Kolumne von Prof. Dirk Lippold Eigentumsfrage für Beratungsunternehmen: Partnerschaftsmodell versus Investorenmodell

Welches Eigentümermodell für Beratungsunternehmen ist das vorteilhafteste? Dieser Frage geht Prof. Lippold in seiner aktuellen Kolumne nach und beleuchtet dabei unter anderem die Rolle von Eigentümergruppen, verschiedenen Interessenslagen und häufig auftretenden Kostenarten.

Fusionen sind in der Beratungsbranche besonders beliebt. Welches Modell am sinnvollsten ist, diskutiert Prof. Dirk Lippold in seiner Kolumne. (Bild: picture alliance / Zoonar | Vichaya Kiatying-Angsulee)

In meiner Kolumne über die Risiken von Fusionen im Prüfungs- und Beratungsbereich habe ich festgestellt, dass in kaum einer Branche so häufig fusioniert wird, wie im Beratungsgeschäft. Solche Merger und Demerger führen zu tiefgreifenden Veränderungen auch aufgrund des Wechsels der Eigentumsform. Daher ist eine Analyse der Eigentumsfrage von ganz besonderer Bedeutung für die zukünftige Entwicklung im Falle einer neuen Unternehmenskonstellation.

Letztlich sind es – unabhängig von der jeweiligen Rechtsform – zwei große, homogene Eigentumsgruppen von Beratungsgesellschaften, die im Folgenden näher beschrieben werden:

  • Gründer und Mitarbeiter als Eigentümer:  Partnerschaftsmodell
  • Unternehmensexterne Kapitalgeber als Eigentümer: Investorenmodell

Fragt man nun danach, welches Modell in welcher Situation dem anderen überlegen ist, so ist es sicherlich sinnvoll, die optimale Allokation der Eigentumsrechte unter Effizienzgesichtspunkten zu bewerten. Dazu ist es erforderlich, die unterschiedlichen Kostensituationen zu untersuchen.

Zwei Kostenarten bestimmen die Effizienz der Modelle

In der Beziehung zwischen dem Beratungsunternehmen und den beiden Eigentümergruppen treten prinzipiell zwei Kostenarten auf: Transaktionskosten und Governance-Kosten. Transaktionskosten entstehen bei Tauschprozessen zwischen dem Unternehmen und seinen Eigentümern, zum Beispiel bei der Beschaffung von Kapital. Governance-Kosten entstehen den Eigentümern durch die Kontrolle beziehungsweise Über­wachung des Managements, durch die Erzielung kollektiver Entscheidungen (z. B. über die Gewinnverwendung) und durch die Übernahme von Eigentümerrisiken. Als optimale Allokation von Eigentumsrechten wird allgemein diejenige angesehen, die die Summe aller Transaktions- und Governance-Kosten über alle Gruppen von Vertragsparteien (also Unternehmensberatung einerseits und Eigentümer andererseits) hinweg minimiert [vgl. Richter/Schrö­der 2007, S. 164 f. unter Bezugnahme auf Hansmann 1996].

Rolle des Partners ist die höchste Stufe im Consulting

Beim Partnerschaftsmodell geht es um Unternehmen, die sich im Eigentum der Gründer und/oder der leitenden Angestellten (Partner) befinden. Diese Partner verfügen einerseits über den Gewinn der Gesellschaft, andererseits legen sie die Corporate Governance fest. Die Partnerschaft bietet den Partnern höhere Leistungsanreize, gegenseitiger Kontrolle sowie der unmittelbaren Beteiligung an den unternehmerischen Chancen und Risiken. Das Partnerschaftsmodell (engl. Professional Partnership Model)) ist dann besonders geeignet, wenn wenig Anlagekapital benötigt wird. Dies ist zumeist bei der Strategie- oder Managementberatung der Fall.

Die Rolle des Partners beziehungsweise Partnerin ist die höchste Karrierestufe im Consulting. Das Partner-Level zu erklimmen ist für viele ambitionierte Berater mindestens genauso attraktiv wie der Sprung auf die Industrieseite, wo häufig eine Position im Management wartet.

Gleiche Interessensrichtung zwischen Unternehmen und Partnern

Durch die Übertragung der Eigentumsrechte an diese ausgewählten Beratenden kann eine gleiche Interessensrichtung zwischen Unternehmensberatung und Partner hergestellt und die Transaktionskosten dadurch reduziert werden, dass Kosten für externe Kapitalgeber gespart werden können.

