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Interview mit Ralf Pichler und Simone Wamsteker, Detecon "Das Office ist auch so geworden, weil wir Impulse aus Pandemie-Zeiten haben einfließen lassen"

Im Digital Lab experimentieren Detecon-Mitarbeitende mit verschiedenen Szenarien und Anwendungen im Metaverse. (Foto: Detecon)
Laut den Zahlen des BDU und auch von Lünendonk ging es der Consulting-Branche insgesamt, aber auch der IT-Beratung im Speziellen, im vergangenen Jahr recht gut. Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

Im Digital Lab experimentieren Detecon-Mitarbeitende mit verschiedenen Szenarien und Anwendungen im Metaverse. (Foto: Detecon)
Ralf Pichler: Mit dem Geschäftsergebnis sind wir zufrieden – auch wenn wir bedingt durch zurückgefahrene Aufträge aus der Telekomfamilie heraus insgesamt ein leichtes Umsatzminus hinnehmen mussten. Der wichtigste Indikator ist für uns das externe Geschäft außerhalb der Deutschen Telekom AG. Da sind wir 2021 im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Das zeigt, dass wir auf die Loyalität unserer Kundinnen und Kunden bauen konnten. Eine größere Herausforderung war es, in Zeiten von Kontaktbeschränkungen neue Kundschaft zu gewinnen und ein Vertrauensverhältnis über Videokonferenzen aufzubauen – obwohl auch das besser lief als gedacht. Spätestens ab Mitte 2021 sind wir an eine Decke gestoßen, was das Wachstum anbelangt. Zu diesem Zeitpunkt ist der klassische „war for talents“ ausgebrochen. Das ist, glaube ich, eine Beobachtung, die wir in der Branche teilen.
Simone Wamsteker: Diese Entwicklung hat natürlich auch ein Stück weit mit der Arbeit im Homeoffice zu tun. Die Bindung zum Unternehmen kann darunter leiden. In der Folge hat sich die Fluktuationsschraube auch bei Wettbewerbern hochgedreht. Wir erleben insgesamt, dass wir in einer verhältnismäßig kleinen Branche wie der Beratung dann auch so etwas wie einen Drehtüreffekt haben.
Wie sind Sie mit der Herausforderung umgegangen, untereinander – aber auch mit Kundinnen und Kunden – auf Distanz zu arbeiten?
Simone Wamsteker: Im Consulting waren wir es teilweise gewohnt, remote miteinander zu arbeiten. Wir wussten, wie man mit entsprechenden Plattformen umgeht und wie man Teams auf Distanz führt.
Ralf Pichler: Wir waren an dieser Stelle auch insofern gut vorbereitet gewesen, dass wir ein ziemlich großes China-Office haben. Im Februar 2020 befanden die sich schon im Lockdown. Dadurch konnten wir über ein paar Wochen und Monate gut selbst erleben und steuern, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann. Kundinnen und Kunden möchten eigentlich ihre Berater, für die sie jeden Tag bezahlen, möglichst nah bei sich haben.
Am Beispiel unseres China-Office haben wir dann aber gesehen: es funktioniert auch trotz räumlicher Distanz.
Viele Mitarbeitende haben sich in Corona-Zeiten an das Homeoffice gewöhnt. Wie gehen Sie mit dem Wunsch um, diese Arbeitsform auch in Zukunft beizubehalten. Elon Musk hat der Arbeit von zu Hause ja kürzlich medienwirksam radikale Grenzen gesetzt…
Ralf Pichler: Das Home-Office ist gekommen, um zu bleiben. Auch wenn ich kein Freund der komplett digitalen Zusammenarbeit bin – es wird sich irgendwo in einem gesunden Mittelmaß einpendeln. In der Corona-Zeit haben viele Mitarbeitende mitunter über eineinhalb Jahre das Office nicht gesehen – da besteht die Gefahr, dass Bindung und Zugehörigkeitsgefühl etwas verloren gehen. Deshalb ist für uns das gemeinsame Büro als Stätte der Begegnung nach wie vor wichtig.
