#1Blick vom Beratungsforscher Consulting, kurz & bündig: Wer, was, wie?

Der Kern: Professionelle Organisationsproblembearbeitungsbegleitung
Auch nach circa 100 Jahren Consulting in Deutschland haben wir es noch nicht geschafft, uns auf eine einheitliche und allgemeinverbindliche Definition zu einigen. „Beratung ist das, was Beraterinnen und Berater machen“ klingt zwar pragmatisch, führt aber sehr schnell zu einem Zirkelschluss. Nur auf den ersten Blick komplizierter scheint die Beschreibung von Beratung als „professionelle Organisationsproblembearbeitungsbegleitung“ – sie ist aber leicht auflösbar: Das „professionell“ gibt den Hinweis darauf, dass es sich um eine Kerntätigkeit handelt und kein Nebenprodukt einer anderen Tätigkeit ist (à la: Hier sind drei Drucker, ich berate Sie jetzt bei der Auswahl!).
„Organisation“ bezeichnet die Kundin und ist bewusst weit gefasst. Unternehmen sind inkludiert, ebenso Verwaltungen, Vereine, NGOs etc. „Problem“ als dritter Bestandteil umfasst positive wie negative Situationen, mit denen „gearbeitet“ wird. Wichtig dabei ist: Die Verantwortung für Entscheidungen und für das Ergebnis liegt bei der Kundenorganisation und die Beratungsorganisation „begleitet“ hier lediglich. Diese Begleitung kann sehr eng erfolgen, wie es bei der Fachberatung üblich ist, oder lose, wie bei der Prozessberatung.
Das Begriffsungetüm klingt zunächst eigenwillig, hat aber den Vorteil, nicht nur den Beratungsansatz zu umfassen, den die Beratungsabteilungen der Big Four, die MBB und viele andere anwenden. Es werden auch die systemische Beratung oder das Ratgeben in Form von Gutachten mitgedacht sowie organisatorische Exoten wie Inhouse Consulting Units oder Studentische Unternehmensberatungen.
Das Geschäftsmodell: „Drei K“ sind wichtig
Das Consulting-Geschäftsmodell beschreibt für einen bestimmten Zeitpunkt, wie eine Beratung operativ arbeitet und womit sie ihr Geld verdient. Es kann gut mit Hilfe von „drei K“ beschrieben werden: Es geht um Kunden, Kompetenzen und Kompensation (oder ganz profan „Kohle“). Wesentlich ist also die Frage nach dem Zusammenspiel der passenden Kunden (z.B. Fokus auf den Automobilsektor, auf kleine Handelsbetriebe, auf Vereine), den vorhandenen Kompetenzen, die den Kunden angeboten werden können (z.B. IT-Expertise, Branchenexpertise, Expertise im Umgang mit Betriebsräten, ein besonderes Vorgehensmodell) und der Kompensation (z.B. Art und Höhe des Honorars), die dafür verlangt und bezahlt wird.
Die Strategie: Nabelschau & Blick aus dem Fenster
Das Geschäftsmodell einer Beratung in der Gegenwart wird in der etwas ferner liegenden Zukunft mehr oder minder anders aussehen: Die Organisation wächst, bearbeitet neue Service Lines, wird digitalisiert etc. Der geplante Weg einer solchen Neuorientierung wird als Strategie bezeichnet.
Für die Entwicklung einer Strategie finden sich eine große Zahl von Ratgebern und Tipps. Sie lassen sich aber oft auf zwei Gedanken zurückführen. Die Basis bilden eine Nabelschau als Introspektive (Identifikation von dem, was man selbst gut oder nicht so gut beherrscht) sowie dem sprichwörtlichen Blick aus dem Fenster (Identifikation von Chancen und Risiken, die in der Umwelt stecken). Aus einer Kombination der Ausprägung dieser beiden Dimensionen lassen sich idealtypische Verhaltensweisen ableiten; hierhinter verbirgt sich die als „SWOT“ bekannte Methode der Analyse und Entwicklung von Strategiealternativen. Eine sehr große Gruppe von strategischen Fragestellungen kann so beantwortet werden. (Und viele „Strategie-Werkzeuge“ nutzen die SWOT-Idee, verkleiden sie aber hinter einer anderen Bezeichnung!)
Kommerzielles Consulting muss sich oft zwischen unterschiedlichen Strategiealternativen entscheiden, zum Beispiel „jedes halbwegs passende Projekt annehmen, auch wenn es nicht so gut bezahlt ist, dafür aber die Auslastung treibt“ oder „ausschließlich die wenigen Projekte bearbeiten, die genau auf das geschärfte Kompetenzprofil passen, dafür aber exzellent honoriert werden“, also eine Unterscheidung zwischen Masse und Klasse. Beides kann – richtig gedacht und gemacht – sehr erfolgreich sein.
Eine Empfehlung: Weniger Jakob und Hans Dampf, mehr Schuster
Nur ganz wenigen Beratungen wird es gelingen, im Sinne eines billigen Jakobs den Kampf um das allergünstigste Angebot mit Hilfe von extrem niedrigen Kosten zu gewinnen und dabei profitabel zu arbeiten. Ebenso gefährlich ist es, sich wie ein Hans Dampf auf alle sich bietenden Anfragen zu stürzen und ein sehr heterogenes Service Offering Portfolio anzubieten: Wenige können als One-Stop-Shop auf allen Gebieten top Leistungen bringen. Für die zahlenmäßig meisten Beratungen ist also vermutlich eine Fokussierung ideal – und dabei wie der sprichwörtliche Schuster bei seinen Leisten zu bleiben.
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