Consulting im Style-Check – Kolumne von Wolfram Saathoff Ein cadenabbiablauer Strauß leerer Worte – das neue Design der #Deutschlandpartei

Der kleine Timmy freut sich über die neue Halfpipe (Bild: Haus am Meer)
Aber ›Rhöndorf-Blau‹ wäre wohl auch in einem an Vollstand interessierten ›Lexikon der Farben‹ nicht zu finden. ›Rhöndorf-Blau‹ haben sich die Schlawiner von der CDU ausgehirnt. Es ist ein sehr, sehr gedecktes Blau, das man nach dem Wohnort von Konrad Adenauer und der Rhöndorf-Konferenz von 1949 benannte. Warum? Ist halt so. Wegen Adenauer halt, der war ja auch CDU. Noch Fragen?
Und zu diesem extremgedeckten Blau gesellt sich ein atemfrisches Türkis, das an Zahnarztpraxis anno 1988 erinnert und das man in obenstehender ›Logik‹ nach dem Lieblingsurlaubsort von Adenauer und dem momentanen Konferenzort der CDU-Grundsatzprogrammfindungskommission ›Cadenabbia-Türkis‹ taufte. Ernsthaft!
Das Video der offiziellen Pressekonferenz zum neuen Auftreten der »AfD mit Substanz« (Friedrich ›Brandmauer‹ Merz) fängt schon mal superdynamisch an: ganze drei Minuten und zehn Sekunden sagt uns eine Grafik, dass es gleich losgeht. In der Zeit hätte ich statt zu warten auch ›Florida Lady‹ von Frauenarzt & Manny Marc feat. Alexander Marcus hören können. Sei’s drum. Und dann beginnt »Unser starkes Zeichen. Für die Erneuerung. Für den Zusammenhalt. Für die CDU.« Echt jetzt? Es geht um zwei an Langeweile nur von Hell- und Dunkelgrau zu übertreffende Blautöne, Ihr habt nicht die Lösung für den Welthunger oder die kalte Fusion gefunden! Geht’s vielleicht auch eine Nummer kleiner? Ein Journalist gähnt. Irgendwo fällt ein Sack Reis um. Für die CDU. Für Deutschland. Für die Erneuerung.
Deutschlandflaggen-Gelb und Kauderwelsch-Türkis
Es folgt ein 25-minütiges Bullshit-Bingo mit so klingenden Phrasen, wie ›Nach vorne‹, ›Modernität‹, ›Optimismus‹, ›Dynamik‹ et cetera ad absurdum. Als könne man all diese Eigenschaften einfach in das Design hineinlabern wie in ein Diktiergerät. Das Deutschlandflaggen-Gelb und das Kauderwelsch-Türkis beißen sich auf dem Mikrofon, an dem sich Linnemann festhält wie ein Ertrinkender im Ozean der Worthülsen. »Das ist entscheidend«, sagt er und ich weiß nicht, was er meint, weil ich kurz eingeschlafen war. »Für die Marke, für das Logo, ist hier das Deutschlandbild entscheidend.«
Kraweel, Kraweel, trübtauber Hain am Musenginst!
Jetzt also Röhndorf-Blau und Klipperklapper-Türkis. Der CDU-Schriftzug zukünftig nicht mehr in Rot, sondern ganz dynamisch in der Zukunft zugewandtem Schwarz. Den drei Buchstaben links nebengestellt ist eine Art Rollstuhlrampe in den Deutschlandfarben, die man sich vor lauter Ideenlosigkeit einfach beim BDU gemopst hat. Für Deutschland. Für den Humor. Die verwendete Schriftart ›Inter‹ gehört übrigens zu den zehn populärsten und meistgenutzten Google-Fonts, nur mal so am Rande. Vielleicht nicht schlecht für eine Volkspartei? Vielleicht aber auch dumm, mag das auf manchen auswechselbar wirken? Ach, wer weiß das schon!
