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- Die Aura des allwissenden "Welterklärers" - Wie ist das Image von Consultants in der Öffentlichkeit?
Interview mit Prof. Dr. Andreas Krämer, exeo Die Aura des allwissenden "Welterklärers" - Wie ist das Image von Consultants in der Öffentlichkeit?

Was war der Anlass für die Studie?
Andreas Krämer: Ich muss dazu voranschicken, dass es sich bei den Ergebnissen, die wir zum Thema Unternehmensberatung veröffentlicht haben, um den Ausschnitt einer größeren Studie handelt. Im Rahmen der Untersuchung "OpinionTRAIN", die exeo zusammen mit der Rogator AG durchführt, handelt es sich um eine repräsentativ angelegte Onlinestudie mit ca. 2.500 Befragten in vier Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz und Schweden). Im Fokus standen die Veränderungen durch die Corona-Krise, wobei unterschiedliche Aspekte, wie Berufsalltag, Mobilität, Einkauf, Gesundheit etc. im Vordergrund standen. Das Thema Unternehmensberater ist Teil eines Frageblocks zum Berufsprestige unterschiedlicher Professionen. Die Facette "Image der Unternehmensberater" haben wir dann etwas genauer beleuchtet, weil die Ergebnisse als Input für unser Buch "Consulting" (gemeinsam mit Prof. Thomas Deelmann, siehe unten), gedacht sind.
Welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?
Andreas Krämer: Fangen wir vielleicht einmal damit an, was erwartbar war. Erwartet hatte ich, dass die Berufe im Bereich Gesundheit und Pflege besonders gut abschneiden, meine Vermutung war auch, dass die meist weniger beachteten Berufe wie Verkäufer/in vergleichsweise gut in der Imagebewertung abschneiden. Schließlich haben diese in den schlimmsten Krisenwochen fast einen "Heldenstatus" erreicht. Ich muss hinzufügen, dass das Fragendesign in Anlehnung an die Allensbacher Analyse zum Berufsprestige entworfen wurde. Wir haben uns dann aber abweichend davon entschieden, sowohl die am meisten geachteten als auch die am wenigsten geachteten Berufe abzufragen. In der Liste erschienen dann die beratungsnahen Berufe Unternehmensberater, Rechtsberater und Steuerberater.

Erwartet habe ich schon, dass Unternehmensberater eher kritischer wahrgenommen werden. Überrascht haben mich zwei Aspekte: Erstens die Eindeutigkeit, mit der die Profession der Unternehmensberater den letzten Platz erreicht (im Ranking der am meisten geschätzten Berufe erhalten diese nur ein Prozent der Nennungen, im Ranking der am wenigsten geschätzten Berufe liegen die Unternehmensberater mit 43 Prozent auf Platz 2, nach Politikern mit 47 Prozent Nennungen) und zweitens, die doch erkennbaren Unterschiede zwischen den Beratungsberufen. Zumindest in der Negativauswahl schneiden Rechtsanwälte und Steuerberater besser ab als Unternehmensberater.
Wie erklären Sie es sich, dass das Image des Berufs "Unternehmensberater" in der Öffentlichkeit so schlecht ist?
Andreas Krämer: Sicherlich könnte man versuchen zu argumentieren, dass die Ergebnisse schon deswegen erwartbar sind, weil die Befragten erstens einen anderen Bezug zu Berufen wie Arzt, Pflegekraft oder Verkauf im Supermarkt haben als zum Beruf des Unternehmensberaters und zweitens, weil das Involvement für andere Berufe in der aktuellen Lage stärker ist. Das mag auch zum Teil stimmen. Trotzdem sind die Ergebnisse ja stark negativ, teilweise schon erschreckend kritisch.
Ich nehme für mich nicht in Anspruch, eine vollständige Erklärung dafür geben zu können. Es gibt aber ein paar Besonderheiten, die für die Außendarstellung von Unternehmensberatern charakteristisch sind. Besonders fällt ja auf, dass in der Berichterstattung über Unternehmensberater eher ein negativer Ton vorherrscht. Entweder ist das Thema negativ besetzt oder aber die Berater werden negativ dargestellt.
Zum Beispiel ist leicht abzuleiten, dass die sogenannte "Berateraffäre" nicht besonders förderlich für das öffentliche Ansehen der Profession war.
