Volker Riedel, Dr. Wieselhuber & Partner The Last Dollar – und wie der Schutzschirm ihn bewahren kann

Verschiedene staatliche Stützungsmaßnahmen, die in Zeiten der Corona-Krise die Liquidität sichern sollten, laufen inzwischen aus. Gleichzeitig schlagen Störungen in den Lieferketten und massive Preiserhöhungen negativ zu Buche. Worauf Unternehmen jetzt achten sollten, um Finanzierungslücken zu schließen oder ihnen vorzubeugen.

Scholz Borjans Schutzschirm PK im April 2020

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie und ihre Folgen spannten Bund und Länder im Jahr 2020 einen Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft auf - hier Norbert Walter-Borjans (l), damals Vorsitzender der SPD, und Olaf Scholz, damals Bundesfinanzminister, bei einem Pressetermin am 2. April 2020.  (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka)

Die epidemische Notlage läuft aus. Beschränkungen im täglichen Wirtschaftsleben werden zurückgenommen, aber auch Hilfen wie Kurzarbeitergeld, vergünstige Darlehen und direkte Subventionen versiegen allmählich. Über diese Hebel konnten Unternehmen in den letzten beiden Jahren fixe Kosten und laufende Verpflichtungen aus Kapitaldiensten decken. Hinzu kam die Zurückhaltung bei der Eintreibung von Steuerzahlungen, Stundungen waren Standard und gerichtliche Beitreibung oder die Beantragung der Insolvenz wurden nicht vollzogen.

Doch jetzt stehen Rückzahlungen an: Die KfW Kredite werden einen ersten Tilgungs-Höhepunkt im Jahr 2023 erreichen, gestundete Steuern werden kurzfristig fällig und Vermieter und andere Geschäftspartner werden temporäre Zugeständnisse beenden wollen.

Diese auslaufenden Maßnahmen treffen jetzt auf die Kollateralschäden wie Störungen in den Lieferketten und massive Preiserhöhungen. Aktuelle Sanktionen als Reaktion auf den Ukraine-Krieg verschärfen die Situation zusätzlich. 

Der Finanzierer ist risikoscheu

Und was macht die Finanzierung? Sie bleibt risikoscheu. Die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung und Verschuldungsgrad bleiben unverändert. Und die Zukunft wird für manche Branchen sehr zurückhaltend gesehen, weil man nicht abschätzen kann, wie die Geschäfte hochfahren werden.

Der überwiegende Teil der deutschen Unternehmen ist gut durch die Krise gekommen. Aber versäumte Maßnahmen zur Modernisierung stoßen jetzt auf massive Preiserhöhung und fehlende Arbeitskräfte. Wer die finanziellen Regeln reißt und Restrukturierungsbedarf aufweist, wird es schwer haben sich zu refinanzieren. Besonders kritisch wird es mit Finanzierungen, die von den Sanktionen betroffene Finanzierer haben. 

Transparenz oder: Wie schließt man die Finanzierungslücke?

Der erste Schritt die Finanzierungslücke zu schließen ist eine umfassende Feststellung der   Restrukturierungskosten. Dabei sollten auch negative Szenarien mit Umsatzverlusten eingeplant werden. Im nächsten Schritt ist festzuhalten, welche finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dabei sollten Unternehmen beachten, dass nicht alle freie Kreditlinien ohne weiteres für Restrukturierungen oder Verlustdeckung genutzt werden können.

Daher ist es häufig erforderlich sich von Assets oder Geschäftseinheiten zu trennen, um ausreichend finanzielle Eigenmittel für die Entwicklung/Restrukturierung des Kerngeschäfts zur Verfügung zu haben. Zurzeit ist eine erhöhte Zahl an Carve Outs – (Teil-)Veräußerungen von Tochtergesellschaften oder Unternehmensteilen - bei Konzernen zu beobachten, da sie Wertsteigerungs-Fantasien beflügeln und deshalb hohe Begehrlichkeiten bei Investoren wecken.

Vergleich der Restrukturierungsoptionen

Sind die finanziellen Spielräume ausgereizt und liegt weiterhin eine Unterdeckung vor, verbleiben verschieden Restrukturierungsoptionen, die unterschiedliche Wirkungen auf die Höhe Restrukturierungskosten entfalten können.

•    Außergerichtliche Sanierung: Hierzu zählen alle Vereinbarungen mit Gläubigern und Mitarbeitern, die geeignet sind, die Kosten- und Schuldenlasten zu reduzieren oder sie zu stunden. Formal kann dies im Rahmen eines Sanierungsgutachtens oder eines StaRuG-Verfahrens erfolgen. Letzteres ist jedoch nur für die Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten zugelassen.

