Interview mit Prof. Dr. Dirk Lippold "Der Trend zum Productized Consulting ist sicherlich nicht mehr aufzuhalten"

Prof. Dr. Dirk Lippold, Autor des Standardwerks „Die Unternehmensberatung“ (Bild: Dirk Lippold)
Gerade ist die vierte Auflage Ihres Standardwerks „Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung“ erschienen. Was wurde in der vierten Auflage verbessert?
Prof. Lippold: Inhaltlich trägt die neue Auflage insbesondere den Anforderungen des Megatrends Digitalisierung in den unterschiedlichen Beratungsfeldern Rechnung. So wurde ein Abschnitt zum Stand der digitalen Transformation in der Beratung hinzugefügt. Besonders interessant für die Zielgruppe der Studierenden ist ein neuer Abschnitt über den Studiengang Consulting und den Einstieg in die Unternehmensberatung. Darüber hinaus dürften viele neue, farblich unterlegte Inserts mit praktischen Beispielen eine Bereicherung für den Leser sein.
Ihr Buch hat über 800 Seiten und deckt das Thema Unternehmensberatung in aller Breite ab. Wo ziehen Sie die Grenzen, was ins Buch gehört und was nicht?
Prof. Lippold: Die Konzeption des Buches orientiert sich konsequent an den fünf Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um das Beratungsgeschäft:
- Unternehmenskonzept
- Marketing und Vertrieb
- Qualität und Professionalität der Leistungserbringung
- Personaleinsatz und -management
- Controlling und Organisation
Insofern hebt es sich auch deutlich von Büchern zum Consulting ab, die mit sogenannten „Cases“ den Mehrwert für den Leser anstreben. Mir geht es in meiner Darstellung mehr darum, einzelfallbezogene Aspekte und Phänomene unserer Branche zu typologisieren und auf eine allgemeine Grundlage zu stellen. Mit dieser Vorgehensweise konnte ich unserer Profession einen weiter gefassten Rahmen geben und dem Beratungstyp Strategieberatung, dem ja ohnehin bislang die meiste (theoretische) Beachtung geschenkt wird, eine gleichwertige Auseinandersetzung mit dem umsatzstärkeren Beratungstyp IT-Beratung gegenüberstellen.
Sie definieren in Ihrem Buch die Evolutionsstufen des Consulting von 1.0 bis zu 4.0. Haben Sie bereits eine Idee, wie Consulting 5.0 aussehen könnte?
Prof. Lippold: Das ist so nicht richtig. Im Gegenteil, ich habe versucht, die Übertragung des Begriffs Industrie 4.0, der ja (richtigerweise) auf die vierte industrielle Revolution zurückzuführen ist, auf Consulting 4.0 in Frage zu stellen. Denn was wäre dann Consulting 2.0 oder 3.0. Die Entwicklungsstufen der Industrie sehen doch ganz anders aus als die des Beratungsbereichs. Insofern gibt es nach meiner Logik auch kein Consulting 5.0.
Auf dem Beratertag wurde wieder viel von „People’s Business“ gesprochen. Schon heute ist der Durst der Branche nach dem Beraternachwuchs ja kaum zu stillen. Wird die Consultingbranche tatsächlich von der Automatisierung verschont bleiben?
Prof. Lippold: Der Trend zum Productized Consulting, also dort wo Standardisierung und Modularisierung die Dienstleistung zu einem Produkt machen, ist sicherlich nicht mehr aufzuhalten.
Da es seit Jahren bei einem Großteil der Beratungsfälle immer um dieselben Fragen wie Bestands- und Kostensenkung, Prozessoptimierung, Mergers & Acquisitions, Strukturänderungen etc. geht, lassen sich solche Aufträge auch immer häufiger – zumindest in signifikanten Teilbereichen – durch einen Computer erledigen.
Und auch die durch Homeoffice induzierte Remote-Beratung, die eine deutlich flexiblere Arbeitsgestaltung erlaubt, weicht die bislang für untrennbar gehaltene Beziehung von Reisetätigkeit und Beraterdasein auf.
Sie haben selbst lange im Consulting gearbeitet. Was war der Auslöser für Sie, die Seiten zu wechseln?
Prof. Lippold: Im Anschluss an meine 35-jährige Beratungspraxis habe ich mich voll und ganz dem Motto „If you can do it, teach it, if you can teach it, write about it“ verschrieben. So bin ich nun seit fast 15 Jahren in der überaus spannenden Zielgruppe der ‚Studierenden‘ unterwegs. Sie gehören vornehmlich der Generation Z (auch Gen Z genannt) an und sind nach 1995 geboren, sehr technikaffin und mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen. Diese Gruppe fühlt sich vergleichsweise freier und unabhängiger. Sie verehrt und bewundert machtbeflissene Vorgesetzte nicht und strebt vor allem nach Selbstwirksamkeit und Partizipation auf Augenhöhe.
Ziele und Aufgaben werden mehr nach Sinnhaftigkeit und persönlichem Lerninteresse beurteilt. Für die Gen Z ist es motivierend, berufliches Schaffen mit individuellem Lebenssinn zu verknüpfen.
Im Ernstfall bringen sie nicht Ideologie und Streit mit, sondern Pragmatismus, Sachorientierung und Fachwissen. Und genau deshalb mag ich die Gen Z. Diesen jungen Menschen den Weg in ein erfüllendes Berufsleben zu ebnen, ist mehr und mehr zu meiner Berufung geworden.
Sie lehren seit vielen Jahren. Woran erkennen Sie unter Ihren Studierenden, ob jemand für den Arbeitsalltag als Berater geeignet ist oder nicht?
Prof. Lippold: Natürlich ist es zunächst einmal die Persönlichkeit und das Auftreten der Studierenden und nicht unbedingt das tiefe, sondern mehr das generelle Fachwissen. So baue ich in meine Klausuren ganz bewusst bestimmte Aufgaben ein, die vorher nicht besprochen wurden, die aber bei einer entsprechenden Haltung und ethischem Bewusstsein im Gesamtkontext einer professionellen Beratung sehr eindeutig zu beantworten sind. Wer hier die entsprechende Lösung anbietet, bietet sich auch als künftiger Berater an.
Über die Person
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.
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