Fachartikel Digitaler Arbeitsplatz: Neue Herausforderungen für die Gesundheit

Die fortschreitende Digitalisierung stellt neue Herausforderungen an die Gesundheit der Mitarbeiter und damit auch das betriebliche Gesundheitsmanagement. Doch die Verantwortung kann nicht vollständig auf den Arbeitgeber abgewälzt werden…

Bild: stock.adobe.com © dima_sidelnikov
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Von Sara Luft

Arbeiten wird prinzipiell gesünder

Dass die Arbeit in vielen Fällen eine Belastung der Gesundheit darstellt, ist kein neues Problem. Im Gegenteil war dieses in der Vergangenheit sogar noch deutlich ausgeprägter. Denn auch, wenn es sich manchmal so anfühlen mag: Früher war nicht alles besser! Das Tragen von schweren Lasten, ungeregelte Arbeitszeiten, das Einatmen von Chemikalien - solche und weitere Gesundheitsgefahren gehörten lange Zeit für viele Menschen zum ganz normalen Alltag. Im Zuge der Industrialisierung wurde auf die Gesundheit ebenfalls keine Rücksicht genommen. Kinderarbeit, körperliche Schwerstarbeit, ungeregelte Arbeitszeiten, fehlende Pausen...diese sind nur einige Faktoren, die damals zu einer großen Anzahl an Arbeitsunfällen oder arbeitsbedingten Erkrankungen führten. Entsprechende Versicherungen oder sogar Präventionsmaßnahmen gab es hingegen nicht. Eingangs muss also festgehalten werden, dass Arbeit heutzutage prinzipiell gesünder ist als noch vor wenigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten, denn der deutsche Gesetzgeber schützt die Arbeitnehmer mittlerweile durch vielfältige Vorschriften. Zudem gibt es schlichtweg sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch der Arbeitgeber ein größere Bewusstsein um die Wichtigkeit der Prävention.

BGM führt ein Schattendasein

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement soll dafür die Lösung darstellen und bietet eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Dennoch wird dieses in vielen Unternehmen nach wie vor nicht (ausreichend) umgesetzt. Das liegt einerseits an den Kosten, welche für die Implementierung des BGM notwendig wären, wohingegen ein direkter Ertrag nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Andererseits vertreten nach wie vor viele Unternehmer, Führungskräfte sowie Entscheider die Auffassung, der Mitarbeiter sei selbst für seine Gesundheit verantwortlich. Dementsprechend gering ist die Investitionsbereitschaft. Das stimmt so allerdings nicht, denn das "Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit" übertragt dem Arbeitgeber ebenfalls eine gewisse Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeiter. Er ist also in der Pflicht, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu sichern und zu verbessern. Das betrifft zum Beispiel

  • die bereitgestellten Betriebsmittel, welche die Mitarbeiter für ihre Tätigkeit benötigen und
  • Vorkehrungen für die Einbindung dieser Maßnahmen bei allen Tätigkeiten, damit die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. 

Die Kosten für solche Maßnahmen dürfen also nicht einfach auf den Mitarbeiter abgewälzt werden. Dennoch trägt dieser, wie die Aufzählung entnehmen lässt, durchaus auch Pflichten. Er muss bei der Erhaltung sowie Verbesserung seiner Gesundheit aktiv mitwirken, ebenso wie bei der allgemeinen Implementierung und Optimierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Was also heißt das nun konkret in der Praxis?

Bild: stock.adobe.com © Pixel-Shot #285530777
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Modernes Gesundheitsmanagement...

Ein modernes BGM ist ein Stück weit keine optionale Entscheidung für deutsche Unternehmen, sondern muss auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen zu einem gewissen Minimum umgesetzt werden. Allerdings ist es durchaus sinnvoll, dieses um weitere freiwillige Maßnahmen zu ergänzen. Das bringt einerseits Kostenvorteile durch eine geringere Mitarbeiterfluktuation und verringerte Ausfallzeiten in der Belegschaft. Andererseits birgt es Vorzüge im Bereich des Employer Brandings, bei der Mitarbeitermotivation und in vielen weiteren Bereichen. Auch, wenn sich die Benefits also vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen lassen, bringt ein "richtig" umgesetztes, sprich modernes Betriebliches Gesundheitsmanagement solche mit sich und refinanziert sich dadurch im Regelfall innerhalb kürzester Zeit.

...angesichts moderner Gesundheitsgefahren

Allerdings gilt es bei solchen Maßnahmen eben auch zu berücksichtigen, welche modernen Gesundheitsgefahren jetzt sowie in Zukunft am Arbeitsplatz lauern und wo eben doch abgegrenzt werden muss zwischen der Verantwortung des Arbeitgebers und jener der Arbeitnehmer. Denn die Digitalisierung hat den klassischen Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren grundlegend verändert und mit ihr kamen zwar viele Verbesserungen, jedoch auch neue Gesundheitsrisiken: 

  • Die ständige Erreichbarkeit erhöht den individuell empfundenen Stress vieler Mitarbeiter. Sie haben also das Gefühl, sprichwörtlich nicht mehr abschalten zu können oder zu dürfen, was die Entstehung stressbedingter Erkrankungen fördert. Was es also braucht, ist eine klare Kommunikation auf Seiten der Arbeitgeber und Führungskräfte, wann Arbeitnehmer erreichbar sein müssen oder wann nicht - und zwar innerhalb der gesetzlichen Grenzen. Schlussendlich liegt es dann natürlich an dem Mitarbeiter, dieses Abschalten auch tatsächlich umzusetzen.