Ralf Pichler und Simone Wamsteker im Gespräch mit CONSULTING.de (Foto: Jarno Reckhard, CONSULTING.de)
Zum Jahreswechsel sind Sie mit dem Kölner Büro in die Bayenwerft am Rheinauhafen umgezogen. Die Bürolandschaft haben Sie dabei völlig neu konzipiert und Anfang Mai feierlich eröffnet. Von welchen Gedanken haben Sie sich leiten lassen?
Simone Wamsteker: Wir wollten mit der Bürolandschaft ein agiles und ressourcenschonendes Arbeiten im digitalen Zeitalter ermöglichen. Dafür gehen wir weg von klassischen Office-Konzepten mit Einzelarbeitsplätzen hin zu Räumen, die Co-Working anregen und unterstützen. Im Sinne des Konzepts des Activity Based Working – des tätigkeitsbasierten Arbeitens sollen die Mitarbeitenden selbst den Ort wählen, der am besten zu ihrer aktuellen Aufgabe passt. Uns war zudem wichtig, dass Kreativität und Co-innovation gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden stattfinden können.
Das Office ist am Ende auch so geworden, wie wir es jetzt umgebaut haben, weil wir Impulse aus Pandemie-Zeiten haben einfließen lassen.
Ralf Pichler: Es galt, die hybride Arbeitswelt nach Corona als neue Normalität erfolgreich zu gestalten und dafür das Beste aus den beiden Sphären ‚Büro‘ und ‚Zuhause‘ zu kombinieren. So haben wir Räume geschaffen, die uns technisch, etwa für virtuelle Kollaboration, hochwertig unterstützen, uns bei unserer Wachstumsstrategie aber auch immer anregen, Dinge zu hinterfragen und einen Schritt weiter zu denken.
Wie sind Sie vorgegangen? Von wem haben Sie sich beraten lassen?
Simone Wamsteker: Für die Gestaltung der Räume haben wir mit einem Bonner Künstlerteam, den „Freeters“, zusammengearbeitet. Uns gefiel deren Ansatz, New Work spielerisch und pragmatisch zugleich mit Architektur, Mobiliar und ausgefallenen Dekorationsgegenständen zu verknüpfen und dabei Aspekte wie Emotion und Identität nicht zu kurz kommen zu lassen. Bei der Umsetzung hat uns die GSUS Real Estate Management der Deutschen Telekom unterstützt.
Ralf Pichler: Auch in unserem Business verfolgen wir den Gedanken der Steigerung von Qualität bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen. So haben wir bei unserem Umzug alles so weit wie möglich wiederverwendet, zum Teil auch umgestaltet und dadurch aufgewertet. Insofern glaube ich, dass unsere neue Bürolandschaft am Ende auch auf unsere Glaubwürdigkeit als Beratungshaus einzahlt. Wir können Kundinnen und Kunden zeigen, dass wir so ein Konzept bereits selbst umgesetzt haben und erklären, wie es funktioniert. Wobei, ganz fertig sind wir noch nicht:
Für die zweite Jahreshälfte planen wir den Aufbau eines eigenen 5G-Campusnetzes, um unserer Kundschaft Einsatzszenarien von Echtzeitanwendungen und innovative Use Cases demonstrieren zu können.
Eine der vielen Umgestaltungsmaßnahmen ist ein sichtbares Statement für Gender Diversity: Es gibt auf der obersten Etage keine Örtlichkeiten für Damen und Herren mehr, sondern nur noch Unisex-Toiletten. Wie sehen Sie Detecon darüber hinaus in Sachen Diversität aufgestellt?
Ralf Pichler: Diversity ist für uns ein zentrales Thema. Sehr schnell beschränkt man sich dabei auf „Gender Diversity“, aber das Thema ist natürlich deutlich breiter. In diesem Sinne sind wir beispielsweise stolz, dass wir in Summe etwa 40 Nationalitäten in der Company haben. Was den religiösen Hintergrund anbelangt sind wir, nicht zuletzt aufgrund unserer starken Präsenz in Asien und im Nahen Osten, ebenfalls vielfältig aufgestellt.
