INTERVIEW zum Thema Einkaufsprozesse im Beratungsmarkt "Die Gründe für verlorene Aufträge sollten dargelegt werden."

Wann kommt der Einkauf normalerweise ins Spiel?
Holger Scheel: Erstens, bei Anfragen, dem so genannten Request for Information (RFI), sprich, bei der Vorauswahl von möglichen Anbietern. Da geht es um die Klärung der grundsätzlichen Relevanz eines Anbieters anhand standardisierter Auswahlkriterien, meist in Form eines Fragenkatalogs. Erfüllt man die Vorgaben, folgt im nächsten Schritt der Request for Proposal (RFP), die Anfrage zur Angebotseinreichung. Der RFP formuliert die Aufgabe und die damit verbundenen inhaltlich-fachlichen, vertraglichen und kaufmännischen Erwartungen an Angebot und Anbieter. Der Einkauf koordiniert in der Regel den RFI- und RFP-Prozess mit den Lieferanten. Zweitens: Beim Angebotsprozess. Der Einkauf ist Teil des Ausschreibungsteams auf Kundenseite. Die Rolle des Einkaufs besteht in der formellen Führung, teilweise übernimmt er das Co-Management des Prozesses und manchmal die Führung des Gesamtprozesses. Drittens: Bei der Verhandlung. Der Einkauf übernimmt in der Regel die kaufmännische Verhandlungsführung. Bei großvolumigen Deals übernimmt oft das oberste Einkaufs-Management, häufig ist hier ein Prokurist im Lead. Der Einkauf ist der Wächter der formellen und kaufmännischen Kriterien und unterstützt die Entscheidungsfindung. In Großkonzernen dominiert der Einkauf den Prozess deutlich stärker, er hat dort einen großen Einfluss auf die Lieferantenauswahl, seine Kriterien sind oft maßgeblich für die finale Entscheidung.
Wo beginnt bei cbs der Sales-Cycle, wo endet er?
Holger Scheel: Beratung ist Beziehungsgeschäft, und der Verkauf von Beratung lebt von kontinuierlichem Beziehungsaufbau und -Pflege. Auf dieser Basis entwickeln sich viele Sales Cycles. Die Bekanntheit eines Anbieters und die Erwägung des Kunden, diesen als Beratungshaus in Betracht zu ziehen, sind zu Beginn wichtig. In der Vorphase zu einer Ausschreibung gilt es, im Gespräch mit den Entscheidern sein. Hier ist wichtig, eine grundsätzliche Relevanz aufzeigen und mögliche Lösungen einzubringen. Der Abschluss eines Vertrages bedeutet zugleich den Eintritt in eine neue Phase der Beziehungspflege, über die mögliche neue Verkaufschancen entstehen.
Bei den Anbahnungen dürfte in der Regel in Pitches immer die Einkaufsabteilung involviert sein. Wie sollte idealerweise das Dreiecksverhältnis zwischen Fachabteilung, Einkauf und Dienstleister gestaltet werden? Welche Rolle sollte dabei der Einkaufsabteilung zukommen?
Holger Scheel: Der Einkauf sollte als diplomatisch versierter Vermittler der Interessen zwischen Kunde und Lieferant im Sinne einer Win-Win-Situation agieren. Als Dienstleister der Fachabteilung verhilft der Einkauf dem Unternehmen idealerweise zu einem effizienten End-to-End-Auswahlprozess. Der Einkauf wahrt das kaufmännische Unternehmensinteresse. Wünschenswert ist, dass er dies auch strategisch mit einer nachhaltigen und wertorientierten Perspektive verbindet. Hier stehen Funktionsoptimum und Gesamtoptimum nicht immer im Einklang. Liefert ein optimaler kaufmännischer Verhandlungserfolg zu möglichst niedrigen Angebotskosten auch am Ende das wertmäßig beste Ergebnis?
Gerade bei großen Unternehmen gibt es zunehmend auch Strategische Einkaufsabteilungen, die bereits sehr früh bei der Supplier-Auswahl involviert sein sollen - lange vorm eigentlichen Pitch. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Holger Scheel: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Das Bestreben, Auswahlprozesse durch eine strategische Vorauswahl (Aufbau eines Preferred Supplier Pools) zu verkürzen und zu vereinfachen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Wichtig ist, dass dabei nicht zu schablonenhaft und eindimensional agiert wird. Nach unserer Beobachtung gelingt es den Unternehmen nicht immer, fachliche und kaufmännische Beweggründe zu ihrem Vorteil in Balance zu halten. Vielfach ist der Versuch, sich über hohe Volumina Kostenvorteile zu sichern, die Triebfeder. Dies führt oft zur Uniformität von Anbietern und zur Absenkung der verfügbaren Servicequalität. Nicht die jeweils besten Anbieter, sondern nur der relativ bessere Anbieter kommt zum Zug. Echte Best-of-bread-Optionen fehlen. Am Ende steht ein Innovations- und Wertschöpfungsverlust. Mittel und langfristig sinkt so die Qualität, es gehen Wettbewerbsvorteile verloren.
Mittlerweile sind bei Pitches von Seiten der Dienstleister immer mehr Erklärungen, z.B. in Bezug auf Compliance-Richtlinien oder Sustainability-Erfordernisse abzugeben und viele Bescheinigungen auszufüllen. Wie ist Ihre Sichtweise auf solche Beiwerke, die in der Regel wenig bis nichts mit dem eigentlichen Projekt zu tun haben, aber dennoch viel Aufwand erfordern?
Holger Scheel: Dies hat in der Tat den administrativen Aufwand in Ausschreibungen merklich erhöht. Unternehmen wie Dienstleister unterliegen einer wachsenden Zahl regulatorischer Zwänge. Es gibt hier einen steigenden Druck, vom Gesetzgeber und der Gesellschaft. Man mag das bedauern, vieles ist aber gut und notwendig, auch wenn vielfach pragmatische Lösungen wünschenswert sind, aber noch ausstehen. Zum Teil versuchen Unternehmen, diesen Part an Dienstleister auszulagern. Hier ist jedoch Achtsamkeit geboten und an die Fairness der Unternehmen zu appellieren.
Wenn Sie sich in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Einkaufsabteilungen etwas wünschen dürften: Was wäre das?
Holger Scheel: Ein guter Einkauf agiert kompetent, flexibel, sachorientiert und verständig als Partner und auf Augenhöhe mit den Lieferanten. Er handelt transparent und formell korrekt, ohne jedoch formalistisch zu sein. Im Ausschreibungsprozess kommuniziert er seine Entscheidungskriterien klar und ist offen für den aktiven Dialog mit den Anbietern. Ich wünsche mir Klarheit in Bezug auf die Rolle und die Chancen des Lieferanten. Die Gründe für verlorene Aufträge sollten dargelegt werden. Fairness gehört dazu. Es ist uns wichtig, ein guter Partner des Einkaufs zu sein, das wünschen wir uns auf Kundenseite genauso.
Welche Hebel sehen Sie aus Ihrer Position, um Pitch-Prozesse zu verbessern?
Holger Scheel: Das größte Thema ist sicherlich die Prozess-Effizienz. Wir alle haben das Ziel, Zeit und Aufwand zu optimieren und unsere Energie in die richtigen Angebotsprozesse zu investieren. Je sauberer das über den Bieterprozess gelingt, umso besser für alle Beteiligten.
Vita:
/jre
Weitere Informationen zum Unternehmen auf CONSULTING.de:

Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden