Deep Dive Consulting - Kolumne von Jörg Hossenfelder, Lünendonk Der Höhenflug geht weiter - aber wie lange noch?

Die Consulting-Häuser in Deutschland rechnen auch für 2023 mit einem starken Wachstum, wie eine aktuelle Lünendonk-Umfrage zeigt. Unser Kolumnist Jörg Hossenfelder zeigt auf, von welchen Beratungsfeldern die Branche besonders viel Aufwind erwartet und mit welchen Entwicklungen bei Honoraren und Gehältern zu rechnen ist.

Die Consulting-Branche rechnet auch für 2023 mit Aufwind, für den insbesondere die Beratungsfelder Digitalisierung, ESG und Restrukturierung sorgen werden. (Bild: picture alliance / imageBROKER | Christian Vorhofer)

Hinter den Consulting-Häusern liegt ein bewegtes Jahr 2022. Stand der Jahresbeginn noch ganz im Zeichen der Corona-Pandemie, gesellten sich mit Beginn des Ukraine-Kriegs weitere Herausforderungen hinzu. Die schwächelnde Konjunktur, die hohe Inflation, gestörte Lieferketten und die Energiekrise schüttelten die deutsche Wirtschaft und ihre Unternehmen kräftig durch. Heute wissen wir: Den Managementberatungen konnte das nichts anhaben. Nach der Umsatzdelle im Jahr 2020 und postwendenden Aufholeffekten 2021 wird auch das Jahr 2022 als besonders erfolgreiches für die Consultants in die Bücher eingehen.

Die im ersten Halbjahr gemachten Prognosen für Umsatzwachstum, Honorare und Gehälter haben sich als zu konservativ erwiesen – das bestätigt eine kürzlich von Lünendonk durchgeführte Blitzumfrage unter Professional-Services-Anbietern.

Beratungshäuser erwarten 2023 zweistelliges Umsatzwachstum 

Die deutschen Beratungshäuser gehen danach für 2022 von einem Umsatzwachstum von durchschnittlich 19,8 Prozent aus. Mehr als jedes dritte Consulting-Haus (37 Prozent) verbuchte gar ein Umsatzplus von mehr als 20 Prozent. Der Höhenflug der Managementberatungen, der mit Ausnahme des Krisenjahres 2020 nun schon ein gutes Jahrzehnt anhält, setzt sich also 2022 und – so sagen die Prognosen - auch 2023 fort. Für das soeben gestartete Jahr erwarten die von Lünendonk befragten Consultants eine durchschnittliche Umsatzentwicklung von +12,9 Prozent – angesichts des bereits einkalkulierten Risikos aktueller Unsicherheiten setzt die Branche mit dieser zweistelligen Wachstumsprognose ein Ausrufezeichen.

Managementberatungen erwarten eine durchschnittliche Umsatzsentwicklung in 2023 von fast 13 Prozent

Fast zwei Drittel aller befragten Managementberatungen erwarten für ihr Haus eine Umsatzsteigerung von 11 und mehr Prozent. Zum Vergrößern klicken. (Grafik: Lünendonk & Hossenfelder)

Um auch personell gut für die zunehmende Anzahl an Projekten aufgestellt zu sein, planen die Beratungshäuser, ihre Manpower weiter aufzustocken: Um elf Prozent soll die Zahl der Mitarbeitenden 2023 zulegen, nachdem bereits 2022 ordentlich eingestellt wurde. Mit einem Plus von 13,4 Prozent mehr Mitarbeitenden im vergangenen Jahr verbuchten die Consulting-Häuser unter den Professional-Services-Dienstleister (Durchschnitt: + 8,3 Prozent) den höchsten Zuwachs.

Gehälter steigen - Preise auch, jedoch moderater

Um neue Talente anzuwerben, wird die Consulting-Branche, die ohnehin schon als attraktiver Arbeitgeber gilt, auch beim Thema Gehälter noch einmal nachlegen. 2023 sollen die Berater-Gehälter um durchschnittlich 5,6 Prozent steigen, nachdem sie bereits im vergangenen Jahr 2022 um 6,1 Prozent zulegen konnten.  

Hand in Hand mit den Gehältern steigen auch die Preise, die die Beratungshäuser von ihren Kundenunternehmen für die erbrachten Leistungen fordern.

Rund vier von fünf Beratungen haben im vergangenen Jahr die Preise erhöht – die Hälfte davon um fünf bis sieben Prozent. 2023 planen mit 72 Prozent etwas weniger Häuser eine Preiserhöhung, die dann – wenn sie denn erfolgt – mit mehrheitlich genannten plus vier bis plus fünf Prozent etwas moderater ausfallen wird.

Managementberatungen planen leicht geringere Preiserhöhungen im Vergleich zu 2022

Die Mehrheit der befragten Beratungshäuser plant höhere Honorate zu verlangen, will dabei aber moderat vorgehen. Zum Vergrößern klicken. (Grafik: Lünendonk & Hossenfelder)

Wie belastbar die im Erhebungszeitraum 21. November bis 2. Dezember 2022 abgegebenen Prognosen der Blitzbefragung sind, wird die neue Lünendonk-Studie 2023 „Managementberatung in Deutschland“ zeigen, die im Juli veröffentlicht wird. Die Erhebung dafür startet im Februar.

