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- "Beim Thema Gender und ethnische Herkunft hat die gesamte Branche noch Entwicklungsbedarf"
Fabian Dömer, Arthur D. Little "Beim Thema Gender und ethnische Herkunft hat die gesamte Branche noch Entwicklungsbedarf"

Warum liegt Ihnen das Thema Diversity am Herzen?
Fabian Dömer: Wir glauben, dass das Thema von zentraler Bedeutung für den Markt, aber auch für uns ist. Diversity steigert unsere Leistungsfähigkeit, führt zu höherer Akzeptanz auf Kunden- und Mitarbeiter*innen-Seite – und ist schlicht ein Gebot der Fairness. Diversity ist Teil unserer Strategie und Teil unserer Kultur. Wir geben aber offen zu, dass wir hier unsere Ziele aktuell nicht erreichen. Es macht uns stark, ist aber auch ein zentraler Entwicklungspunkt.
Diversity ist ja auch ein Kofferbegriff: Jeder packt was anderes rein. Wie definieren Sie Diversity?
Fabian Dömer: Wir sehen vier Aspekte: Zunächst der Klassiker, die Genderdiversity. Zweitens weitere Aspekte des Lebens wie z.B. ethnische Herkunft und Weltanschauung. Drittens der Erfahrungs- und Ausbildungshintergrund. Und schließlich eine Besonderheit von Arthur D. Little, die uns besonders wichtig ist: Die Opinion-Diversity, eine besonders große Vielfalt an Ideen und Meinungen.
Wir finden besonders gute Lösungen für unsere Kunden, wenn wir ein möglichst großes Ideenspektrum einbeziehen. Wir ermuntern unsere Mitarbeitenden, kreativ zu sein und gedankliche Räume zu öffnen. Dies geht nach unseren bisherigen Erfahrungen noch besser mit einer hohen Diversity-Quote.
Auf mich wirkt Arthur D. Little Deutschland überhaupt nicht wie ein Unternehmen, dem Diversity wichtig erscheint, zumindest nicht in der Vergangenheit. Sie haben ja z.B. kaum Frauen in der Führungsmannschaft. Warum ist Ihnen das jetzt wichtig geworden?
Fabian Dömer: Beim Thema Gender und ethnische Herkunft hat die gesamte Branche noch Entwicklungsbedarf. Es fehlt allerdings in der gesamten Consulting-Industrie nicht mehr an Zielen oder Willen. Eine umsetzbare Quote wäre äußerst wünschenswert, daher müssen alle noch mehr tun, um beispielsweise Frauen für die Beratung zu begeistern. Bei Arthur D. Little haben wir aktuell zwei Partnerinnen im deutschsprachigen Raum, bei insgesamt 14 Partnern. Auf der Ebene der Neueinsteiger haben wir bereits eine Quote von nahezu 50 Prozent.
In den Bereichen Erfahrungs -und Ausbildungshintergrund sowie Opionion-Diversity würde ich uns schon jetzt als exzellent einschätzen. Die hohe Quote von deutschsprachigen Berater*innen in Deutschland ist auf die nach wie vor großen Anforderungen an ein deutschsprachiges Team zurückzuführen.
Ihre Quote bei den höheren Karrierestufen liegt noch unter dem Vergleichswert. Damit sind sie nicht allein, aber sie haben das Thema jetzt auf die Agenda gehoben. Warum hat es bisher nicht funktioniert, und was werden Sie jetzt anders machen?
