Aus der Praxis für die Praxis - Dahm & Wielki Ein Auftrag um jeden Preis kann teuer sein

Ob der Erfinder von Excel, Charles Simonyi, das akribische Ausfüllen seitenlanger Tabellen im Sinn hatte, als er die Software entwickelte, ist nicht überliefert. Ein vernünftiges Gesamtbild ergeben sie in den seltensten Fällen, finden Prof. Markus Dahm und Tobias Wielki. Auch wenn sich Einkäufer über günstige Preise freuen, sind Deals auf der Basis von fleißig ausgefüllten Spreadsheets mittelfristig für keine Partei lohnenswert. Um nachhaltig zu sein, muss sich das Geschäft sowohl für Auftragnehmer wie Auftraggeber rechnen. Die Autoren schreiben in ihrer ersten Kolumne über ihre Erfahrungen mit Einkaufsprozessen aus der Praxis für die Praxis.

Erfinder von Excel, Charles Simonyi, mit seiner Frau (Bild: picture-alliance/ dpa | epa MTI Lajos Soos)

Der Erfinder von Excel, Charles Simonyi, hier mit seiner Frau Lisa Persdotter, wurde auch durch seine Weltraumflüge bekannt. Das akribische Ausfüllen seitenlanger Tabellen dürfte er bei der Entwicklung von Excel nicht im Sinn gehabt haben. (Bild: picture-alliance/ dpa | epa MTI Lajos Soos)

«Welchen Nutzen stifte ich, welchen Wert hat das und mit wem möchte ich eigentlich zusammenarbeiten?» 

Wenn ein (IT-)Beratungsunternehmen eine Dienstleistung oder ergänzend auch ein Produkt wie zum Beispiel Software anbietet, die einen echten Nutzen für Kunden stiften, dann kann und muss man seinen Kunden auf Augenhöhe begegnen. In solchen meist langfristigen Kundenbeziehungen sollte man sich weniger auf Kunden-Lieferantenebene, sondern vielmehr auf Partnerebene begegnen. 

Das Geschäft muss sich für beide Seiten lohnen, um nachhaltig zu sein 

Viel zu oft erlebt man allerdings Dienstleister, die sich nahezu anbiedern, sich im Preis drücken lassen, zu allem «ja und amen» sagen. Dann hat man zwar irgendwann einen Auftrag, aber ob dieser eine Marge erwirtschaftet, oder langfristig die Qualität und das Überleben des eigenen Beratungsunternehmens sichert, oder für zufriedene Kunden sorgt, halten wir für sehr fraglich.

Denn es werden Versprechungen gemacht, die sich nicht halten lassen, Leistungen angeboten, die man so nicht erbringen kann und Preise vereinbart, die sich für den Auftragnehmer nur schwer rechnen.

Das Geschäft sollte und muss sich für beide Seiten nachhaltig rentieren, das ist die Basis für einen partnerschaftlichen Umgang.  

Seitenlange Excel-Listen ergeben kein sinnvolles Gesamtbild 

Ein weiterer Aspekt zum Thema "auf Augenhöhe": Wir können davon ausgehen, dass alle Beratungshäuser Erfahrungen mit klassischen Ausschreibungen gesammelt haben. Im öffentlichen Sektor ist das gang und gäbe und hat auch eine Daseinsberechtigung. Am Beispiel Vertec, wo Business Software hochindividuell auf Kundenprozesse angepasst und optimiert werden kann, hat Tobias die Erfahrung gemacht, dass Ausschreibungen weder für den Kunden noch für Vertec als Anbieter sinnvoll sind, oder einen nennenswerten Kundennutzen stiften.

Denn Anbieter darüber zu vergleichen, dass jeder die Abbildung und Lösungsansätze zur Optimierung komplexer Prozesse in einer Excel-Tabelle darlegt und dann noch einen Preis angibt, ohne jemals mit dem Kunden im Dialog gewesen zu sein ist für beide Seiten nicht sinnstiftend. Gerade wenn dort Fragen auftauchen, die aus Sicht des Anbieters wenig relevant sind und Fragen fehlen, auf die es bei einer Evaluierung wirklich ankommt. Ein Beispiel einer Frage, die sich nicht sinnvoll von einem Anbieter beantworten lässt, wäre: "Ist Ihre Software leicht zu verstehen?". Kommt häufig genug vor.  