Digitalisierung bleibt Top-Beratungsthema

Die optimistische Umsatzprognose scheint nur naheliegend und ein Klacks, betrachtet man die Beratungsthemen, die 2023 - immer noch und immer mehr - auf den Schuh der Unternehmen drücken. Auf der Agenda ganz oben stehen Digitalisierung, ESG und Restrukturierung.

Dem Stellenwert der Beratungsthemen Digitalisierung und ESG habe ich mich bereits in meiner letzten Kolumne gewidmet. Hierzu soll nur so viel ergänzt sein: Die Digitalisierung bleibt als Beratungsthema ein Dauerbrenner. IT-Modernisierung, Effizienzen durch neue Technologien, digitale Geschäftsmodelle sowie Digital Experience, Cloud und Softwareentwicklung – die Themen reißen nicht ab und der Handlungs- und Innovationsdruck für Unternehmen vor allem aus dem Mittelstand nimmt zu.

Strategieberatungen kommen auch bei Digitalisierungsthemen immer öfter zum Zug, weil digitale Themen nicht mehr isoliert in IT-Abteilungen betrachtet werden, sondern von Organisation und Strategie nicht mehr zu trennen sind.

Hierzu habe ich kürzlich auch mit Dr. André Stebens in unserem aktuellen Lünendonk-Podcast gesprochen. Der CEO von Cassini Consulting beschreibt den Zusammenhang sehr treffend: „Die Einführung neuer Technologien erfordert immer auch eine Antwort auf der Organisationsseite“.  Die Digitalisierung hat – neben anderen Faktoren unserer VUCA-Welt – dazu geführt, dass Unternehmen zunehmend agil handeln müssen. Nicht selten sind es Consulting-Häuser, die ihnen dazu das nötige Rüstzeug geben.

ESG-Berichtspflichten steigern Beratungsbedarf

Auch was das Thema ESG anbelangt, bringen sich die Beratungshäuser zunehmend in Stellung. Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und künftig gehört es nicht mehr nur zum guten Ton und einem positiven Unternehmensimage, die Faktoren Environment, Social, Governance zu pflegen.

Spätestens in diesem Jahr müssen sich Unternehmen in Stellung bringen, um die neu eingeführten Berichterstattungspflichten hinsichtlich ESG erfüllen zu können.

Gerade mittelständische Unternehmen, die nun neu unter die Reporting-Pflicht fallen und denen die interne Expertise für die geforderte Regulatorik fehlt, werden gar nicht umhinkommen, sich Nachhaltigkeits-Know-how von Consulting-Experten holen. Besonders wenn es darum geht, Potenziale und Chancen rund um ESG zu identifizieren, werden Beratungen ihren Kunden wertvolle Hilfestellung beim „going green“ bieten können.

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In Krisenzeiten haben Restrukturierungen Konjunktur 

Themen rund um Digitalisierung und ESG bedeuten für Unternehmen Investitionen, die an anderer Stelle eingespart werden müssen. Dies umso mehr, je länger die Konjunktur schwächelt, die Inflation weiterhin hoch bleibt und die Energiekosten nicht auf ihr Vorkrisenniveau zurückgekehrt sind.

Daher dürften bei den Kunden und Mandanten neben den Zukunfts- und Wachstumsthemen bald verstärkt wieder Restrukturierungsfragen auf der Agenda nach oben rücken.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat erst vor wenigen Tagen für 2023 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,3 Prozent vorhergesagt. Der BDI reiht sich damit in zahlreiche Prognosen ein, die für Deutschland 2023 eine milde Rezession erwarten. Die Bundesregierung erwartet laut Prognose vom 25. Januar ein leichtes Wachstum um +0,3 Prozent. Und: Mehr Kundenunternehmen werden im aktuellen Geschäftsjahr vor existenzbedrohenden Herausforderungen stehen – und die Expertise von Unternehmensberatungen in Anspruch nehmen, um ineffiziente Geschäftsprozesse und unzureichende Kostenkalkulationen auf den Prüfstand zu stellen und Anpassungen an veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen vorzunehmen.

Ob der Treiber nun Digitalisierung, ESG oder Restrukturierung ist – die Auftragsbücher der Beratungshäuser sind auch 2023 gut gefüllt.

Die Herausforderung für die Consultants wird sein, auf die dynamischen Entwicklungen des neuen Jahres flexibel und schnell reagieren zu können – und die dafür benötigten Consultants und Experten bieten zu können. Was das hingegen für das Geschäftsjahr 2024 bedeutet, bleibt abzuwarten. Zu viele Faktoren beeinflussen das Business. Aktuell beobachten wir in den USA Entlassungen in der Beratungsbranche. Bleibt zu hoffen, dass dieser Trend es nicht über den großen Teich schafft.

Quelle: Lünendonk®-Blitzumfrage 2022: Rückblick und Ausblick auf die Märkte für Professional Services.

 

Über die Person

Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater B2B-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.

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