Fabian Dömer: Es gibt eine Fülle von Aspekten, die die Zielerreichung für uns erschweren. Dies möchte ich am Beispiel Gender-Diversity erläutern. Zunächst einmal ist die Unternehmensberatung ein Bereich, der immer noch von vielen Vorurteilen geprägt ist, auch in Bezug auf weibliche Berater und ihre Arbeitsbedingungen. Das sind Mythen, aber sie halten sich hartnäckig. Immerhin schaffen wir es nun, zumindest bei den Einsteiger*innen, eine ausgewogene Quote zu erreichen. Die nächste Herausforderung ist die für unsere Branche die hohe Fluktuation. Diese ist teilweise als Ergebnis des permanenten Performanz-Managements gewünscht. Zudem ist Beratung eine ungewöhnlich abwechslungsreiche Tätigkeit mit permanent neuen Herausforderungen – es ist ganz normal, dass dies nicht dauerhaft dem Lebensmodell aller Mitarbeiter*innen entsprechen muss. Einige wünschen sich nach ein paar Jahren ein Berufsleben mit einer geregelten Linienaufgabe oder einem stärkeren Standardablauf im Tagesgeschäft. Das ist völlig legitim. Schließlich betreiben wir ein Projektgeschäft und legen Wert auf Vor-Ort-Präsenz beim Kunden. Deutschland ist ein Flächenland ohne eine dominante lokale Geschäftskonzentration (anders als z.B. in Frankreich oder Österreich), so dass die Projektteams breit gestreut werden müssen. Dies macht eine Heimschläfer-Garantie schwierig und kann damit eine Belastung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein. Die genannten Hindernisse sind selbstverständlich geschlechtsneutral. Gleichwohl stellen wir fest, dass sie besonders von Frauen sehr oft angeführt werden.
Was tun Sie dagegen?
Fabian Dömer: Ähnlich wie andere Beratungen auch haben wir seit vielen Jahren gezielte Programme zum Anwerben von Frauen aufgesetzt. Wir ergänzen dies nun um ein spezielles Mentoring Programm für Frauen und einen Female-Club. Weiterhin führen wir neue Arbeitsmodelle mit mehr Möglichkeiten zur Arbeit im Home-Office ein. Ein positiver Aspekt der ansonsten verheerenden Corona-Pandemie ist, dass sie gezeigt hat, dass digitales Arbeiten in unserem Geschäft sehr gut funktioniert. Wir arbeiten nun vorranging mit Headhuntern zusammen, die sich auf weibliche Profile spezialisiert haben.
Schließlich stellen wir auch unsere Management-Entscheidungen auf den Prüfstand. Zwar sind nach meiner vollen Überzeugung unsere Beförderungsentscheidungen der letzten Jahre stets unabhängig von Diversity-Aspekten getroffen worden, aber als ein „weißer Mann“ möchte ich selbst jegliche Form von „unconscious bias“ ausschließen. Daher werden wir hier nun gezielt geschult.
Wir haben das klare Ziel bis 2030, dass wir auf allen Ebenen 50 Prozent Frauenanteil haben möchten, auch bei den Partnern.
Sie haben das Thema Home-Office angesprochen. Mein Eindruck ist, dass aber Berater trotz Pandemie immer noch vergleichsweise viel unterwegs waren, ganz nach dem Motto: Wenn der Kunde will, dass wir kommen, dann kommen wir. Wäre es nicht ein Modell, da rigoroser zu sein, um Frauen - aber auch Männern - ein normales Familienleben zu ermöglichen?
Fabian Dömer: Unsere Erfahrungen sind, dass das Konzept des Home-Office in der Pandemie in unserer Branche sein Gütesiegel erhalten hat. Wir haben während des Lockdowns keineswegs unsere Berater noch zum Kunden geschickt, sondern wir waren konsequent zuhause. Das mag bei einigen Kunden auch Erziehungsarbeit gewesen sein, aber letztlich war die Kundenakzeptanz tadellos.
Bislang waren die Kunden ebenfalls im Home-Office. Das wird sich wieder ändern.
Fabian Dömer: Wir werden da sicher eine Mischung erleben. Wir haben den Eindruck, auch bei unseren Kunden, dass es auf ein hybrides Format hinausläuft. Meilensteine in Projekten, wie z.B. Workshops oder Präsentationen, finden gemeinsam vor Ort statt. Aber es gibt in Projekten eben auch viel Stillarbeit, die man problemlos auch remote erledigen kann.
Bei Workshops kommt es auf die Situation an. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass digitale Workshops teilweise sogar besser funktionieren. Die Partizipation kann besser sein, weil jeder gleichzeitig etwas auf dem Bildschirm beisteuern kann. Effekte der Dominanz einzelner Personen, wie sie bei Workshops vor Ort häufig stattfinden, sind in der digitalen Welt leichter zu steuern.
Beratung hat ja einen inhaltlichen Teil und einen diplomatischen Teil. Beim diplomatischen Teil geht es darum, den Kunden zu überzeugen und mitzunehmen. Für diesen Teil ist der Aufbau von Vertrauen notwendig. Und dieser Teil kann leichter stattfinden, wenn man persönlich interagiert.
Ich bin dennoch überzeugt, dass die Berater zukünftig zu 50 Prozent im Home-Office arbeiten werden. Bei einigen Mitarbeiter*innen wird es auch möglich sein, dass sie vollständig im Home-Office bleiben können.
Wir bauen diesen Ansatz jetzt von vornherein in unsere Angebote so ein. Wenn man dem Kunden die Notwendigkeit vor dem Diversity-Hintergrund erklärt, treffen wir eigentlich auf Verständnis, da sie ja selbst das Thema haben. Und die Kunden haben Interesse an einem diversen Team. Ein hoher Frauenanteil im Projektteam wird vom Kunden begrüßt.
Kommen wir noch mal zum Thema ethnische Diversität. Sie haben vorhin den Satz gesagt „Deutsche Unternehmen bevorzugen deutschsprachige Beratende“. Auf mich wirkt der Beratermarkt deutscher als unsere Gesellschaft vielleicht insgesamt ist.
Fabian Dömer: Die Geschäftssprache vieler Unternehmen ist längst Englisch, und selbstverständlich ist Englisch bei uns die Standardsprache. Das ist auch in Deutschland so. Typischerweise sind unsere Teams international gemischt. Dennoch gibt es auch noch einen signifikanten Teil an Unternehmen, bei denen die effektive interne verbale Kommunikation in Deutsch stattfindet. Daher ist es ein Vorteil, wenn ein Großteil unsere Berater*innen in Deutschland der deutschen Sprache mächtig sind.
Hat das mit Ihrem Branchenfokus zu tun?
Fabian Dömer: Nein, das ist durchgängig. Im Bereich Lifescience und Healthcare ist das relativ entspannt, aber im Bereich Banken und Versicherungen, sowohl bei den großen als auch den mittelgroßen, wird das Deutsche verlangt. Auch bei Tourismus & Reise, oder in der Energiewirtschaft und in der Automobilwirtschaft, sind die Projekte häufig noch deutschsprachig geprägt. Das ist weniger international, als man es erwarten würde, liegt aber auch daran, dass es Projekte für den deutschen Markt sind.
Eine andere Frage zum Abschluss: Wie sind sie durch die Pandemie gekommen, wie ist das Jahr angelaufen?
Fabian Dömer: Wir sind gut durch die Pandemie gekommen, auch wenn die Branchen, in denen wir arbeiten, hart von der Pandemie betroffen sind. Wir machen viel Automobilgeschäft, Reise & Touristik – diese Branchen sind eingebrochen. Dafür boomen andere Segmente wie z.B. Medizintechnik oder Konsumgüter sowie funktional die Digitalisierung und die Supply Chain Optimierung. Da wir hier gut aufgestellt sind, konnten wir im vergangenen Jahr in Deutschland sogar um 5 Prozent wachsen.
Seit dem vierten Quartal 2020 erleben wir einen Boom. Wir liegen im Moment bei plus 30 Prozent im Umsatz. Die größte Herausforderung ist die entsprechenden Kapazitäten bereitzustellen.
Über den Interviewten:

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