Drei Fehler führten ins Desaster
Genug gelästert. Über Logos mit Schwung nach oben haben wir schon geredet, ob seriös gleich langweilig gleich blau sein muss ebenfalls und über die Lästigkeit einer phrasenlastigen Komminukation sowieso. Es ist wie in einer Beuys-Ausstellung: Viele Näpfe voller Fett im Raum. Warum nur stampft die CDU mit traumwandlerischer Sicherheit in jeden einzelnen davon?
Drei Fehler sind es, die diesem Desaster zugrunde liegen:
1. Die Angst vor der eigenen Courage. Während der Parteivorstand sich redlich müht, den politischen Gegner immer und immer wieder anzugreifen, voll auf Attacke setzt, entscheidet man sich als optische Untermalung der Aggressivrhetorik für die Farbpalette einer Packung Damenbinden. Warum? Weil man niemanden vergrätzen, auf keinen Fall irgendwo anecken will. Der kleinste gemeinsame Nenner wurde gesucht und gefunden. Finden Sie mir einen Menschen, der zu einem maximalgedeckten Blau sagt: »Iiiih, das ist ja hässlich!« – und Sie kriegen fünf Mark von mir.
2. Der Zeitpunkt war vollkommen falsch gewählt. Die CDU gibt sich gerade ein neues Grundsatzprogramm. Warum hat man das nicht abgewartet? Dann hätte man etwas gehabt, das die Marschrichtung für die nächsten Jahre vorgibt, das eine Art Schirm ist, unter dem sich alle treffen können. Ein neues Corporate Design hätte das schön nach außen tragen und optisch unterstützten können. Stattdessen wollte man möglichst schnell etwas präsentieren, das von der anderortigen Inhaltsleere ablenkt. Was Oliver Kalkofe ganz richtig kommentieren ließ: »Man hat kein Programm und keine Idee, aber man hat drei neue Farben präsentiert.«
3. Man hat sich keine Zeit genommen. Die Agentur GURU Hamburg (deren Partner Marcus Weinberg ein früherer CDU-Landesvorsitzender ist, auch nur mal so am Rande) hatte offensichtlich keine Zeit, die Partei, ihre Ziele, Leitbilder und Inhalte (so denn überhaupt schon vorhanden) kennen zu lernen. Es entstand ein Corporate Design, das alles andere als einzigartig und wiedererkennbar, sondern maximal austauschbar ist, in ein Auge rein und aus dem anderen Auge wieder rausgeht und auf dem Weg dazwischen nichts hinterlässt. Bei der CDU herrscht offenkundig die falsche Annahme von Design, dessen Aufgabe darin bestünde, einfach nur ›gut‹ auszusehen. Nein, ein gutes Design ist immer auch zumindest Image-, im Idealfall aber auch Inhaltsträger. Es ergänzt Texte und Fotos um ein wichtiges Element, nämlich den formgebenden Rahmen.
Dass die Jungs und Mädels im Konrad Adenauer-Haus selbst gemerkt haben, dass da einiges nicht ganz ideal gelaufen ist, beweist das Phrasengeballer in oben erwähntem Video inklusive einer Unzahl abwaschbarer lizenzfreier Stock-Videos, in denen ganz viel gelächelt wird. Gucken Sie es sich ruhig mal an. Sie werden sehen: Man kann 25 Minuten reden ohne etwas zu sagen. Und das ist doch auch mal was. Für Deutschland. Für den Erfolg. Für die Katz.
Über die Person
Warum sehen Beratungsunternehmen eigentlich so aus wie sie aussehen? Diese Frage stellt sich Wolfram Saathoff (Schuhgröße 43) in seiner monatlichen Kolumne. Der Kommunikationsdesigner und Trendforscher hat in Hamburg an der Design Factory International studiert und führt seit 2004 zusammen mit seinem Partner in Crime Steffen Kratz die Werbeagentur Haus am Meer in Barcelona. Gemeinsam machen sie die Beratungsbranche schöner. Mehr über die Agentur für Berater: www.hausammeer.org
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