#1Blick vom Beratungsforscher Der Auftrags- und Ausgaben-Blindflug

Wo ist er, der ROI von Beratungsprojekten? Der Erfolg von Consulting-Dienstleistungen sollte häufiger evaluiert werden. (Bild: picture alliance / PantherMedia | Andriy Popov)
„Ich weiß, die Hälfte […] ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ Dieses Bonmot wird Henry Ford zugeschrieben und er hat es wohl auf seine Werbeausgaben bezogen. Aber es hat auch im Consulting-Kontext eine gewisse Berechtigung. Wobei nicht unterstellt werden soll, dass Ausgaben für externe Hilfe nutzlos seien; ganz im Gegenteil: Beraterinnen und Berater schaffen viele tolle Dinge.
Allerdings kann man sich durchaus verwundert die Augen reiben. Denn eine solide Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor einem Projekt oder eine ordentliche Erfolgsmessung im Nachgang sucht man häufig vergebens.
Und ein solcher Blindflug tut der Branche, explizit sind hier beide Parteien, Anbieter und Nachfrager, angesprochen, nicht gut.
Naives Jubeln und reflexhafte Abneigung
Sichtbar wird die Lücke regelmäßig, wenn über Marktvolumina und Ausgaben einzelner Kunden gesprochen wird. Stellt also der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) seine jährliche Marktstudie vor und berichtet etwa, dass das Marktvolumen um 15 Prozent gewachsen ist und rund 44 Milliarden Euro beträgt, dann gibt es eine Gruppe von Enthusiasten, die mehr oder minder automatisch jubelt und eine andere, die reflexhaft ihre Abneigung ausdrückt. Ähnliches passiert, wenn etwa im Bundestag bekannt wird, dass die Bundesregierung in ihrer letzten Legislaturperiode mehr als eine Milliarde Euro für externe Berater ausgegeben hat.
Zu viel, zu wenig – oder genau richtig?
Selbstredend, das ist viel Geld. Aber es bleibt regelmäßig absolut unklar, ob an Stelle der einen Milliarde Euro 900 Millionen besser gewesen wären? Oder 500, oder 250, oder Null? Oder ob die eine Milliarde das genau passende Volumen war? Oder ob es sogar mehr Geld hätte sein müssen? Mit einer fehlenden Bewertung der Beratungseinsätze und der korrespondierenden Ausgaben öffnen Consultants wie Kunden eine Flanke, die Kritik provoziert – und der sie kaum etwas entgegensetzen können.
Dabei gibt es immer wieder Ambitionen, die Vergütung von Beratungsprojekten erfolgsabhängig oder gar wertorientiert zu gestalten. Und ja, für einzelne Beratungsprojekte gelingt dies sogar.
Zur Unterstützung hat Jack Philips bereits vor ein paar Jahren mit der „Consultant’s Scorecard“ ein ROI-Werkzeug vorgeschlagen. Bain & Company haben lange Jahre hinweg ein Chart in ihren Company-Präsentationen verwendet und gezeigt: „our clients outperform the market 4:1“ (Das legendäre 4:1-Chart findet sich nicht mehr auf der Bain-Homepage, ist aber hier noch dokumentiert). Allerdings haben sich diese elaborierten Ansätze auf breiter Front nicht durchsetzen können. So elegant es also scheint, als Consultant (besser) bezahlt zu werden, wenn ein gewisser Projekterfolg eintritt, so schwierig scheint es in der ganz konkreten Umsetzung und vor allem beim Nachweis zu sein.
Kirkpatricks Vier-Stufen-Evaluationsmodell
Aber die Schwierigkeiten bedeuten nun nicht, dass die Flinte ins sprichwörtliche Korn geworfen werden soll. Charmanter ist es wohl, einfach mal methodisch klein anzufangen – und sich dann zu steigern. Als Hilfswerkzeug kann ein ursprünglich von Donald Kirkpatrick zur Evaluation von Trainingsmaßnahmen entwickeltes Modell herangezogen werden, denn es bietet pragmatische Ansatzpunkte auch zur Bewertung von Beratungsmaßnahmen. Dabei gibt es vier Ebenen, die aufeinander aufbauen und immer anspruchsvoller in der Bewertung werden – aber eben griffigere Ergebnisse für die interne und externe Kommunikation rund um den Erfolg von Consulting-Projekten liefern.
- Für Beratungsengagements könnte etwa (durch Kunden und / oder Berater) auf der ersten Ebene die Reaktion der Kunden hinsichtlich Akzeptanz, Nützlichkeit oder Zufriedenheit mit den Beratungsleistungen erhoben und bewertet werden.
- Auf der zweiten Ebene stehen Lernerfolge der Organisation im Mittelpunkt, die zum Beispiel durch Vorher-Nachher-Test oder -Evaluationen ermittelt werden können.
- Verhaltensveränderungen bilden die Bewertungsobjekte auf der dritten Stufe. Hier wird also anhand objektiver Kennziffern beobachtet, ob ein Transfer stattgefunden hat.
- Und auf der vierten Ebene werden konkrete (wirtschaftliche) Ergebnisse bewertet, beispielsweise in Form einer „Return on Consulting“-Messung.
Start small, but start!
Ja, Consulting hat häufig die bewertungsbehindernde Eigenschaft eines sogenannten Vertrauensgutes und auch der Ensemble-Effekt erschwert eine Evaluation. Aber das bedeutet nicht, dass Beratungsleistungen überhaupt nicht bewertet werden können – oder der Versuch gar zu unterlassen ist.
Vielmehr lautet die Empfehlung: Klein mit Evaluationen anfangen, dann sukzessive auf- und ausbauen!
Denn egal, wie „klein“ die Ergebnismessungen zunächst sind, mit den Resultaten können Einkäufer dem Consulting-Vertrieb, Fachseiten ihren Controllern und Beratungsmanager ihren Kundenansprechpartnern souveräner in Gesprächen und Verhandlungen gegenübertreten. Und mit ein wenig Erfahrung kann das rudimentäre Instrument sukzessive ausgebaut werden. Dies wiederum wird dann die Identifikation der „herausgeworfenen Hälfte“ des Geldes erleichtern!
Über die Person
Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung und berät bei strategischen Fragen. Als Buch erschien von ihm zuletzt „Die Berater-Republik – Wie Consultants Milliarden an Staat und Unternehmen verdienen“ (2023, 256 Seiten, FinanzBuch... mehr
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