Kniggewissen für Consultants Das ewige Optimieren der Persönlichkeit, es nervt

Nicht nur Gesichtschirurgen profitieren vom Optimierungswahn. Statt sich auf die Stärken zu fokussieren, setzt man sich lieber mit dem Ausmerzen von Schwächen auseinander, so Sabine Lansing. (Bild: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke)
Aber ist es so wichtig, in allem perfekt zu sein? Ich denke, durch dieses sich ständig infrage stellen, wissen wir kaum noch, was wir wirklich gut können.
Stärken stärken anstelle von Schwächen bekämpfen
Erinnern Sie sich noch an Ihr Vorstellungsgespräch? Welche Frage wollten Sie auf keinen Fall gestellt bekommen? Bei meinen Klienten in der Karriereberatung ist es, neben der Gehaltsfrage, immer die Frage nach den Stärken und Schwächen.
Mittlerweile ist diese Fragestellung nicht mehr üblich in den Kennenlerngesprächen, aber toll finden diese Frage immer noch wenige. Warum ist das so?
Weil wir uns immer in den Vergleich stellen. Natürlich können andere manches besser als ich. Meistens sind das Experten in diesen Bereichen, während ich andere Fähigkeiten habe.
Ich bin zum Beispiel nicht gut darin meine Buchhaltung zu machen. Das regelmäßige Pflegen von Listen liegt mir nicht im Blut. Es gibt so vieles, von dem ich besser die Finger lasse, da das zu keinem guten Ergebnis führen würde. Aber das brauche ich auch nicht zu können, denn es gehört nicht zu meinem Bereich.
Kennen Sie Ihre Stärken und Schwächen?
Bei der Standortanalyse ist das Stärken-/Schwächenprofil ein Baustein. Spannend zu sehen ist die Spalte, in der die Schwächen eingetragen werden soll. Die füllt sich oft sehr schnell. Viele kennen Ihre Schwächen, aber die Stärken sind ihnen nicht bewusst.
Meine Schwächen kenne ich aus dem effeff. Denn ich habe jahrelang versucht, darin gut zu sein oder zumindest besser zu werden.
- Buchhaltung (fragen Sie mal meine Steuerberaterin)
- Routinearbeiten (es gibt immer etwas, was ich dringender zu tun habe)
- Listen pflegen (allerdings liebe ich es immer wieder neue anzulegen)
- Kaltakquise (zum Glück ist das Schnee von gestern)
- an Geburtstage denken (unseren Hochzeitstag vergesse ich ebenfalls regelmäßig)
- Ordnung halten (deswegen klappt das mit der guten Hausfrau auch nicht)
All diese Punkte rauben mir den letzten Nerv und entziehen mir jegliche Motivation. Wie oft bin ich mit neuen Leitfäden, Anregungen und besten Vorsätzen daran gegangen, dies in den Griff zu bekommen. Der Wille war da, aber meist nur sehr kurz. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Wie sieht es mit den Stärken aus?
Oft eine sehr kurze Spalte. Die Antworten können mitunter auch aus den Anforderungsprofilen einer Stellenausschreibung kommen:
- Teamfähig
- Flexibel
- Lösungsorientiert
- Möchte mich weiterentwickeln
Sind das wirklich die Stärken, die uns ausmachen, die uns von anderen unterscheiden? Ich glaube, wir nennen sie, weil es die vermeintlich richtigen Antworten sind. Es ist das, was wir glauben, was unser Gegenüber hören will.
Warum trauen wir unseren Stärken nicht mehr zu?
Am Anfang meiner Berufstätigkeit habe ich mich an Kollegen oder Anforderungsprofilen gemessen. Immer wieder kam ich zu dem Punkt: Was ich kann, ist nichts Besonderes, aber das, was andere können, sollte ich auch beherrschen. Als wäre dies das Maß der Dinge. Ein gefährlicher Blickwinkel. Denn daraus entsteht „Mangel“. Und mit dem Gefühl, ‚nicht gut genug zu sein‘, können Sie nicht erfolgreich sein oder auch nur zufrieden nach Hause gehen.
Ist es also egal, ob ich was nicht kann?
Jein. Natürlich muss ich meine Arbeit gut machen und vielleicht fällt mir was schwer, oder ich mache etwas nicht gerne. Vielleicht fehlt mir dafür aber einfach nur Wissen. Dann muss ich da wohl dran.
Viel ist das wahrscheinlich nicht, denn sonst hätte ich einen Beruf gewählt, der gar nicht meinen Fähigkeiten entspricht und der mich mehr Energie kostet, als er einbringt.
Also sind es oft nur Kleinigkeiten, die ich ändern muss. Einiges kann ich vielleicht auch delegieren oder auslagern. Damit habe ich mehr Zeit, mich damit zu beschäftigen, was ich gut kann, bei denen ich Erfolg habe und somit ertragreicher ist.
Ich investiere lieber darin, mich in den Bereichen weiterzubilden, die mich und mein Business weiterbringen und die meinen Stärken entsprechen. Nebenbei macht das auch viel mehr Spaß.
Mittlerweile weiß ich, dass meine Stärken besonders sind und ich genau deswegen gebucht werde, weil ich:
- es liebe mit Menschen zu arbeiten und sie mit für sie interessantem Wissen zu unterhalten.
- andere Standpunkte einnehme und beleuchten kann.
- mit Humor Wissen vermittele.
- mich nicht an ein Skript halte, sondern die Wünsche meiner Kunden und Teilnehmer sehr schnell erkenne und mich daran ausrichte.
- Ergebnisse erziele und dabei alle mit einbeziehe.
Diese Fähigkeiten sind für meinen Job wichtig. Buchhaltung und Co habe ich zum Glück ausgelagert, um mir die Freiheit zu geben, mich auf meine Stärken zu konzentrieren. Das ist weniger anstrengend und sehr viel erfolgreicher.
Wie ist es bei Ihnen? Wie sieht Ihre Stärken-/Schwächenliste aus?
Nehmen Sie sich die Zeit und schreiben Sie auf, was Sie gut können und was Ihnen schwerfällt. Ist die Liste mit Ihren Schwächen schneller geschrieben oder länger als die Ihrer Stärken? Dann sollten Sie dringend daran arbeiten, Ihren Blickwinkel zu verändern.
Vergeuden Sie keine Zeit, sich permanent optimieren zu wollen. Messen Sie sich nicht mit anderen, wenn es nicht notwendig ist. Erkennen Sie Ihre Stärken und bauen diese aus. Werden Sie besser in dem, was Sie gerne tun und seien Sie stolz auf Ihre Fähigkeiten.
Diese Veränderung des Blickwinkels wird Ihnen helfen, erfolgreich zu sein, statt sich um jeden Preis zu optimieren.

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