL’er mit Promotion in den Fünfzigern die Blattmacher, sondern End-Zwanziger/Anfang Dreißiger. Und das nicht nur bei Business Insider, sondern auch bei Handelsblatt und WiWo.
Senior Partner vertrauen gerne auf klassische PR – inklusive vier Schleifen zur Abstimmung der Zitate. Für das Gros ist erst die Coverage in einem renommierten Magazin eine echte Platzierung.
Die Next Generation weiß hingegen um das PR-Potential sozialer Medien. Statt lang (und kostenintensiv) PR-Agenturen um Kontaktaufnahme mit wichtigen Journalisten zu bitten, schreiben sie lieber selbst eine LinkedIn-Mail und pitchen ihre eigenen Gedanken.
Natürlich haben sie nichts gegen ein starkes CEO-Interview im Handelsblatt. Aber sie sehen auch den Wert eines Beitrags von einem branchenrelevanten Influencer auf LinkedIn oder einen Gastbeitrag auf einem spezialisierten Online-Portal. Statt nur die breite Masse zu informieren, geht es ihnen darum, eine tiefe und authentische Verbindung mit spezifischen Zielgruppen herzustellen und in den Dialog zu kommen.
Fazit: Dieses Ringen ist weder Risiko noch Revolution, sondern „normale“ Transformation
Volatile Märkte und technologische Disruption sind heute die Norm. Wenn Umbruch das #newnormal ist, sehen viele den Generationskonflikt als Stolperstein. Klar erzeugt diese Reibung Hitze. Sie macht Marketing zum ‚Hot Seat‘.
Aber letztlich ist es ein starker Konvergenzpunkt, an dem sich erfahrungsgeleitete Strategie und disruptives Innovationsdenken treffen. Gut gemacht, ist es keine Sollbruchstelle, sondern der Katalysator für die nötige Transformation.
Es geht nicht darum, dass ‚Best Ager-Rainmaker‘ zu ‚Digital Native-Disruptoren‘ werden oder umgekehrt. Das Altbewährte stabilisiert, während das Neue antreibt. Schaffen Beratungshäuser den Balanceakt, diese Energien zu bündeln, meistern sie modernes Marketing. Das Spiel hat sich geändert. Es ist Zeit, dass sich die Spieler anpassen.
Über die Person
Susanne Mathony, Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u.a. für Accenture, AlixPartners, Strategy& sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.
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