Partner haben geringere Anreize, sich opportunistisch zu verhalten, da sie sich dadurch letztlich nur selbst schaden können. Allerdings bekommt nur ein geringer Teil der Mitarbeitenden in den Genuss einer solchen Partnerschaft. Für jüngere Mitarbeitende (Junior-Positionen) dient die Aussicht auf Aufnahme in die Partnerschaft zugleich als Anreiz, so dass sich auch hier die Tendenzen zu opportunistischem Verhalten reduzieren. Durch diese vergleichsweise eingeschränkte Zuteilung der Eigentumsrechte werden die Transaktionskosten, die sich aus der Informationsasym­metrie und dem opportunistischen Verhalten ergeben, allerdings nicht vollständig reduziert [vgl. Richter/Schrö­der 2007, S. 171 ff.]. 

„Schaulaufen“ der Principles

Besonders interessant ist die Zielgruppe der Anwärter auf eine Partnerschaft. Dies sind – je nach individueller Unternehmensbezeichnung – Principles oder Senior Manager. Auf dieser Ebene gibt es regelmäßig ein „Schaulaufen“, um bei möglichst vielen Partnern ein positives Bild von sich zu hinterlassen.

Besonders schwer haben es Senior-Beratende, die von außen kommen und sich kulturell noch nicht akklimatisiert haben. Hier kommt regelmäßig das natürliche Immunsystem zum Tragen.

Für eine ausführliche Beschreibung der Rahmenbedingungen mit Blick auf das Verhältnis zwischen Partnern und Nicht-Partnern verweise ich auf den Beitrag „Partnerschaft im Consulting“.

Neueinstellungen auf Partner-Ebene sind selten

Kommen wir zu den Governance-Kosten, die bei einer Partnerschaft durch die spezifische Allokation von Eigentumsrechten an eine ausgewählte Gruppe anfallen. Diese Governance-Kosten entstehen zum einen durch die relativ hohe Fluktuation der Mitarbeiter auf den unteren Hierarchiestufen. So ist eine Fluktuationsrate (engl. Attritionrate) von mehr als 20 Prozent auf diesen Levels keine Seltenheit. Würde man diesen Junior-Beratern ebenfalls Eigentumsrechte zuteilen, so wäre der administrative Aufwand dafür bei weitem zu hoch. Zum anderen besitzen jüngere Mitarbeitende in der Regel nicht ausreichend viel ungebundenes Kapital, das ihnen erlauben würde, auch die Risiken einer solchen Partnerschaft zu tragen.

Generell lässt sich feststellen, dass ein partnerschaftliches Governance-Modell einerseits zu einer erhöhten Heterogenität zwischen Junior- Beratern und Partnern und andererseits zu einer erhöhten Homogenität der Partner untereinander führt.

Die Homogenität der Partnerschaft ist auch darauf zurückzuführen, dass Partner im Laufe ihrer Karriere einen internen Sozialisierungsprozess durchlaufen, der zu einer zunehmenden Internationalisierung der Werte und Kulturmerkmale der Unternehmensberatung führt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Neueinstellung von Mitarbeitern auf Partner-Level eben vergleichsweise selten ist.

Hoher Kapitalbedarf bei IT-Beratungsgesellschaften

Das Investorenmodell ist besonders beliebt bei IT-Beratungsgesellschaften, die hohe Investitionen in Hard- und Software sowie in die Rauminfrastruktur tätigen müssen. Um den relativ hohen Kapitalbedarf dieser IT-orientierten Beratungsunternehmen zu decken, werden zumeist externe Kapitalgeber gesucht und die Unternehmen als Kapitalgesellschaft organisiert. Bei solchen Gesellschaften sind Eigentum und Führung ganz oder teilweise getrennt, das heißt, die Führung liegt bei angestellten Managern ohne nennenswerte Kapitalanteile. Daher wird diese Organisationsform in der angelsächsischen Literatur als Managed Professional Business bezeichnet. Beim Investorenmodell werden die meisten CXOs übrigens nicht als Partner, sondern als Vice Presidents bezeichnet.

