#1Blick vom Beratungsforscher WFH? tbd! – Sind Consultants Vorreiter im Working from Home?
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Das Berater-Nomadenleben wie es in „Up in the air“ mit George Clooney dargestellt wurde, hat sich durch Corona verändert. Profitieren Consultants als Vorreiter wirklich davon? (Bildnachweis: UP IN THE AIR [US 2009] GEORGE CLOONEY Date: 2009 (Mary Evans Picture Library))
Arbeitsorte – gestern und heute
Der Arbeitsort von nicht wenigen Menschen hat sich in den vergangenen circa 1,5 Jahren verlagert. Das Arbeiten von Zuhause (Working from Home, WFH) ist für viele entbehrliche Jobs (entbehrlich hier als Gegenpol gemeint zu den als systemrelevant bezeichneten Aufgaben wie: Pflege im Krankenhaus, Kassieren im Supermarkt, Entsorgung von Hausmüll) zu einer neuen Standardsituation geworden. Wurde vor zwei Jahren ein Tag „Home Office“ als Ausnahme bei der Chefin angefragt, weil sich eine Handwerkerin angekündigt hat, bricht man nun aus ebendiesem Home Office aus und besucht das Firmenbüro insbesondere wegen dem zwischenmenschlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie einem gemeinsamen Mittagessen. Corona führte zu einer Umkehrung und Neudefinition von Arbeitsorten.
Consultants mit vermeintlichem Startvorteil
Beraterinnen und Berater scheinen für ein solches verändertes Arbeiten prädestiniert zu sein: In den allermeisten Fällen haben sie sich schon mit ihrem Berufsstart an das Arbeiten außerhalb des regulären Büros gewöhnt. Sie wissen also, was es heißt, in beengten Räumlichkeiten zu arbeiten, nur auf eine eingeschränkte Netzkapazität zurückgreifen zu können oder wie man sich gegen eine hohe Umgebungslautstärke abschottet.
Vielleicht, so scheint es weiter, sind Beraterinnen und Berater sogar die „Gewinner“ der Pandemie (Soweit es hier überhaupt Gewinner gibt! Vielleicht sind sie auch nur die am wenigsten stark betroffenen Verlierer der Pandemie.).
Während sie bisher diejenigen waren, die an drei, vier oder fünf Tagen der Woche nicht zu Hause waren, in Hotels übernachtet haben und Freundschaftsverhältnisse, Vereinsleben etc. hintenanstellen mussten, können sie nun von daheim arbeiten und alle anderen haben ebenso wenig Vereinsleben wie sie.
Business-Vordenker, Spin Doctors und New Work-Gurus beschreiben in der Zwischenzeit eine neue Arbeitswelt und das so genannte „New Normal“. Als Paradebeispiele werden Unternehmen wie SAP, Porsche oder Spotify genannt, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entweder noch Monate komplett im Home Office lassen oder ihnen die Wahl der Arbeitsorte frei stellen. Den Unternehmen werden dann aber auch Gegenbeispiele wie Goldman Sachs, Netflix oder Trigema vorgehalten, die das Arbeiten im Firmenbüro forcieren.
Für viele der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergibt sich wohl eine Lösung zwischen diesen Polen: Ein selbstbestimmtes, hybrides Modell mit einer mehr oder minder gleichverteilten Arbeit im Büro und daheim beziehungsweise irgendwo.
Consultants als Dienstleister für die Kundin
Für Consultants stellt sich die Situation entgegen einer ersten Vermutung tatsächlich nicht so einfach dar. Sie hängen dabei zum einen am Fliegenfänger ihrer Kundinnen und zum anderen brechen eine Reihe von eher weichen Faktoren weg, die den Beratungs-Job bisher ausgezeichnet haben.
Zunächst ein Szenario, um den Fliegenfänger zu beschreiben:
Nehmen wir an, die Kundenprojektleiterin hat ihr hybrides Arbeitsmodell so gestaltet, dass sie am Dienstag und am Donnerstag im Büro ist. Dann bietet es sich für den Berater durchaus an, an diesen beiden Tagen ebenfalls beim Kunden zu sein – und nicht beispielsweise am Montag und Mittwoch. Wenn nun der Berater nicht in der Stadt wohnt (z. B. Köln), in der die Kundin arbeitet (z. B. Berlin), dann sind mit dem Dienstag und Donnerstag zwei Präsenz- und damit Reisetage notwendig.
