Data Driven Marketing – auf dem Weg zu einer umfassenden Unternehmenssteuerung


Von Prof. Dr. Dominik Große Holtforth, E-commerce Institut Köln

"Werbung ist zur Hälfte überflüssig. Allerdings weiß man, nicht welche Hälfte es ist". Dieses berühmte und Henry Ford zugeschriebene Zitat bringt es auf den Punkt: Marketing und Werbung kamen lange Zeit einem Blindflug ohne genaue Kenntnis über die exakte Wirkung von Werbekampagnen gleich. Doch dieser Blindflug könnte schon bald der Vergangenheit angehören, denn die fortschreitende Digitalisierung scheint Möglichkeiten zu erschließen, bei denen Manager und Berater leuchtende Augen bekommen: Big Data, Business Intelligence und nicht zuletzt Data Driven Marketing heißen die neue Wunderwaffen im Berater-Arsenal, die Controller-Herzen höher schlagen lassen. Ob diese Freude berechtigt ist, versucht dieser Beitrag zu klären, indem er einen Überblick zur möglichen Lösung des Ford‘schen Werbeproblems durch Data Driven Marketing gibt.

Controlling 1.0 – Ignorance Driven Marketing?

In der Welt der analogen und nicht-rückkanalfähigen Massenmedien sind es bis heute noch fehlende Messdaten, die bei der Analyse der Wirkung von Werbekampagnen Prognosen und Schätzungen zu dem vorherrschenden Analyseinstrument machen. Schon die berühmte "Einschaltquote" bei der Fernsehwerbung ist eine Näherung, eine Hochrechnung, bei der es viele Zweifel an der Validität gibt. Stellt man sich den vergleichsweise hohen Aufwand vor, der zur Messung der TV-Reichweiten betrieben wird, um wieviel ungenauer müssen da die Wirkungs-Schätzungen für Zeitungen, Radioprogramme oder Plakatwerbung sein. Diese Ungenauigkeit hat die Größe "Umsatz" jahrzehntelang zu einer exogenen Größe gemacht. Selbstverständlich gab und gibt es fundierte Planungsmethoden, Werbewirkungsmodelle, aber nie Sicherheit, welchen Einfluss ein Kundenkontakt tatsächlich auf die Verkäufe hat. Marketing war in vielen Unternehmen "Ignorance Driven", also von erheblicher Nicht-Kenntnis geprägt. Doch das ändert sich jetzt (vielleicht).

Data Driven Marketing – die neue Wunderwaffe des Marketing?

Tatsache ist: jeder, der online Daten von einem Server abruft, kann und wird dabei erfasst und zwar gleich in mehreren Dimensionen. Die so ermittelten Daten enthalten also viele relevante Informationen, die über die Nutzung einer Website in der Regel weit hinausgehen. Während bei analogen Medien noch völlig unklar ist, wer Informationen wann und in welchem Umfang und mit welchem Involvement konsumiert, ist es im Online Marketing schon lange möglich und gängige Praxis, Inhalte nach ihrer exakten Reichweite, nach der gemessenen Nutzungsdauer, nach der Absprungrate oder anderen Qualitätsmerkmalen zu bewerten.

Web-Analytics heißt die Disziplin, die all das misst und analysiert, was an Nutzer- und Nutzungsdaten von Websites, mobilen Datenseiten und mehr zur Verfügung steht. Web Analytics ist die "Killing Application" des Online Marketing – eine solche Transparenz bietet kein anderer Kanal. Aber nicht nur Web Analytics füllt das Data Warehouse digitaler Unternehmen. CRM-Systeme, Shopsysteme, Daten aus der Marktforschung und dem Forderungsmanagement als Teil des Rechnungswesens, all das gehört zu den Daten, die im Rahmen eines Data Driven Marketing die Grundlage bilden können für eine neue Qualität in der Marketingsteuerung.

Warum Data Driven Marketing?

Die Zielsetzung von Data Driven Marketing liegt auf der Hand: Ziel ist, die Effizienz im Marketing zu erhöhen. Etwas konkreter geht es um die Präzision der Steuerung des Marketing ROI, um die Verbesserung der Effizienz von Kampagnen, um die Verknüpfung stationärer und digitaler Kanäle und schließlich die Steigerung des Customer-Lifetime Value. Die Effizienzsteigerung hat zwei Dimensionen: Zum einem geht es um ein besseres Verständnis des Kundenverhaltens zum anderen um den sparsameren und zielgerichteteren Einsatz von Mitteln zur Kommunikation mit den Kunden. Dieses kann tatsächlich mit Data Driven Marketing erreicht werden, sofern wesentliche Voraussetzung für datenbasiertes Marketing erfüllt sind.

