Kniggewissen für Consultants Darf man heutzutage noch anderer Meinung sein?

Wie liebe ich es, in Diskussionen einen anderen Standpunkt einzunehmen! Das ist nicht immer meine Meinung, aber ich denke, in einer guten Auseinandersetzung mit einem Thema sollten möglichst viele Blickwinkel betrachtet werden. Alle Argumente auf den Tisch kommen, um sich am Ende eine sorgfältig abgewogene Meinung bilden zu können. Sehen Sie das auch so? Prima, dann sind wir ja schon zu zweit, denn viele Menschen mit dieser Meinung scheint es nicht zu geben.

Steht man mit einer anderen Meinung heutzutage im Abseits? (Bild: picture alliance / Zoonar | Sanga Park)

Ist Vielfalt noch erwünscht?

Seit einiger Zeit fällt mir vermehrt auf, dass in Diskussionen abweichende Meinungen nicht mehr gefragt, nein, sogar nicht erwünscht sind. Warum? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass Menschen untergebügelt werden, wenn sie nicht dem allgemeingültigen Tenor entsprechen.

Seit wann ist das so? Ist dieses Phänomen durch Corona entstanden? Haben sich Impfbefürworter und -gegner so aneinander gerieben, dass es nicht mehr möglich ist, respektvoll andere Meinungen gelten zu lassen? Doch nicht nur bei Corona, auch in allen anderen Fragen des täglichen Lebens sehe, lese und höre ich dieses Phänomen.

Ob in Talkshows, in den sozialen Medien, bei Leserbriefen, aber auch in privaten Gesprächen – Vielfalt ist häufig nicht erwünscht.

Mittlerweile bin ich versucht, in Diskussionen im Vorfeld meine eigene Meinung darzulegen, bevor ich einen anderen Standpunkt einnehme, nur um einem Shitstorm zu vermeiden. Diese Angst, nein eher ist es eine Vorsichtsmaßnahme, irritiert mich.

Wir leben in einer Demokratie

Auch ich bin in manchen Diskussionen überrascht von Standpunkten und Einstellungen. Sie erscheinen mir schräg, ohne Substanz oder engstirnig. Doch darf ich meine Meinung als die allein selig machende verteidigen? Nein, nicht in einer Demokratie und die haben wir hier zum Glück noch. Auch wenn genau dies von einigen Mitmenschen bestritten wird.

Muss ich alles hinnehmen?

In einer Demokratie ist das höchste Gut die Meinungsfreiheit. Die gilt es zu verteidigen.

Egal ob bei Ablehnung oder Zustimmung einer Sache. Es gilt, die Rechte des Einzelnen auf eigene Meinung zu schützen - egal wie unsinnig sie einem erscheinen mag. Ich muss Meinung en nicht hinnehmen, ich kann Ihnen widersprechen. Aber dass mein Gegenüber eine Meinung hat, das muss ich hinnehmen.

Die Aufgabe ist es, im Gespräch zu klären, worauf die Meinung des anderen basiert - vielleicht kann man Sichtweisen öffnen, Denkanstöße geben?!

Wie Annette Christ, Gleichberechtigungs-Coach, sagt: „Gleichberechtigung ist nicht nur eine Sache zwischen Männern und Frauen, sondern betrifft jeden. Es ist meine innere Haltung. Erst diese schafft es, dass ich jedem Menschen den gleichen Wert zuerkenne. Dabei ist es wichtig, Grenzen zu respektieren.“

Dem Anderen sein Recht auf eine andere Meinung nehmen? Damit überschreite ich Grenzen: Die auf das Recht einer eigenen Meinung und die des respektvollen Umgangs miteinander. Der Grundlage von Knigge und meiner Meinung nach der Grundlage jeden Kontakts zwischen Menschen jeglicher Couleur, Anschauung und Einstellung.

Wo sind die Grenzen?

Erst wenn die Grenzen unseres Rechtssystems und nicht unseres Rechtsempfindens erreicht sind, dürfen und müssen wir dem Einzelnen Grenzen setzen.

Die Freiheit des Einzelnen endet dann, wenn die Freiheit des Anderen eingegrenzt wird. Bis dahin heißt es, mit guten Argumenten überzeugen und nicht niedermachen, weil meine Meinung zu der Mehrheit und die des anderen einer Minderheit angehört, oder umgekehrt.

Ich wünsche Ihnen in Zukunft viele lebhafte Diskussionen und erfreuen Sie sich daran in einer Demokratie leben zu dürfen. Viele Menschen auf diesem Planet kämpfen für das Recht auf eine eigene Meinung und dafür, diese ohne Gefahr für Leib und Seele aussprechen zu dürfen. Halten wir dieses Recht in Ehren, in dem wir uns würdig erweisen.

Ihre Sabine Lansing

Über Sabine Lansing

Sabine Lansing ist die Gründerin von ‚Knigge-Wissen‘ und ‚Knigge-Heute‘  und das hat sie im Grunde einer Diebes­bande zu verdanken. 2002 war sie als Schmuckvertreterin in Belgien unterwegs. Im Koffer war Schmuck im Wert von über einer Million Euro – ein lohnendes Ziel. Ausspioniert und nach einer filmreichen Flucht ins sichere Zuhause tat sie das, was sie gut kann: sich neu erfinden. Diesmal allerdings mit etwas weniger Gefahr im Alltag. Sie wurde Karriereberaterin und arbeitet für namhafte Firmen wie Siemens, Thyssen, Vodafone, Adobe und etliche KMUs. Da häufig nicht Fachwissen, sondern der Umgang miteinander Probleme in Unternehmen bereitet, sind zeitgemäße Umgangsformen seit 2004 ihr Schwerpunkt. Sie hilft Menschen dabei, ihre Wirkung und Auftreten zu verbessern. Gepflegtes Benehmen hinterlässt beim Kunden einen guten Eindruck, hilft dabei, Konflikte zu vermeiden und sorgt für persönlichen und unternehmerischen Erfolg. Denn was Sabine Lansing in ihren Jahren im Vertrieb gelernt hat, sind insbesondere zwei Dinge: Mit leichtem Gepäck lebt es sich ungefährlicher. Und zweitens: Knigge-Wissen ist keine olle Kamelle, sondern aktueller denn je. 

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