Consulting im Style-Check – Kolumne von Wolfram Saathoff Ein(e) *, der/die Deine_n NamInn:en trägt – Vom Sinn und Unsinn des Genderns

Liebe LeserInnen, liebe Lese*r, liebe Lesende, es nützt nix – wir müssen uns mit dem allseits nervigen Thema ›Gendern‹ beschäftigen. Kann man gleichzeitig vernünftige Texte schreiben und trotzdem so tun, als wären Frauen auf Augenhöhe mit uns Penisträgern? Kann man. Und Frau auch. Schreibt Wolfram Saathoff in seiner neuen Kolumne.

Weißt du, wie viel Sterne stehen / In einem unlesbaren Text? (Bild: Haus am Meer)

Auch ein Panzer ist ein Arbeitsplatz 

Wo gerade alle Welt von Panzern spricht – auch ein Panzer ist ein Arbeitsplatz. Kein normaler, versteht sich, aber auch in einem Panzer gilt die deutsche Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Und die sieht vor, dass jeder Arbeitsplatz auch für Schwangere geeignet sein muss. Klingt wie eine Geschichte aus Schilda, ist aber so. Ob sich jetzt so viele Schwangere auf Schlachtfeldern herumtreiben, sei dahingestellt, aber seit Ursula ›Flintenuschi‹ von der Leyen dürfen ja auch pummelige Mitbürgerinnen und Mitbürger den Dienst an der Waffe versehen. So ergibt es am Ende vielleicht doch alles einen Sinn, denke ich die Fäuste gen Himmel reckend.

Schick machen für die Arbeitskräfte von morgen 

Hintergrund des Ganzen ist natürlich das durchaus zu goutierende Ansinnen, Arbeitsplätze wie Kampfpanzer und andere auch für Frauen attraktiver zu machen. In Zeiten von Fachkräftemangel kein komplett unsinniges Unterfangen, schließlich wissen inzwischen auch die kleinen und großen Paschas dieser Republik (von Einzelschicksalen abgesehen, die man zum Beispiel auf LinkedIn in ihrem natürlichen Habitat beobachten kann, wenn man das denn will), dass man sich für die Arbeitskräfte von morgen schick machen muss – auch für die weiblichen. 

Je spezialisierter man ist, desto fachlicher werden die Texte 

Natürlich spielt da auch die Kommunikation eine wichtige Rolle, womit wir direkt schon beim Gendern wären. 

Das große Problem, das viele unserer Beratungskunden umtreibt, ist dieses hier: Je spezialisierter man ist, desto fachlicher werden die Texte. Für das Arbeitsbeispiel eines Digitalisierungsprojektes in der mongolischen Tiefebene mit Worten wie ›Cyber-physische Systeme (CPS)‹, ›Virtual Impeller Trimming‹ oder ›Software as a Service (SaaS)‹ gibt es kein Like. Und dann auch noch gendern? Zu Recht mahnt die interessierte Leserin hier die Lesbarkeit an, schließlich soll ein Text auf der Website eines Beratungsunternehmens nicht in der Schönheit eines daktylisches Knittelverses sterben, sondern, ganz im Sinne Watzlawicks, verstehbar sein. 

Auch Frauen müssen mitgemeint werden 

Auf der anderen Seite muss, wer nicht als engstirniger Fritze Merz-Fanboy mit Hang zum verschwiemelten Klartexten rüberkommen will, Frauen heute einschließen. Und zwar in seinen Texten, nicht wie noch in den guten alten 60ern in der Küche. Tut mir leid, ist halt so! 

Wir Trockennasenaffen erfassen Texte beim Lesen nicht Wort für Wort oder Buchstabe für Buchstabe, sondern das Auge gleitet über die Zeilen und erfasst den Sinn des Textes quasi ideomotorisch.  

Bei Fachtexten mit vielen Fachbegriffen bleibt das Auge unweigerlich ständig hängen.  

Auf Rollsplitt gleitet es sich halt extrem ungut. Die Texte mit Sternchen, Unterstrichen oder Doppelpunkten weiter zu verhackstückeln deucht der Schreibenden dann wenig klug. Für Rechtschreibfehler gilt übrigens dasselbe! 

Lesbarkeit meets Gendern 

Im Alltag haben sich zwei Varianten herauskristallisiert, die den meisten als relativ praktikabel bei ganz okayer Lesbarkeit (vulgo: Verstehbarkeit) erscheinen: ›Die Chefinnen und Chefs‹ (diese Variante hat den Vorteil, dass keine ungewohnten Elemente den Lesefluss stören, allerdings den Nachteil, dass Texte dadurch länger werden als unbedingt nötig) oder ›die ChefInnen‹ (das große I fügt sich zumindest optisch gut ein, verkompliziert das ideomotorische Erfassen des Textes allerdings auch).  

Für welche Variante man auch immer sich entscheidet – so oder so haben wir es mit Textergänzungen oder -veränderungen zu tun, die unser Gehirn (noch) nicht gewohnt ist und sich deshalb daran stört. 

Die bessere Lösung: Mal weiblich, mal männlich 

Wirklich elegant finde ich das – wie Sie, verehrter Leser, wahrscheinlich ebenfalls – nicht. Zum Glück haben sich klügere Schreiberinnen als ich ein paar mehr Gedanken gemacht als ›Nee, hab ich keinen Bock drauf‹ und eine Methode des Frauen-Mitmeinens entwickelt, von der ich aus dem Brustton der Überzeugung sagen kann: Sie baden gerade Ihre Hände drin. 

Ich kenne diese Methode aus der ZEIT und die geht so: Wechseln Sie in Ihren Texten die Geschlechter einfach ab. So wie ich in diesem Text. Bei der ZEIT erklärt man es so: »Wir verwenden Doppelformen. Geschieht das am Anfang einmal explizit, können wir im Weiteren abwechselnd sowohl den weiblichen als auch den männlichen Plural nehmen, um anzuzeigen, dass weiterhin alle gemeint sind. Das mag auf einige irritierend wirken, anderen wird es gar nicht auffallen.« 

Ist diese Methode perfekt? Nein, auf gar keinen Fall.  

Aber sie ist praktikabel, sie kommt ohne unnötige Verdoppelungen oder komische Satzzeichen aus – und man wirkt nicht wie sein eigener Uropa, der vom Kaiser redet, unter dem es ›so was‹ nicht gegeben hätte. 

So viel von mir für heute aus der EMMA-Redaktion*innen. Nächstes Mal gibt’s wieder was Oberflächliches, versprochen. Wolle over and out. 

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Über die Person

Warum sehen Beratungsunternehmen eigentlich so aus wie sie aussehen? Diese Frage stellt sich Wolfram Saathoff (Schuhgröße 43) in seiner monatlichen Kolumne. Der Kommunikationsdesigner und Trendforscher hat in Hamburg an der Design Factory International studiert und führt seit 2004 zusammen mit seinem Partner in Crime Steffen Kratz die Werbeagentur Haus am Meer in Barcelona. Gemeinsam machen sie die Beratungsbranche schöner. Mehr über die Agentur für Berater: www.hausammeer.org

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