  • Flexible Arbeitszeiten stellen auf dem Papier eine Erleichterung dar - aber nicht unbedingt in der Praxis. Durch die Digitalisierung erfreuen sich beispielsweise Arbeitsmodelle wie das Homeoffice steigender Beliebtheit, jedoch sind es gerade diese "Remote Worker", welche sich häufiger in ihrem seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen. Dabei liegt es vor allem an den Mitarbeitern, im Homeoffice für gesunde Arbeitsbedingungen und einen schonenden Einsatz ihrer Ressourcen zu sorgen. Beispielsweise verleitet das Homeoffice dazu, trotz angeschlagenem Gesundheitszustand zu arbeiten, anstatt sich auszuruhen, oder in schlechter Haltung auf dem Sofa zu arbeiten, anstatt an einem ergonomischen Arbeitsplatz.

  • Letzteren hat im Büro hingegen der Arbeitgeber sicherzustellen. Denn digitales Arbeiten bedeutet in den meisten Fällen das mehrstündige Arbeiten im Sitzen sowie vor einem Bildschirm. Das bringt einerseits Gefahren für den Rücken mit sich, weshalb Maßnahmen wie entsprechende Sportangebote in den Pausen oder nach Feierabend, technische Lösungen für die Möglichkeit zum Wechsel zwischen dem Arbeiten im Sitzen, Stehen oder beispielsweise auf einem Gymnastikball sowie kostenfreie Aufklärungsangebote zum Thema gesunder Rücken für die Mitarbeiter wichtig sind - um nur einige von vielen möglichen Beispiele zu nennen.
    Bild: stock.adobe.com © Prostock-studio
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  • Andererseits bedeutet die Bildschirmarbeit ein Risiko für die Augen. Immer mehr Büroarbeitskräfte leiden unter juckenden, brennenden oder geröteten Augen, was schlichtweg aus einer Überanstrengung resultiert und als "Office-Eye-Syndrom" bezeichnet wird. Die richtige Entfernung zum Bildschirm und die Möglichkeit, dessen Helligkeit einzustellen, liegen in der Verantwortung des Arbeitgebers. Arbeitnehmer sollten hingegen gezielte Übungen machen, um ihre Augen zu schonen. Auch regelmäßige Pausen und eine gute Beleuchtung sind wichtige Grundvoraussetzungen. Weiterhin obliegt es den Mitarbeitern, regelmäßig einen Augenarzt aufzusuchen und die Notwendigkeit einer Brille abzuklären. Alternativ haben sie seit dem Jahr 2008 Anspruch auf einen regelmäßigen Sehtest. Diese Möglichkeit muss vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Besteht eine Fehlsichtigkeit, haben die Mitarbeiter zudem Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsplatzbrille, welche ebenfalls vom Arbeitgeber gestellt werden muss. Schlussendlich muss der Mitarbeiter diese Brille dann aber natürlich auch tragen. Deshalb darf er sich seine Brille sogar selbst aussuchen, umein modisches Modell gemäß des eigenen Geschmacks zu finden, welches er anschließend auch gerne und zuverlässig trägt. Allerdings ist dafür eine entsprechende Verordnung durch den Arzt sowie eine Bewilligung durch den Arbeitgeber zwingende Voraussetzung. 

Fazit

Die Beispiele machen bereits deutlich, dass die Gesundheitsprävention eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, bei welcher sich weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer aus der Verantwortung ziehen können. Stattdessen gilt es, gesetzlich vorgeschriebene sowie eventuelle freiwillige Maßnahmen zu implementieren und dabei gemeinschaftlich zu klären, welche Pflichten die Beteiligten innehaben. Keine Maßnahme auf Seiten der Arbeitgeber und Führungskräfte kann schließlich Früchte tragen, wenn der Arbeitnehmer diese nicht auch aktiv nutzt und seinen Anteil leistet. Vor allem im Zuge der zunehmenden Entkopplung von Arbeit und Arbeitsplatz, liegt die Verantwortung also zunehmend auch bei den Mitarbeitern selbst. Das gilt beispielsweise bei der Arbeit im Homeoffice oder in einer offen gestalteten Bürolandschaft, welche viele Möglichkeiten zur Gesundheitsprävention bietet - die aber natürlich auch entsprechend genutzt werden müssen.

Dennoch ist es in erster Linie der Arbeitgeber, der für ein Bewusstsein um die Möglichkeiten und Notwendigkeit bei den Beschäftigten sorgen sollte, wenn es um das Thema der Gesundheitsprävention geht. Das kann im Rahmen eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements stattfinden, sozusagen dem "BGM 4.0". Angesichts der Digitalisierung gilt es also, auch solche Lösungen neu zu denken und einen Blick auf die modernen Herausforderungen zu werfen, die der digitale Arbeitsplatz mit sich bringt - sowie eine eindeutige Rollenklärung zwischen Arbeitgeber und Angestellten vorzunehmen. 

 

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