Simone Wamsteker: Detecon ist Unterzeichnerin der Charta der Vielfalt. Wir haben aber auch einen institutionalisierten Rahmen in Form einer Diversity-Community geschaffen, die die Vielfalt sowie deren Sichtbarkeit im Unternehmen in den sieben Diversity-Dimensionen fördert: Alter, körperliche und geistige Fähigkeit, ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft. Für alle wird ein jährliches Programm aufgestellt, das von unterschiedlichen Mitgliedern der Geschäftsführung gesponsort wird. Aktuell war und ist es im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein großes Thema, wie man sechs Wochen Sommerferien überbrücken kann. Auch dafür haben wir ein geeignetes Forum: Die ‚Consulting Moms and Dads‘. Zudem haben wir im vergangenen Jahr ein Programm aufgesetzt, über das wir Kitas sponsern.
Ralf Pichler: Die Unterrepräsentanz von Frauen auf Führungspositionen ist sicherlich ein weiteres Thema, bei dem viele Consulting-Unternehmen wie auch wir ab einem gewissen Level, – ab Manager/Senior Manager -Level Probleme haben, weil dann zum Teil die individuellen Lebensmodelle nicht mehr mit dem gängigen Arbeitsmodell zusammenpassen. Da versuchen wir anzusetzen mit klaren Zieldefinitionen, sei es im Recruiting, sei es oder bei der Beförderung.
Simone Wamsteker: Für den Anfang braucht es schon einmal bestimmte Quoten und Zahlen, um das Ganze in Gang zu kriegen. Schlussendlich muss Diversity aber ein Selbstläufer werden. Erreicht ist das, wenn es keinen Unterschied mehr macht, ob ich mit einer Kandidatin spreche, die schwanger vor mir sitzt, oder ob ich mit einem Kandidaten jüdischen Glaubens spreche, der sagt: Freitag ist für mich Schabbat, da arbeite ich nicht. Das sollte Normalität sein und für uns in der Detecon ist es schon ein Stück weit Normalität. Wir müssen jetzt einfach diesen Spirit weitertragen.
Detecon zeigt an seinem Standort am Kölner Rheinauhafen Flagge in Sachen Diversität. (Foto: Jarno Reckhard, CONSULTING.de)
Stichwort Recruiting: Die Consultingbranche hat insgesamt – wie Sie eingangs erwähnten – ein Problem mit dem Fachkräftemangel. Was ist Ihre Strategie bei Detecon, um Ihre Vakanzen zu besetzen?
Simone Wamsteker: Das fängt schon sehr weit vorne im Sourcing an. Beginnend mit der Fragestellung, wo wir unsere Zielgruppen ansprechen und wie wir unser Bild der Detecon als Arbeitgeber nach außen tragen. Wir wünschen uns von unseren Beratenden Branchen-Knowhow, Querschnitts-Qualifikationen in Richtung Funktions- und Digitalisierungs-Kompetenzen. Wir machen relativ früh klar, dass das unser Suchraster ist. Dazu kommt die eben erwähnte Detecon-Kultur, in der Diversität eine große Rolle spielt.
Wir setzen auch nicht so sehr auf klassische Auswahlverfahren wie Assessment-Center, sondern nehmen uns Zeit, den Personal Fit herauszufinden. Deshalb achten wir beispielsweise auch darauf, dass Recruitierende und Beratende gleichermaßen in den Auswahlprozess eingebunden sind.
Ralf Pichler: Wir sind auch nicht die ganz typische Unternehmensberatung. Wir haben zum Beispiel unser Digital Engineering Center in Berlin. Da arbeiten etwa Mathematiker als Data-Engineers, das ist heutzutage ein sehr gesuchtes, seltenes Profil. Die suchen wir aber, weil sie unser Portfolio hervorragend ergänzen. Da trifft es sich gut, dass wir in Berlin im selben Büro mit Hubraum sitzen, dem Inkubator der Deutschen Telekom. Wir suchen bewusst die räumliche Nähe zu solchen Inkubatoren als Inspirationsquelle, aber auch, um potenzielle Kandidierende kennenzulernen. Schließlich haben wir auch Programme wie „Mitarbeitende empfehlen Mitarbeitende“. Denn wer weiß besser, wer zu uns passt, als unsere eigenen Mitarbeitenden?
Klickstrecke zur Bürolandschaft bei Detecon
Lassen Sie uns einen Blick auf die fachlichen Herausforderungen von heute und morgen werfen, die sich mit Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit verbinden lassen. Welche konkreten Themen und Fragestellungen sehen Sie aus Detecon-Sicht hier auf sich zukommen?
