Die #BeraterBeraterin Die Macht des „Human Factor“ im Consulting

Oliver Wyman kann aktuell etliche Beratungshochkaräter hinzugewinnen. Besonders beachtlich daran ist die Art und Weise, wie das Unternehmen die Transfer-Coups kommuniziert, so BeraterBeraterin Susan Mathony in ihrer neuen Kolumne. Lesen Sie, warum der „Human Factor“ wichtiger denn je ist und was sich aus der New-Hire-Communication von Oliver Wyman ableiten lässt.

Letzte Woche haben meine geschätzten Ex-Kollegen Rolf Fricker und Tobias Handschuh eindrucksvoll bewiesen: Beratung ist ein People Business. Und: Menschen folgen Menschen – im Business wie auf Social Media.

Die zwei Partner von EY-Parthenon verstärken seit Anfang November die Health & Life Sciences Practice von Oliver Wyman. Zuvor waren bereits fünf Partner inklusive des früheren CEO Joachim Rotering von Strategy& hierin gewechselt.

Dr. Kai Bender, verantwortlicher Partner für Deutschland sowie Österreich, kommentierte diese Expansion mit den Worten „Oliver Wyman ist der große Gewinner der Konsolidierung des Beratungsmarkts, ein gefragter Arbeitgeber und auf einem ambitionierten Wachstumskurs.“

Für mich als Marketer besonders spannend: Der Blick auf die flankierende Kommunikation, und was sich daraus für Positionierungsstrategien inklusive des Potentials von Corporate Influencern lernen lässt.

Was ist wichtiger für eine Berater-Positionierung: Marke, Menschen, Services?

Werde ich gefragt:

  • Was ist das Erfolgsgeheimnis für wirksames Professional Services-Marketing?
  • Fokussiert man auf eine starke Marke, spezifische Services oder auf die einzelnen Menschen?

frustriert meine trockene Antwort nach 24 Jahren in der Branche manche:
Es gibt keinen „one size fit all“-Marketingmix für Beratungsunternehmen – schon deshalb, weil Beratungsmarken unterschiedliche Reifegrade aufweisen!

Was alle Marken gleichwelchen Reifegrades benötigen, ist die saubere Positionierung. Warum? Weil 47 Prozent der Berater die Marktwahrnehmung ihrer eigenen Beratung nur als ‚mittelmäßig‘ bewerten. Und: Jedem zweiten Käufer von Beratungsleistungen fällt es schwer, den richtigen Unternehmensberater zu finden, weil eine eindeutige Differenzierung zwischen den Beratungshäusern fehlt oder nicht erkennbar ist.

Dabei ist eine messerscharfe Positionierung Gold/Geld wert. Denn: Durch eine differenzierte Marke können Consulting-Player 20 Prozent mehr Umsatz generieren. Bei konsequenter Umsetzung sogar bis zu 40 Prozent.

So brutal #BeDifferentOrDie klingen mag: Es entscheidet über Wachstum oder Marktanteilsverluste. In diesem Kräftespiel der Differenzierung werden die Menschen – also der Human Factor – immer entscheidender.

Corporate Influencer spielen auch im Professional Services zunehmend eine Rolle

Ikea hat sie, Otto hat sie, die Deutsche Telekom sowieso. Die Rede ist von Corporate Influencer-Programmen. Schon 2019 setzten 49 Prozent der deutschen Unternehmen auf Corporate Influencer, so der „Trendreport“ von News Aktuell. Meine Schätzung ist: Die Pandemie hat Markenbotschafter-Strategien einen weiteren massiven Schub verliehen. Heute haben dieses vermutlich Dreiviertel aller Unternehmen.

Corporate Influencer wie Stephanie Tönjes und Pawel Dillinger (beide Deutsche Telekom), Magdalena Rogl (Microsoft) oder Anna-Lena Müller (jetzt Siemens) kennt mittlerweile fast jeder. Warum sie bezahlten klassischen Influencern so hoch überlegen sind? Durch ihre Glaubwürdigkeit. Während laut „Mindline Media“ nur noch sieben Prozent der Deutschen (bezahlten) Influencern vertrauen, ist dies bei eigenen Mitarbeitern ganz anders.

Laut „Trust Barometer 2021“ vertrauen 54 Prozent der Mitarbeiter ihrem eigenen Arbeitgeber als glaubwürdige Quelle. Dieses ganz besondere Vertrauensmomentum gilt es, weiter auszubauen. Kompetenz, Ethik und Werte müssen gleichermaßen zusammenkommen.

Gerade für Strategieberatungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Anwaltssozietäten ist dieses Vertrauen entscheidend. Denn ihre Offerings und Services funktionieren nach komplett anderen Gesetzen als solche für Konsumgüter.

So mag es im Professional Services (noch) keinen zweiten Cawa Younosi (SAP) geben, aber unübersehbar ist: In diese Form der (digitalen) der Vertrauens- und Markenbildung wird seit rund zwei bis drei Jahren massiv investiert.

Drei Gründe für den Trend zum ‚Human Factor‘

  1. Human-to-human-Marketing wird immer wichtiger
    Es positioniert Beratungen nicht als abstrakte Marke, sondern die Menschen dahinter als ‚Berater of choice‘, denen man vertraut. Sprich: Das Verständnis, Expertise ist noch kein USP, und Services sind letztlich eine austauschbare Commodity, setzt sich mehr und mehr durch.
     