Offen bleibt, was mit dem Mittwoch passiert. Wieder von Berlin nach Köln zurück oder lieber doch beim Kunden, im Hotel oder einem Co-Working-Space arbeiten? Und wenn dann Meetings vom Kunden dienstags schon um 9 oder 10 Uhr angesetzt werden und die traditionelle Berateranreise am späten Vormittag (vor Corona war es der Montag) nicht mehr gerne gesehen und akzeptiert wird, dann verbringt der Fliegenfängerberater auch schon die Nacht von Montag auf Dienstag im Berliner Hotel. Und wenn jetzt noch am Freitag der Office Day mit den Consulting-Kollegen hinzukommt, dann unterscheidet sich dieses gedachte, aber vielleicht gar nicht weit hergeholte Szenario kaum mehr von den Prä-Corona Arbeitswochen.
Attraktivitätsbausteine des Berufs
Neben der Position als Dienstleister, in der man sich am Arbeitsverhalten der Kundin orientiert, gibt es noch weitere Punkte, die ein übermäßiges WFH für Consultants zumindest nicht forcieren. Eine kleine, nicht repräsentative und noch weniger vollständige Aufzählung:
- Für nicht wenige Beraterinnen und Berater besteht der Reiz der Tätigkeit auch im Reisen. Das Leben in guten Hotels (und im Zweifel auch in Lounges von Fluglinien), das Bekümmert werden und die Zugehörigkeit zu Status-Gruppen weisen manchmal das gewisse Etwas auf, das zu einer Berufsbindung führt.
- Kolleginnen und Kollegen sowie die Unternehmenskultur sind die wichtigsten Kriterien für die Wahl eines Consulting-Arbeitgebers. Beide Faktoren lassen sich leichter im Office erleben und leben – im Home-Office hingegen nur schwer.
- Einige Consultants verfügen von Natur auch über ein gewinnendes Wesen, große Empathie und eine gewisse Präsenz im physischen Raum und bauen darauf – andere haben sich das mühsam antrainiert. Für beide Gruppen gilt aber, dass diese Eigenschaften in virtuellen Meetings nicht sonderlich gut zur Geltung kommen.
- Die steile Lernkurve ist ein eigentlich unschlagbares Recruiting-Argument. Vermutlich wird der Grad des Anstiegs der Lernkurve auch von der Arbeitsweise determiniert, mit dem persönlichen Austausch in der Kaffeeküche und den kleinen „Tipps & Tricks“ zwischendurch als fördernde Elemente.
- Und schließlich – man mag es kaum sagen und es gibt wohl nur Dunkelziffern hierzu – sind vielleicht manche Beraterinnen und Berater froh darüber, während der Arbeitswoche von ihrem Lebenspartner bzw. der -partnerin getrennt zu sein, weil man sich voneinander entwöhnt und mit einer Wochenendbeziehung arrangiert hat.
Zusätzlich zu den Consulting-Besonderheiten sind natürlich auch noch die allgemeinen WFH-Herausforderungen – wie beispielsweise eine stärkere Entgrenzung der Arbeit – zu bedenken.
Skeptische Unsicherheit
In persönlichen Gesprächen mit Beratern ist eine gewisse Unsicherheit darin wahrzunehmen, wie mit einer neuen Arbeitswelt umzugehen ist. Auf der einen Seite mag man sich nicht gegen den WFH-Trend stemmen, um nicht als gestrig zu wirken und im so genannten War for Talents nicht zurückzufallen. Auf der anderen Seite werden die Restriktionen wahrgenommen und können auch nicht verdrängt werden.
Ob es also zu einer großen und nachhaltigen WFH-Schwemme für Consultants kommt, ist noch tbd, to be discussed beziehungsweise noch zu diskutieren und zu bestimmen. The Jury is still out, man darf skeptisch & gespannt sein.
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