Voraussetzungen für Data Driven Marketing

Data Driven Marketing setzt vor allem eins voraus – Daten! Deren Qualität hängt von einigen Qualitätsfaktoren ab, die wiederum maßgeblich durch die Erhebung, Speicherung und Verwaltung von Daten bestimmt sind. Zunächst sind die Zeiträume entscheidend, innerhalb derer Daten erhoben wurden, längere Datenreihen sind besser als kürzere. Weiter hängt die Validität der Daten, also deren Zuverlässigkeit davon ab, dass sie frei von Widersprüchen bei konstanter Erhebungsgrundlage sind. Vor allem aber sollten Daten vorliegen, die für die entscheidenden Fragen des Unternehmens Antworten beinhalten.

Neben der Verfügbarkeit von Daten ist eine Unternehmens- und Führungskultur Voraussetzung, in der überhaupt eine Präferenz für datengesteuerte Unternehmensführung besteht. Ein Management, das sein "Bauchgefühl" für die beste Entscheidungsgrundlage hält, dürfte bei Data Driven Marketing eher zurückhaltend sein. Auch wird datenaffines und geschultes Personal benötigt, das in der Lage ist, mit Daten zu arbeiten und sie zu analysieren.

Organisation von Daten Driven Marketing

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gilt es Data Driven Marketing im Unternehmen zu etablieren und stetig auszubauen. Im Rahmen eines umfassenden Business Intelligence Ansatzes lässt sich Data Driven Marketing mit allen Bereichen verknüpfen, deren Steuerung ebenfalls durch Daten möglich ist und erleichtert wird.

Data Driven Marketing kann und sollte als laufender Prozess im Unternehmen integriert werden, der Marktbearbeitung und Marktreaktion in einen messbaren Zusammenhang stellt und das Verhältnis optimiert. Wie bei vielen Steuerungsaufgaben empfiehlt sich mindestens ein monatlicher und jährlicher Turnus, ideal und auch üblich ist ein tägliches Reporting, um auch kurzfristige Reaktionen der Nutzer und Kunden zu erfassen.

Neben den laufenden Reporting- und Analyseaufgaben des Data Driven Marketing treten zusätzliche situative und einmalige Fragestellungen auf, die mit Hilfe des Data Driven Marketing bearbeitet und beantwortet werden können. Sowohl Sonder- oder Aktionskampagnen als auch spezifische Marktsituationen lassen sich mit einer eingespielten Datenabteilung gut beantworten.

Für das Gelingen von Data Driven Marketing ist vor allem eine konkrete Unternehmensstrategie und daraus abgeleitete Ziele erforderlich. Welche Fragestellungen sollen denn sonst analysiert werden, wenn keine Strategie und keine Ziele zugrunde liegen? Darüber hinaus ist es für die Präzision der Analyse sinnvoll, regelmäßig Zielgruppen zu segmentieren, um durch eine homogenere Befundlage Schwankungen und Verzerrungen zu reduzieren.

Data Driven Marketing "at work"

In seinem Bestseller "Data Driven Marketing" präsentiert Mark Jeffery "15 Metrics everyone in Marketing should know" und legt damit die "Latte" auf ein hohes, aber sicher auch angemessen professionelles Niveau. Die "15 Metrics" beinhalten sowohl strategische Kennziffern wie etwa die Kundentreue oder die Markenbekanntheit als auch Kennziffern aus dem operativen Online Marketing als auch finanzielle Kennziffern. Von zentraler Bedeutung sind darunter die Markenbekanntheit, die Churn-Rate, der Gewinn, der Customer-Lifetime-Value, Klickpreis oder Cost-per-Click, die Conversion Rate und die Bounce Rate.

Ein solcher Kanon von Kennziffern sollte aber auch stets als individuelle Auswahl gesehen werden, die keineswegs allgemeingültig sein muss. So fehlt in Jefferys Kanon mit dem Deckungsbeitrag mindestens eine Kennziffer, die aber für die Unternehmenssteuerung maßgeblich ist. Mit dem Deckungsbeitrag lässt sich die Wertschöpfung aus dem operativen Geschäft eines Unternehmens messen. Können dieser Wertschöpfung, die Kundenbewertung und Ressourcenverbrauch gegenüberstellt, direkte Vermarktungskosten wie zum Beispiel für produktspezifische Onlinewerbung zugeordnet werden, so kann der Deckungsbeitrag II als Wertschöpfungsbeitrag bestimmt werden, der auch die Vermarktung der produkt- und produktionsspezifischen Wertschöpfung berücksichtigt. Dieser Deckungsbeitrag ist der wesentliche Indikator für die Ertragsstärke des Unternehmens.