Es liegt auch in der Natur der Sache, dass erfolgreiche Projekte nicht durch die begleitenden Berater kommuniziert werden, sondern durch das Management der Kundenunternehmen, während es beim Scheitern eher heißt: "Wir sind durch xy falsch beraten worden". Dazu kommt natürlich auch ein Selbstbild, was (leider) immer noch mit der Aura des allwissenden "Welterklärers" einhergeht. Gleichzeitig handelt es sich bei Unternehmensberatern um einen Berufstand, der nicht nur sehr in der Öffentlichkeit und in Medien präsent ist, sondern auch von der Größe her deutlich überschätzt wird (was unsere Studie auch nachweist), ein Effekt, den Psychologen wie Daniel Kahneman mit "What-you-see-is-all-there-is" als Mechanismus des sogenannten System 1 beschreiben.
Haben Sie eine Ahnung, warum das Image der Unternehmensberater in der Schweiz so viel besser ist als in Deutschland?
Andreas Krämer: Ich sehe in den Ergebnissen vor allem, dass die Unternehmensberater in Deutschland in der Öffentlichkeit schlechter wahrgenommen werden als in den anderen Vergleichsländern, und zwar Österreich, der Schweiz und in Schweden. Insofern profitieren wir an dieser Stelle vom breit angelegten Studienansatz. Für die Schweiz lässt sich vermuten, dass die Gesellschaft grundsätzlich eine positivere Einstellung zur Wirtschaft (und damit auch zu Management Consultants) hat.
In Deutschland ist die Stimmung meines Erachtens eher auch neidgetrieben. Von einer wirklich aufgeschlossen unternehmerfreundlichen Gesellschaft lässt sich wohl kaum sprechen, wenn der Beruf des Unternehmers im Positivranking an fünftletzter Position von 20 Berufen steht. Die früheren Ergebnisse, z.B. das Allensbacher Berufsprestige, waren noch deutlich positiver, zeigen aber mittelfristig auch einen stark sinkenden Trend. Das Berufsprestige von Unternehmern ist (nicht nur von Unternehmensberatern) ist laut unserer Studie in Deutschland deutlich schlechter als in den drei Vergleichsländern. Hier sehe ich persönlich einen Zusammenhang.
Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt notwendig, dass Unternehmensberater ein besseres Image in der Öffentlichkeit haben?
Andreas Krämer: Es gibt sicherlich keine zwingende Argumentation, dass alles dafür getan werden muss, die Unternehmensberater auf die oberen Ränge im Berufsprestige zu bewegen. Gleichzeitig stellt das kritische Bild, das unsere Studie zeichnet, schon einen Punkt dar, der einmal breiter diskutiert werden sollte und der auch nach einer Begründung verlangt. Eine Hypothese wäre: "Der eigenen Branche fehlt es an Zusammenhalt". Eine andere wäre:
"Es gibt in der Öffentlichkeit keine wirksame und wahrnehmbare Berufsvertretung".
Schauen wir uns andere Berufe an, wie die Vertretung der Ärzte oder die der Lokführer (GdL). Unternehmensberater sehen - noch stärker als andere Berater - die Kollegen im Wesentlichen als Konkurrenten.
Im Endeffekt ist die in der Studie beschriebene Situation wenig befriedigend, ohne dass ich eine Argumentation aufbauen könnte, dies führe zwingend die Beratungsprofession in die wirtschaftliche Krise. Schließlich hat sich die Beraterbranche in den letzten Jahren überdurchschnittlich gut entwickelt.
Besonders interessant ist ja das Image-Profil der Berater: Wenig vertrauenswürdig, nicht system-relevant und kaum sozial engagiert? Woher kommt diese extrem negative Sichtweise auf Unternehmensberater, wo doch relativ viele Menschen keine Berater persönlich kennen?
Andreas Krämer: Zunächst zum letztgenannten Aspekt: Während nur etwa ein Prozent der Befragten aktuell als Consultant arbeitet und zwei Prozent früher in diesem Bereich tätig waren, geben 28 Prozent an, persönlich Unternehmensberater zu kennen. 41 Prozent der Studienteilnehmer sind über Unternehmensberater aus Medien oder Berichten informiert und 29 Prozent kennen Unternehmensberater nicht konkret.

