Studie zur Menstruation im Joballtag Das Menstruationstabu – Wie Unternehmen mit der Menstruation umgehen sollten

Die Menstruation ist eigentlich etwas ganz Natürliches. Trotzdem ist das Thema Periode noch immer stark tabubehaftet und wird auf allen Ebenen in Wirtschaft und Gesellschaft vernachlässigt. Doch neben sich alleingelassen fühlenden Mitarbeiterinnen zahlen auch Unternehmen einen hohen Preis. Saskia God, Managerin bei Kearney, mit einem Thema, das nicht nur in der Beratungsbranche noch viel zu selten Platz findet.

Saskia God, Kearney

Sicher: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen der Arbeit als Beraterin und der Arbeit in einem anderen Beruf, wenn es um die Periode geht. Die Periode gehört zum Leben einer Frau dazu und bringt Herausforderungen mit sich, auf die man vorbereitet sein muss. Dennoch gibt es die ein oder andere Besonderheit, die das Beraterinnenleben mit sich bringt. Aber fangen wir von vorne an.

Mangelnde Aufklärung, fehlende Sensibilisierung des Arbeitgebers und der Gesellschaft, negative gesellschaftliche Normen und Verhalten, eingeschränkter Zugang zu Menstruationsprodukten und die Verfügbarkeit von menstruations-freundlichen Toiletten - das alles sind Herausforderungen, mit denen sich Millionen Frauen und Mädchen überall auf der Welt konfrontiert sehen. Übrigens mit einer realen, wirtschaftlichen Konsequenz: Allein in der Europäischen Union führen menstruationsbedingte Herausforderungen zu geschätzten 8,9 Tagen Produktivitätsverlust und damit zu einem jährlichen wirtschaftlichen Schaden von mehr als 107 Milliarden Euro. Und dass nur, weil es für Frauen im Arbeitskontext zu wenig Unterstützung während ihrer Periode gibt. 

Reisen während den Tagen kann schwieriger sein als sonst

Kearney hat gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation WASH United 600 Frauen und Mädchen und 300 Männer in Deutschland und den USA zum Umgang mit Menstruationshygiene befragt, unabhängig ihres Berufes. Fast 40 Prozent der deutschen Frauen fühlen sich in öffentlichen Situationen unwohl. Und das schwächt die Produktivität am Arbeitsplatz: 32 Prozent der deutschen Befragten geben an, dass sie während ihrer Menstruation sehr viel unproduktiver seien. 26 Prozent würden es gutheißen, wenn sie auch im Büro auf den Toiletten Hygieneprodukte fänden.

Was sich Frauen und Mädchen während ihrer Menstruation wünschen (Grafik: Kearney)
Was sich Frauen und Mädchen während ihrer Menstruation wünschen (Grafik: Kearney)

Der Job als Beraterin bringt es mit sich, viel zu reisen, an unterschiedlichen Orten bei den unterschiedlichsten Klienten zu arbeiten. Da kann die Infrastruktur dann schon einmal eine Überraschung sein. Normalerweise ist bekannt, wie die Toiletten bei seinem Arbeitgeber ausgestattet sind (z.B. Mülleimer, Waschbecken in der Toilette für die Nutzung einer Menstruationstasse). Als Beraterin kommt man unter Umständen alle sechs bis acht Wochen zu einem neuen Klienten und muss dann zunächst die Situation vor Ort kennenlernen - und vielleicht doch noch schnell am Flughafen oder der nächsten Drogerie eine Tampon-Packung kaufen, falls vergessen. Oder aber man fragt eine Kollegin - sofern es noch weitere Frauen auf dem Projekt gibt.

Insbesondere an Reisetagen oder stressigen Tagen mit Workshops und einer hohen Termintaktung muss eine Beraterin sicherstellen, dass es genügend Toilettenpausen gibt und sie in dem Moment auch einen Tampon dabei hat. Häufig sind wir nur mit Laptop unterwegs und können den Tampon nirgends aufbewahren. Auch ein schickerer Dresscode mit unbequemer Anzughose, die am Bauch einschneidet oder ein Rock oder Kleid ohne Taschen, in denen der Tampon auf dem Weg zur Toilette verschwindet, kann einschränken. 