Der Deckungsbeitrag II wird dann zu einer Marketing-Kennziffer, wenn er in Abhängigkeit von Marketingparametern abgebildet ist. Schlüssel für diese Verknüpfung einer klassischen Kennziffer der Kostenrechnung und des Finanzcontrollings mit Marketingparametern ist die Entstehung des Umsatzes. Am Besten lässt sich dieser Zusammenhang für den Umsatz in einem Onlineshop abbilden. Dort gilt:

  • Umsatz = Conversions x ds. Warenkorb

Die Conversions, also die einzelnen Bestelltransaktionen wiederum sind eine Funktion der Seitenbesuche und der Conversion Rate, so dass

  • Umsatz = Seitenbesuche x Conversion Rate (CR) x Warenkorb ist.

Die Seitenbesuche sind wiederum Ergebnis von Marketingmaßnahmen, die durch die Kennziffern Impressions, also Einblendungen von Suchergebnissen oder Werbemitteln, und Click-Through-Rate (CTR), also der Klickhäufigkeit abgebildet werden können:

  • Umsatz = (Impressions x CTR) x CR x Warenkorb

Zieht man nun noch die variablen Kosten ab, erhält man den Deckungsbeitrag I

  • DB I = (Impressions x CTR) x CR x (Warenkorb – Direkte Kosten)

Für die Wertschöpfung ist nun aber noch maßgeblich, wie hoch der Werbeaufwand ist. Dieser wird im Deckungsbeitrag II berücksichtigt, indem der Klickpreis (CPC) als Kontaktkostensatz berücksichtigt wird:

  • DB II = (Impressions x CTR) x CR x (Warenkorb – Direkte Kosten) - (Impressions x CTR) x CPC

Zieht man den Ausdruck für Kundenkontakte vor die Klammer, erhält man

  • DB II = Impressions x CTR x (CR x (Warenkorb – Direkte Kosten) – CPC)

Ein Zahlenbeispiel zeigt wie dieser Ausdruck für den DB II als Steuerungsgröße eingesetzt werden kann:

  • Warenkorb: 50 Euro
  • Direkte Kosten für Herstellung- oder Anschaffung: 25 Euro
  • CR: 2,5%
  • Impressions: 100.000
  • CTR: 5%
  • CPC: 0,5 Euro

Daraus ergibt sich:

  • DB II = 100.000 x 5% (2,5% x (50 Euro – 25 Euro) – 0,5 Euro)
  • DB II = 5.000 x 0,125 Euro
  • DBII = 625 Euro

In diesem Beispiel zeigt sich, dass aufgrund geringer Conversion Rate und hoher Kontaktkosten –in diesem Fall bei einem CPC von 50 Cent- der Deckungsbeitrag II mit 0,125 Euro auf der Ebene eines Seitenbesuchs vergleichsweise gering ist. Als Steuerungsgrößen zur Verbesserung des DB II sind vor allem die Conversion Rate und der Klickpreis relevant. Aber auch der Warenkorb, also der Umfang der Bestellungen, kann durch Maßnahmen in der Preis- und Produktpolitik sowie im Online Marketing erhöht werden.

Wie dieses Beispiel zur Verknüpfung von Kostenrechnung und Marketingcontrolling zeigt, ergeben sich im Data Driven Marketing zwei Anknüpfungspunkte für erfolgreiches Ertragsmanagement. Zum einem muss auf Produkt- und Produktionsebene ausreichende Wertschöpfung organisiert werden, auf der anderen Seite sollte diese aber auch im Vertrieb und im Marketing entstehen.

Zur Person:

Prof. Dr. Dominik Große Holtforth, E-commerce-Institut an der Hochschule Fresenius Köln
Prof. Dr. Dominik Große Holtforth ist Leiter des E-commerce-Instituts an der Hochschule Fresenius Köln  und forscht und berät zu den Themen Strategisches Management im E-commerce, Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrategien, Online Marketing Strategien, Datenanalyse und Webanalytics im E-commerce.

 

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