•    Gerichtliche Verfahren: Hierzu zählen der Schutzschirm, die Eigenverwaltung und das Regelverfahren. Für die ersten beiden gelten besondere Anforderungen an die Durchfinanzierung, erlauben aber im Gegenzug mehr Autonomie für die Geschäftsführung und ggfs. Gesellschafter, auch wenn es ein gläubigerorientiertes Verfahren ist.

Was ist die beste Option?

Ganz wichtig: Die beste Option lässt sich errechnen. Die Gläubiger, insbesondere die unbesicherten, müssen in allen Restrukturierungsoptionen mindestens bessergestellt werden als im Regelverfahren. Gerichtliche Verfahren sind geeignet die Restrukturierungskosten zu senken und Eingriffe in bestehende Verträge vorzunehmen. Aber sie müssen gut vorbereitet sein, wenn sie erfolgreich sein sollen.

Außergerichtliche Verfahren können im Stillen stattfinden, benötigen aber eine einvernehmliche Zustimmung aller Betroffenen. Sie bringen jedoch die latente Bedrohung der Anfechtbarkeit mit sich, sollte die Restrukturierung schieflaufen.

Klar ist: Je früher man einen passenden Weg wählt und je mehr liquide Mittel zur Verfügung stehen, desto größer ist die Sanierungschance und die Chance, mit den Gläubigern weiter zusammenzuarbeiten. Agiert der Gesellschafter jedoch zu spät und hat sein letztes Geld verbrannt, wird es unweigerlich zum Verkauf oder zur Zerschlagung des Unternehmens kommen. Dabei ist es egal, ob es sich um gerichtliche oder außergerichtliche Option handelt. 

Es lebe der Schutzschirm!

Der Schutzschirm ist ein Angebot an Unternehmen, frühzeitig in einem gerichtlichen Verfahren zu sanieren, um so größeren Schaden zu vermeiden. Doch dieses Schutzschirmverfahren muss durchfinanziert sein und der Gesellschafter muss für die Gläubiger eine akzeptable Lösung anbieten.

Dies erfolgt in der Regel im Rahmen eines Insolvenzplanes. Mit der gerichtlichen Bestätigung des Plans tritt abschließender Rechtsfrieden ein. Man kann mit dem Plan in alle Rechte und Verträge eingreifen und sie neu ausrichten. Je nachdem, wie ein Verfahren vorbereitet wird, kann auch der sogenannte Dual Track – ein paralleler Verkaufsprozess ¬– vermieden werden. Das funktioniert aber nur mit einem überzeugenden Angebot der „Altgesellschafter“.

Das Last-Dollar-Stakeholder-Phänomen

Warum man bei Sanierungsfällen immer erst im Nachgang drauf kommt, dass man früher hätte agieren müssen? Die Antwort ist einfach. Keiner will verlieren, was er hat. Die Insolvenz trägt den Makel des Totalverlustes in sich. Dies sieht man auch in Vergleichsrechnungen, die häufig nur als Zerschlagungsoption gerechnet.  Das ist falsch und spiegelt nicht alle Optionen wider, die Gesellschafter eigentlich zur Verfügung haben. Sie müssen nur früh genug - also solange sie noch Geld setzen können - ausnahmslos alle Optionen aus juristischer und betriebswirtschaftlicher Sicht beleuchten. 

Immer wieder findet man die Meinung, dass dies die Aufgabe des Controllings sei. Doch: Warum glaubt man in der man in der Betriebswirtschaft immer wieder an „Selbstheilungskräfte“?

In einer Situation, in der die eigene Mannschaft selbst betroffen ist, kann sie schlichtweg nicht neutral sein. Der Gang zum Experten entscheidet letztlich über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens – ähnlich wie in der Medizin: Bei ernsthaften Krankheiten suchen Patienten schließlich auch einen Facharzt auf. 

Fazit

Wieder einmal wird deutlich: Kommt es zu einer Finanzierungslücke, müssen frühzeitig alle Optionen auf den Tisch. Sogenannte „Kipppunkte“ sollten ermittelt werden, um zu klären, wann die finanziellen Mittel unter die Restrukturierungskosten fallen und bis wann Gesellschafter und Unternehmer noch handlungsfähig beziehungsweise „Herr im Haus“ sind. Wer Verfahrensoptionen transparent und neutral beleuchtet und daraus eine echte Entscheidungsvorlage gestaltet, schafft Leitplanken für eine echte strategische Restrukturierung.

Über Volker Riedel

Volker Riedel ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre war er als Projektleiter und Partner von inhabergeführten Unternehmen, als Vorstand und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen sowie als Generalbevollmächtigter (CFO) in Produktion und Handel tätig. Seit 2002 ist er bei Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und leitet heute die Geschäftsbereiche Insolvenzberatung & Finance.

 

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