Ausreden finden, statt die Wahrheit zu sagen

Laut unserer Studie haben 25 Prozent der Frauen in Deutschland und den USA das Gefühl, dass sie wegen menstruationsbedingter Probleme nicht offen nach einer Auszeit fragen können und stattdessen andere Ausreden finden müssen. Das kann ich aus meinem professionellen Alltag insofern bestätigen, als dass ich nicht einfach sagen würde: "Ich möchte heute früher nach Hause, ich habe meine Tage". Arbeit und Privates sind noch immer zweierlei - egal, in welcher Branche. Was allerdings besonders am Consulting ist - und zumindest für das Thema Menstruation sicherlich erschwerend hinzukommt - ist, dass es noch immer zu den Berufsfeldern gehört, in denen es mehr männliche als weibliche Kolleginnen gibt, und so eine Gesprächspartnerin oft fehlt.

Nur wenige Männer können die Auswirkungen der Periode nachvollziehen

Und die Männer? Die scheinen hingegen noch zu selten zu verstehen, wieso Frauen sich Auszeiten wünschen: Fast die Hälfte aller befragten Männer in der Studie von Kearney und WASH United ist sich der menstruationsbedingten Herausforderungen nicht bewusst und versteht nicht, weshalb Frauen Pausen machen sollten, wenn sie unter den Auswirkungen ihrer Periode leiden. Dabei sind keine Unterschiede zwischen Berufsfeldern erkennbar, sondern das Problem besteht überall. Spreche ich mit meinen männlichen Kollegen über das Thema Menstruation (ja, das habe ich in Vorbereitung auf diesen Beitrag gemacht!), dann ergibt sich ein etwas anderes Bild.  

Eine Kollege sagte mir beispielsweise, dass das Thema Menstruation noch nie thematisiert wurde und er sich bislang auch keine Gedanken gemacht hat, wie der Beratungsalltag dadurch erschwert werden könnte. Bei der Frage nach den Herausforderungen, die wir Frauen im Consulting während unserer Periode haben könnten, sind auch andere Kollegen durchaus reflektiert. Der vergleichsweise geringe Frauenanteil in der Beratung erschwere die Situation zusätzlich, sagen sie. Sie selbst hätten kein Problem mit einer Kollegin über ihre Menstruation zu sprechen, würden es aber selbst nie thematisieren - um die Frau nicht in eine unangenehme Situation zu bringen. Ein Kollege sieht vor allem den Zeitdruck auf Projekten und die Professionalität gegenüber Klienten als Hindernis, Flexibilitäten zu organisieren. Er war aber auch der Meinung, dass es in vielen Fällen ohne Probleme möglich wäre, dass Kolleginnen bei Bedarf eine Pause machen, aus dem Hotel arbeiten oder das Team einen Stopp beim Drogeriemarkt oder der Apotheke macht. 

Das Tabuthema Menstruation kann überwunden werden

Allerdings, so das Fazit - und ich finde, daran können wir alle uns ein Beispiel nehmen - zwei Dinge müssen dafür zusammenkommen: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, in der die Kollegin weiß, dass jede Frage erlaubt ist und die männlichen Kollegen offen reagieren und das tatsächliche Thematisieren durch die Kollegin. Vielleicht ist die Kearney/WASH United Studie ein kleiner Schritt dorthin, das Tabu zu überwinden. Es war jedenfalls der mit Abstand meistgeklickte Artikel im Kearney Newsletter September und, das wird nicht überraschen, die Mehrzahl der Empfänger sind männlich.

Alle Ergebnisse der aktuellen Studie von Kearney und WASH United finden Sie hier.

Über die Autorin:

Saskia God, Kearney
Saskia God, Kearney
Saskia God arbeitet seit 2016 als Beraterin bei Kearney. Die Managerin beschäftigt sich dabei vor allem mit Themen rund um Top-Line Transformation für Klienten aus der Konsumgüter- und Handelsindustrie. Außerdem ist sie Teil des European Women Networks von Kearney und engagiert sich im Assessment des Deutschen Nachhaltigkeitspreises.

sh

 

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