Wer am schönsten die Tabelle ausfüllt, bekommt den Auftrag 

Wie die Praxis bei Ausschreibungen dann häufig aussieht? Meist biedern sich Anbieter an, wohlwissend, dass die Zuständigen für die Auswahl nach einem Punktesystem beurteilen, wer am besten den Bogen ausgefüllt hat und die Inhalte dem Preis gegenüberstellt. Verantwortliche für die Ausschreibung wissen aber nicht, ob sie überhaupt die richtigen Fragen gestellt haben, ob Anbieter die Fragen auch so verstanden haben, noch ob die Beantwortung der Wahrheit entspricht. Meist werden auch Beratungsunternehmen zu Rate gezogen, diese Ausschreibung zu begleiten. Dies kann sicher helfen, um einen Marktüberblick zu gewinnen, also sich unter einer Vielzahl von Anbietern zu orientieren und eine Vorauswahl zu treffen.

Doch spätestens, wenn es darum geht eine Auswahl unter den Teilnehmern auf der Shortlist zu treffen, ist ein Dialog auf Augenhöhe essentiell und der einzige Weg, eine gute Wahl zu treffen. 

Viel Zeit investieren, ohne voranzukommen 

Nur um eins klarzustellen: Das trifft nicht überall zu, denn gerade im öffentlichen Sektor sind Ausschreibungen verpflichtend, man kann das also nicht einfach ablehnen, wenn man dort Geschäfte machen möchte. Wir staunen nur immer wieder, wie viel Aufwand von allen Seiten betrieben wird, der in der Regel nicht im Verhältnis zum Nutzen steht. Beide Seiten investieren viel Zeit in die Erstellung und Beantwortung von Fragen, ohne wesentlich voranzukommen.   

Wesentlich sinnvoller ist es sowohl für Auftraggebende als auch für Auftragnehmende, möglichst früh auf Tuchfühlung zu gehen.

Nur so kann erkannt werden, ob sich beide Seiten im wahrsten Sinne des Wortes verstehen, der Auftragnehmende die nötigen Kenntnisse mitbringt und Lösungsansätze parat hat, die eine Basis für eine Zusammenarbeit bieten.  

Für Auftraggeber ist doch wichtig, einen kompetenten Ansprechpartner zu haben, der die eigene Problemstellung versteht und mit ihm einen Lösungsansatz erarbeiten kann. Zentrale Fragen, die man sich hier stellen sollte, sind zum Beispiel "Hat der Anbieter vergleichbare Referenzen?", "Ist der Anbieter auf das Themengebiet spezialisiert?" oder "Bietet der Anbieter mir die Möglichkeit eines Schnupperworkshops oder eines Vorprojekts, um zu erfahren, ob mir die Arbeitseise auch gefällt?"

Gegenseitiges Kennenlernen mit Exit-Option 

Wenn ein Anbieter seinen Kunden das bieten kann, stößt das häufig auf Interesse. Aber Achtung: Vorprojekte oder Schnupperworkshops in der Beratung können dann riskant werden, wenn man dem Kunden vorab zu viel Input gibt und er dann erstmal allein weitermachen möchte. Dann kann ein Auftrag wieder in weite Ferne rücken. 

Auf Tuchfühlung zu gehen beinhaltet aber auch für Anbieter eine Chance. Denn auf Augenhöhe heißt auch, der Kunde muss zum Anbieter passen. Wenn die Zusammenarbeit bereits am Anfang nicht passt, sollte man den Mut zu haben, weitere Geschäfte mit dem Kunden abzusagen. Denn ein Auftrag um jeden Preis kann auch teuer für den Auftragnehmer werden. 

Die neue CONSULTING.de-Kolumne "Aus der Praxis für die Praxis" möchte den Leserinnen und Lesern praxisnahe Tipps dazu an die Hand geben, wie sich der Vertrieb von erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen optimieren lässt. Denn unsere Kolumnisten Markus H. Dahm und Tobias Wielki wissen: Gerade in der Beratungsbranche fällt es nicht immer leicht, den Kunden den Nutzen hinter den Stunden- und Tagessätzen zu verdeutlichen und somit eine für beide Seiten erfolgversprechende Geschäftsbeziehung zu etablieren.

Über Markus Dahm

Markus H. Dahm, MBA ist Berater für Digitale Transformation und Change Management. Ferner lehrt und forscht er als Honorarprofessor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in den Themenfeldern Digital Management, Business Consulting und agile Organisationsgestaltung. Er publiziert regelmäßig zu aktuellen Management- und Leadership-Fragestellungen in wissenschaftlichen Fachmagazinen, Blogs und Online Magazinen sowie der Wirtschaftspresse. Zudem ist Markus Dahm Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. 

Über Tobias Wielki

Tobias Wielki, M.A. international Business Administration, ist Geschäftsführer Deutschland der Vertec Gruppe, ein Software- und Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Zürich. Er blickt auf über 13 Jahre Erfahrungen im direkten und indirekten Vertrieb von erklärungsbedürftiger Software und Beratungsdienstleistungen zurück. Zudem ist er im Rahmen einer Kooperation zwischen Vertec und der FOM Hochschule für Oekonomie & Management seit zwei Jahren als Gastdozent aktiv.

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