#1Blick vom Beratungsforscher Disruption, Digitalisierung & Demografie: Herausforderungen für die Branche... und zwei Profiteure

Die „Disruption“ ist das Lebenselixier für Beratungen: Mit ihr im Schlepptau akquirieren sie bei Kunden neue Projekte. Auch für die Consulting-Branche wurde sie angekündigt; sie hat sich aber noch nicht blicken lassen. Langsam, aber sicher kommen dafür Veränderungen aus den zwei Bereichen Digitalisierung und Demografie näher. Einigen Beratern sollte dies Kopfzerbrechen bereiten, andere dürfen sich darüber freuen. Wer in welche Gruppe fällt und warum, das betrachtet dieser #1Blick.

Roboter Cairo (Bild: picture alliance / HMB Media/ Julien Becker | Julien Becker)

Digitalisierung ist eine der Entwicklungen, die die Consulting-Branche aufmischt. Welche Rolle wird hierbei Künstliche Intelligenz eines Tages spielen? Erste Aufgaben übernimmt sie bereits. (Bild: picture alliance / HMB Media/ Julien Becker | Julien Becker)

Disruption  

Seit vielen Jahren beschäftigen sich Consultants mit großen Veränderungen, Umwälzungen und Diskontinuitäten (im Denglischen wird dies dann als Disruption bezeichnet). Typischerweise berichten sie ihren Kundinnen und Kunden davon und erzählen ihnen, was diese voraussichtlich erwartet, wie sie damit umgehen können und wie Consultants hier helfen möchten. 

Seit ungefähr zehn Jahren ist die Disruption auch in der Consulting-Branche selbst angekommen – zumindest auf dem Papier. Mit dem Harvard Business Review-Text „Consulting on the Cusp of Disruption“ haben der verstorbene Clayton Christensen und seine Mitstreiter Veränderungen in der Beratung vorausgesehen. Geschrieben wurde der Text in einer Zeit, in der Uber, Airbnb, Spotify, Industrie 4.0 etc. als Vorbild dienten und alle möglichen Geschäftsmodelle zerstört oder zumindest stark verändert wurden – warum nicht also auch das der Beratung? 

In den Jahren danach gab es dazu auch viele Ideen, oft unter der Überschrift „Consulting 4.0“ – allerdings scheint so viel dann doch nicht geschehen zu sein: Neue disruptive Wettbewerber sind nicht im großen Stil erschienen, Vermittlungsplattformen sind gekommen und jetzt in erster Linie einfach „da“ und die Kunden engagieren immer noch gerne die großen Platzhirsche. 

Slow pace of fast change: Digitalisierung … 

Mit kleinen Schritten kommen aber jetzt zwei mächtige Entwicklungen auf die Branche zu: Die Digitalisierung und der demografische Wandel. Beide Themen sind nicht neu, beide machen sich aber vorsichtig bemerkbar. Zunächst zur Digitalisierung: Eine große Automatisierungswelle hat es im Consulting nicht gegeben und virtuelle Beratungen mögen auf Prototypen- und Piloten-Niveau existieren, sind aber nicht in der breiten Masse angekommen. Schleichend verbreitet haben sich aber diverse Helfer: Zunächst sind einfach nur die Folien-Vorlagen, die jede Beraterin ihr und jeder Berater sein eigen nennt, professioneller und methodisch kompakter verpackt und angeboten worden (zum Beispiel der Consulting-Methodenkoffer von consulting-life.de), dann gibt es diverse Apps, Add-Ins und Solutions, die in Präsentationssoftware eingebunden die tägliche Arbeit effizienter machen (zum Beispiel Think-Cell oder Efficient Elements), interaktive Web-Lösungen stellen methodische Hilfe bereit (zum Beispiel ConWise) und unterstützen bei der Arbeit mit Kunden und schließlich übernimmt Künstliche Intelligenz die typischen Arbeiten von Junior Consultants – erst die eher repetitiven wie Formatierungen und jetzt auch die unspezifischen, fast kreativen (zum Beispiel AskBrian, hier mit einem Anwendungsbericht). 

… und Demografie 

Der demografische Wandel ist bei weitem weder etwas Neues noch etwas Unvorhergesehenes. So kann heute schon ziemlich genau prognostiziert werden, dass im Jahr 2030 auf jeden Berufseinsteiger zwei Neu-Rentner kommen. In Kombination mit einem steigenden Bedarf an jungen Beraterinnen und Beratern auf Grund des notwendigen Personalwachstums bei den größeren Beratungen sowie dem Up-or-Out-Modell kommt hier eine große personelle Herausforderung auf die Beratungen zu

Sehr elegant wäre es jetzt, wenn der artikulierte Bedarf an Junior Consultants durch die aufkommenden Möglichkeiten der Digitalisierung gedeckt werden könnte. Technisch ist dies sogar ein sehr plausibles Szenario – nur leider gibt die Geschäfts- und Finanzlogik der großen Beratungshäuser dies nicht her. Die brauchen nämlich ihre jungen Consultants: Diese erwirtschaften einen positiven Deckungsbeitrag, der dann von den älteren Consultants aufgebraucht wird. Für die auf Wachstum ausgerichteten Beratungen baut sich hier somit eine doppelte Herausforderung auf. 

Mögliche Profiteure: Inhouse Consulting und kleine Beratungen 

Profitieren könnten von diesen beiden Entwicklungen hingegen zwei Gruppen von Beratungen, die sonst meist lediglich in der zweiten Reihe der Aufmerksamkeit stehen: Inhouse Consulting und Einzel- bzw. Kleinstberatungen. Bei beiden schlägt die demografische Herausforderung in der gerade beschriebenen Form nicht zu, da sie bereits bisher sehr selektiv am Arbeitsmarkt aktiv waren bzw. ihre strukturellen Besonderheiten im Recruiting herausgestellt haben. Ohne diese Altlasten und demografische Geschäftsmodell-Beschränkungen können sie sich dann auch ganz ungeniert bei den kleinen und großen digitalen Helfern bedienen, sich fokussieren und ihre Beratungsleistung verbessern.

Über Thomas Deelmann

Thomas Deelmann
Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung und berät bei strategischen Fragen. Als Buch erschien von ihm zuletzt „Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium“ (2021, Erich Schmidt Verlag, 49,95 Euro). 

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