Ehrlich gesagt, ist für mich die auffallend schlechte Bewertung der Vertrauenswürdigkeit eine Erkenntnis, die besonders besorgniserregend ist. Über die Themen Systemrelevanz und soziales Engagement kann man trefflich streiten (einige Beratungsfirmen werden dann auf ihre Tätigkeit im sozialen Rahmen hinweisen), ein Mangel an Vertrauen trifft allerdings die Grundwerte der Beratertätigkeit. Nur etwa jeder zehnte Befragte sieht Consultants als vertrauenswürdig an (bei Rechtsanwälten und Steuerberatern sind dies mehr als 40 Prozent). In der Regel ist die Arbeit der Consultants durch ein großes Maß an Vertrauenseigenschaften geprägt. Unternehmen geben ihren Beratern Einblicke in vertrauliche Daten, Unternehmen vertrauen darauf, ein gutes Ergebnis der Beratungsleistung zu erhalten. Insofern ist Vertrauen die Basis des Beratungsgeschäfts. Unser Studienansatz ermöglicht allerdings keine genaue Aussage dazu, ob die Auftraggeber von Beratungsprojekten eine deutlich positivere Sicht auf Berater haben als die Bevölkerung insgesamt.
Wie bewerten Sie es, dass 16 Prozent der Deutschen es sich vorstellen könnten, im Consulting zu arbeiten, obwohl das Berufsbild deutlich schlechter bewertet wird?
Andreas Krämer: Dieser Anteil ist je nach Zielgruppe unterschiedlich und wird positiv durch die persönliche Nähe zum Beratungsberuf bestimmt. Zu berücksichtigen ist, dass die die ca. 130.000 Unternehmensberater in Deutschland nur einen verschwindend geringen Anteil an den ca. 44 Mio. Erwerbstätigen besitzen (0,2 Prozent). Dazu in Relation erscheint der Anteil von 16 Prozent sehr groß. Grundsätzlich zeigt sich darin eine ambivalente Bewertung. Auf der einen Seite ist die Wertschätzung für den Berufsstand in der Bevölkerung überwiegend schlecht. Auf der anderen Seite gibt jeder sechste Befragte an, sich eine Tätigkeit als Unternehmensberater vorstellen zu können. Darin kommt dann aber zum Ausdruck, dass die Tätigkeit als Unternehmensberater zumindest in gewissen Teilen der Gesellschaft attraktiv erscheint. Viele gerade junge Menschen erkennen in der Tätigkeit als Consultant weniger einen Beruf auf Lebenszeit, als vielmehr einen Berufsabschnitt und die Möglichkeit zu einer dynamischen Karriereentwicklung und einer steilen Erfahrungskurve.
Haben Sie Ideen, wie das Image der Unternehmensberater verbessert werden könnte?
Andreas Krämer: Ich sehe hier grundsätzlich zwei Stränge in der Argumentation:
Der erste Strang betrachtet Beratung, wie sie sich heute darstellt, als gegeben und untersucht, wie die Sicht von außen auf die Profession positiv beeinflusst werden kann. Grundsätzlich sind in diesem Kontext eine Menge Stellhebel zu diskutieren, ich sehe aber keine wirklich koordinierende Hand bzw. dafür nur eingeschränkte Möglichkeiten. Sehen wir uns dazu nur an, welche Anstrengungen die Marktforschungsbranche unternommen hat, um das Image des Berufsstands zu verbessern und wie gering der Erfolg letztendlich war.
Der zweite Strang betrifft die Art der Tätigkeit des Unternehmensberaters direkt. Hier sehe ich eine Reihe von Ansätzen. Voraussetzung hierzu ist jedoch, die Art und Weise, wie Beratungsleistung erbracht wird, in Frage zu stellen. Das beginnt bei der Notwendigkeit der Beratung ("Benötigt der Kunde diese Beratung tatsächlich?"), betrifft u.a. die Art der Tätigkeit ("Ist der Berater ist Teil des gemischten Projektteams und diskutiert auf Augenhöhe mit den Mitarbeiter des Kundenunternehmens?") und reicht bis hin zum Geschäftsmodell, wenn zum Beispiel Wachstum als primäres Unternehmensziel angesehen wird ("Wonach wird die Leistung eines Beraters intern gemessen und was sind Voraussetzungen für eine rasche Karriereentwicklung?"). Wenn sich die Art der Beratung ändert, wird dies zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Fremdsicht auf Beratung haben. Das braucht allerdings Zeit.
Hinweis zum Buch "Consulting - Ein Lehr-, Lern- und Lesebuch zur Unternehmensberatung" von Thomas Deelmann und Andreas Krämer (Veröffentlichung Ende September 2020). Weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie hier.
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mvw
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