  2. Für die Digitalisierung gibt es kein Opt-Out
    So wie der Trend zur ‚Digital Delivery‘ – also die Verlagerung des Sales- und Pitch-Geschehens vom Physischen ins Digitale – geht, gilt dieses auch für das Marketing. So kann kein Berater einzig auf Mailings seine Thought Leadership als Beziehungspflege und Sales-Funnel bauen. So würde er auf den Aufbau seiner #DigitalReputation ebenso verzichten wie auf die potenzierte Reichweite durch Social Media.
     
  3. Differenzierte Corporate Brands bleiben wichtig, aber die Personenmarken wirken stärker gegen die ‚Great Resignation‘
    „‘Great Attrition’ or ‘Great Attraction’? The choice is yours!” beschreibt McKinsey die Great-Resignation-Gefahr. Besonders im Professional Services zeichnet sich diese Gefahr ab. Gerade weil sich Menschen ein Gefühl der Zughörigkeit zu ihrer ‚Community‘ wünschen, wird der ‚soziale Kitt‘ und die Anziehungskraft von sichtbaren Leadern höher.
    Trivial auf LinkedIn bezogen, bedeutet dieses: Corporate Accounts sind die Pflicht, persönliche Profile die Kür. Denn individuelle Postings erzielen achtfach höhere Interaktionsraten. Menschen folgen eben keinem Logo, sondern Menschen.

Was man aus der New Hire-Kommunikation von Oliver Wyman lernen kann

1. Die smarte Kaskadierung zwischen Social CEO und Beratern

Die These meiner früheren Kolumne „Der Highlander oder die Musketiere? Was gilt für Berater auf LinkedIn?“ lautete: Um eine Beratungsmarke breit sichtbar zu machen, funktioniert die Highlander-Strategie „Es kann nur einen geben“ nicht. Es bedarf des #SocialCEO und vieler aktiver Berater. Auf LinkedIn kuratieren diese ihre eigenen Geschichten und machen erlebbar, in welchem Beratungsgebiet sie Experte sind oder welcher Wertekanon sie antreibt. So flankieren sie ‚den einen‘ und erreichen zudem ihre individuellen Klienten und Prospects.

Genau dieses Prinzip hat Oliver Wyman perfekt angewendet. Erst posteten die beiden neuen Life Science-Partner, dann der Deutschland-Chef. Durch die Kaskadierung – Tobias Handschuh am 2/11, Rolf Fricker am 3/11 sowie Dr. Kai Bender am 4/11 – bespielten sie nicht nur den Algorithmus ideal, sondern signalisierten auch die Schwerpunktlegung: Erst der einzelne, neue Berater, dann die Marke über den #SocialCEO.

2. Das unterschätzte Potential für das Employer Branding: die Kommentare

Durch den Coup brachten es die Drei gemeinsam auf rund 800 Likes und 150 Comments – und das aus einem sehr breiten Kreis: Ex-Kollegen aus der Booz-Zeit, neue Oliver Wyman-Kollegen und Klienten. Wenn man den Mitteleinsatz mit den früher üblichen Viertelseiten-Partner Promotion-Anzeigen in FAZ und Handelsblatt vergleicht, muss man lächeln. Das eine kostete 20.000 EUR und mehr. Die moderne Form der digitalen Positionierung hingegen nur rund drei Stunden.

Der Blick in die Kommentare der Posts zeigt: Hier liegt enormes Potential für das Employer Branding. Statt teure Anzeigen zu schalten mit abstrakten iStock-Models, sind hier „Echt-Menschen“ sichtbar. Niemand muss sich mehr aus abstrakten Versprechungen in Assessment-Centern ableiten, wie die künftige Zusammenarbeit in der Beratung wohl wäre. Er/sie kann lesen, wie sich Kollegen und Ex-Kollegen über die neuen Life Science-Partner äußern, und welche ‚Musketier-Verbindung‘ offensichtlich besteht. Da heuert man nicht irgendwo an, sondern bei eben diesen Menschen, an deren Erfolgsgeschichte man teilhaben möchte.
Deshalb macht es absolut Sinn, wenn Dr. Kai Bender offen um weitere neue Mitarbeiter wirbt: „Wer Teil von dieser Erfolgsstory werden möchte, wendet sich vertrauensvoll an unser Recruiting-Team.“

3. Starkes Narrativ und Authentizität als Erfolgsformel für die Zukunft

Auch bei der Visualisierung wurde alles richtig gemacht. Hier kommt kein retuschierter Profi-Headshot zum Zug, sondern ganz normale Bilder. Das Lächeln lässt die beiden so sympathisch wie nahbar herüberkommen. Offensichtlich wurden diese im jeweiligen Office geschossen. Hier sieht man zwar das Oliver Wyman-Logo, aber es dominiert nicht die Aussage des Bildes. Die indirekte Botschaft erinnert eher an Goethes „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!.

Dass hier ein starkes Narrativ entstehen soll, erkennt jeder spätestens, der die Texte der Drei nebeneinanderlegt. Es ist kein Zufall, dass die beiden neuen Partnerkollegen die Formulierung ‚growth story‘ und der Deutschlandchef das Wort ‚Wachstumskurs‘ wählen.

Wenn es gelingt, diese Mischung aus Narrativ und Authentizität in künftigen Posts zu leben, werden sie erfolgreiche Corporate Influencer für ihre Health & Life Sciences Practice. Es bleibt spannend.

Über Susanne Mathony

Susanne Mathony ist Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u.a. für AccentureAlix PartnersStrategy& sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.

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