Unterschiedliche Eigentümergruppen

In der Gruppe der Investoren sind sämtliche externen Kapitalgeber als Eigentümer zusammengefasst. Hierunter zählen nicht nur reine Kapitalinvestoren, sondern auch Stakeholder in Form von Kunden oder Lieferanten. Besonders die Variante, dass eine Unternehmensberatung einem Kunden oder einem spezifischen Interessenvertreter gehört, ist in der Praxis häufig zu beobachten. Folgende Eigentümergruppen lassen sich identifizieren:

  • Finanzdienstleister, die ihre Firmenkunden über finanzwirtschaftlichen Fragen hinaus beraten wollen (historische Beispiele: Deutsche Bank mit der DGM – Deutschen Gesellschaft für Mittelstandsberatung, Roland Berger & Partner; IKB Consult; Gerling Consulting Gruppe)
  • Großunternehmen, die ihre internen Servicebereiche ausgliedern oder die bestimmte Dienstleistungen (z.B. als Inhouse Consulting) bevorzugt von einer Tochtergesellschaft einkaufen (Beispiele: Lufthansa Systems; BASF IT Services; Bayer Business Services; Porsche Consulting; historische Beispiele: Bremer Vulkan mit VSS – Vulkan Software Services; ThyssenKrupp mit Triaton)
  • Internationale IT-Anbieter, die angelockt von hohen Wachstumsraten immer stärker in den Dienstleistungsbereich drängen (Beispiele: IBM Global Business Services mit der Übernahme von PricewaterhouseCoopers Consulting; HP mit der Übernahme von EDS und Triaton)
  • Internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big-Four-Gesellschaften), die aus ihren gesättigten Märkten heraus nach Diversifikationsmöglichkeiten suchen und – nachdem sie sich in einer ersten Welle (nach dem Enron-Skandal) von ihren profitablen Beratungsgesellschaften getrennt hatten - wieder eigene Consulting-Einheiten aufgebaut und ihren Audit- und Tax-Bereichen angegliedert haben; allerdings lässt sich inzwischen auch eine gegenläufige Tendenz, d.h. zur Ausgliederung der Beratung, feststellen.
  • Verbände, die ihren Mitgliedern über ausgegliederte Tochtergesellschaften Beratungsleistungen (Branchenstudien, Betriebsvergleiche, Außenwirtschaftsberatung etc.) anbieten (Beispiel: BBE Handelsberatung).

In allen genannten Fällen ist das Management des Beratungsunternehmens nicht identisch mit den Eigentümern. Das bedeutet, dass externe Eigentümer vor dem Problem der Bewertung des Geschäftsverlaufs und der Kontrolle des Managements stehen. Dies liegt vor allem an der Informationsasymmetrie zwischen dem Management der Unternehmensberatung und den externen Kapitalgebern.

Gegenläufige Effekte bei der Übertragung von Eigentumsrechten

Bei der Übertragung der Eigentumsrechte entstehen gegenläufige Effekte. Normalerweise entwickelt eine Beratungsfirma keinen erhöhten Kapitalbedarf. Es benötigt Humankapital und nur in relativ geringem Umfang IT-Systeme, Logistik (Fuhrpark) und Rauminfrastruktur – es sei denn, das Beratungsunternehmen verfolgt nicht das „klassische Beratungsmodell“, sondern es weitet sein Angebot auf infrastrukturintensivere Dienstleistungen wie Outsourcing oder auf kapitalintensivere internationale Märkte aus.

Ist der externe Kapitalgeber ein Kunde der Unternehmensberatung, so werden die Transaktionskosten zunächst signifikant reduziert, da innerhalb ein- und desselben Unternehmens(verbundes) die Gefahr des opportunistischen Verhaltens begrenzt wird. Andererseits nehmen die Transaktionskosten in der Beziehung zwischen dem Beratungsunternehmen und anderen, potenziellen Kunden, die nicht Eigentümer sind, zu und erreichen teilweise prohibitive Ausmaße. Das liegt daran, dass potenzielle Kunden häufig nicht bereit sind, mit einer dem Wettbewerber gehörenden Unternehmensberatung zusammenzuarbeiten [vgl. Richter/Schrö­der 2007, S. 165 ff.]. 

Fazit: Die Eigentümerform der Partnerschaft ist dem Investorenmodell nur dann überlegen, wenn sie an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Zu diesen Bedingungen zählen ein moderater Kapitalbedarf sowie eine weitgehend homogene Interessenlage zwischen Partnern und Beratern.

Vertiefende Lektüre und Literaturhinweise:

D. Lippold: Die Unternehmensberatung. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung. 4. Aufl., Berlin-Boston 2022
A. Richter/K. Schröder: Organisation von Managementberatungen als Partnerschaften, in: V. Nissen (Hrsg.): Consulting Research. Unternehmensberatung aus wissenschaftlicher Perspektive, Wiesbaden 2007, S. 161-177

 

 

Über die Person

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Dozent an verschiedenen Hochschulen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er viele Jahre in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung. Auf seinem Blog www.dialog-lippold.de schreibt er über aktuelle betriebswirtschaftliche Themen.

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