Ralf Pichler: Ich glaube, die Corona-Krise hat offengelegt, dass wir hier in Deutschland Nachholbedarf haben, wenn auch zwischen verschiedenen Branchen unterschiedlich ausgeprägt. Wir als Detecon sind hier – aus unserer Historie als Teil der Telekomunikations-Branche – gerade beim Thema Connectivity-Technologie stark aufgestellt. Ein Beispiel dafür ist ein Projekt bei der DB Cargo mit dem Titel „Intelligentes Schadwagenmanagement“. Klingt erst einmal sperrig, birgt aber inklusive Artificial Intelligence (AI) alles, was ein modernes Digitalisierungsprojekt in der Logistik ausmacht. Es ging darum, eine digitale Lösung zu entwickeln, die sicherstellt, dass beschädigte Güterwagen möglichst in die nächste Werkstatt mit freien Kapazitäten kommen, ein Ersatzwagen gestellt wird, gegebenenfalls Zeitpläne umgeschrieben werden, um einen möglichst reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Hier können wir mit allen unseren Kompetenzen einen wichtigen Beitrag leisten. Weitere Felder, auf denen wir Wachstumspotenzial für uns sehen, sind beispielsweise Health Care und der Public Sector.
Simone Wamsteker: Wenn wir über Digitalisierung und Transformation sprechen, schauen wir uns auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft an. Im Moment haben wir an dieser Stelle ein sehr spannendes Beratungsfeld: Digital Ethics, wo wir uns speziell mit AI auseinandersetzen. Recruiting ist immer ein gerne genommenes Beispiel in diesem Zusammenhang. Natürlich liegt der Schluss nahe, dass ein automatisiertes Auswahlverfahren das objektivere ist, wenn.
Wenn aber derjenige, der codet eine männliche Person europäischer Herkunft ist, dann wird seine Prägung sich auch im Code für das Auswahlverfahren wiederfinden – und die Maschine wird in einer Art und Weise lernen, wie es dem Denk- und Verhaltensmuster dieser Person entspricht.
Ralf Pichler: Ökologische Nachhaltigkeit ist ein anderes wichtiges Thema. Die Sensibilisierung hierfür entstand auch durch unsere Mitarbeitenden, gerade den jüngeren. Der größte Hebel in der klassischen Beratung sind die Dienstreisen, die sicherlich im Zuge der in Corona-Zeiten erfolgreich erprobten Remote-Beratung nicht das Vor-Krisenniveau erreichen werden. Darüber hinaus setzen wir auf eine vollständig elektrische Fahrzeugflotte. Zudem haben wir verschiedene Programme aufgesetzt, die unseren CO2-Fußabdruck messen. In diesem Sinne versuchen wir auch, unsere Kund*innen für die Thematik zu sensibilisieren und mit ihnen zusammen Projekte möglichst wenig klimaschädlich zu gestalten. Und: Nicht zuletzt zeigt ja auch unsere neue Bürolandschaft, dass wir den Anspruch des ressourcenschonenden Arbeitens ernst nehmen und täglich vor Augen haben.
Über Ralf Pichler und Simone Wamsteker
Ralf Pichler ist seit August 2019 Chief Executive Officer (CEO) der Detecon International. Gut acht Jahre verbrachte Pichler zuvor bei Ericsson in verschiedenen internationalen Executive-Management-Rollen – mit Stationen in Deutschland, Schweden, der Türkei und im Iran. Darüber hinaus bekleidete Pichler im Zuge seiner Laufbahn diverse Top-Positionen bei namhaften Beratungsunternehmen wie Boston Consulting Group (BCG), PwC Consulting und Capgemini Consulting.
Simone Wamsteker ist als Chief Human Resources Officer (CHRO) Teil der Geschäftsführung der Detecon International. Auf ihrer Position ist sie verantwortlich für den Bereich Human Resources und betreut die Themenfelder Diversity und Sustainability. Bevor sie 2021 zu Detecon wechselte, war Wamsteker Global HR Director bei der Boston Consulting Group. Als Beraterin bei Accenture führte sie erfolgreiche Change-Management-Projekte durch, bevor sie auf HR-Seite wechselte.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf CONSULTING.de:

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