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Interview mit Hans-Peter Machwürth "Eine Empfehlung kann lauten: "Führen Sie mit jedem Mitarbeiter im Homeoffice alle 2-3 Wochen ein Mitarbeitergespräch.""

Herr Machwürth, Feedbackgespräche gehören zum Standardführungsrepertoire in vielen Unternehmen. Warum?
Hans-Peter Machwürth: Regelmäßige Mitarbeiter- und Feedbackgespräche steigern die Zufriedenheit der Mitarbeiter und ihre Arbeitsmotivation. Außerdem sind sie für eine systematische Personalentwicklung wichtig. Das sollten sich Führungskräfte gerade in Zeiten wie den aktuellen in Erinnerung rufen, in denen sich corona-bedingt die Rahmenbedingungen der Arbeit sowie deren Inhalte und die damit verbundenen Ziele oft wandeln.
Warum?
Hans-Peter Machwürth: In ihnen müssen Führungskräfte ihren verunsicherten Mitarbeitern noch häufiger als in "normalen Zeiten eine Orientierung, was es warum zu tun gilt; außerdem eine Rückmeldung über ihr Verhalten und ihre Leistung.
Geschieht das in einem ausreichenden Maß?
Hans-Peter Machwürth: Leider oft nicht. Schon in normalen Zeiten sprechen viele Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern zu wenig über ihre Arbeit sowie die damit verbundenen Erwartungen und Ziele. In Krisenzeiten, in denen die Führungskräfte meist selbst unter einer erhöhten Anspannung stehen, ist das gehäuft der Fall. Speziell die Mitarbeiter im Homeoffice geraten dann im Führungsalltag schnell in Vergessenheit, da sie sozusagen nicht präsent sind. Und weil mit ihnen auch der sonst oft übliche Small Talk zwischen Tür und Angel oder in der Kantine entfällt, findet bei ihnen oft zwar noch eine allgemeine Information zum Beispiel im wöchentlichen Video-Call, aber letztlich keine Führung mehr statt.
Was können die Unternehmen kurzfristig gegen diese Gefahr tun?
Hans-Peter Machwürth: Ihre Personalleitung von Unternehmen kann zum Beispiel Richtlinien für die Führungskräfte verfassen, was beim Führen von Mitarbeitern im Homeoffice zu beachten ist. Schließlich ist diese Situation für viele recht neu. Eine Empfehlung kann lauten: "Führen Sie mit jedem Mitarbeiter im Homeoffice alle zwei, drei Wochen ein Mitarbeiter- und Feedbackgespräch - sei es per Telefon oder online. Empfohlene Dauer: mindestens 20 Minuten; mögliche Inhalte:.."
Was sollte das Ziel dieser Gespräche sein?
Hans-Peter Machwürth: Mitarbeiter- bzw. Feedbackgespräche haben nicht das primäre Ziel, aktuelle Probleme bei in der alltäglichen Arbeit bzw. Zusammenarbeit zu besprechen. Vielmehr soll das Verhalten des Mitarbeiters und seiner Führungskraft in einem Zeitabschnitt betrachtet werden, um zu klären, wie die (Zusammen-)Arbeit verbessert werden kann. Vorkommnisse und Verhaltensmuster in der Vergangenheit dienen hierbei primär zur Erklärung. Das gilt auch in Corona-Zeiten. Hier kann der Zeitabschnitt auch lauten: "Seit Anfang November, seit wir wegen der gestiegenen Corona-Fallzahlen wieder verstärkt im Homeoffice arbeiten." Rückblickend zu betrachten und zu besprechen gibt es in diesem Zeitraum gewiss genug, weil sich in ihm die Rahmenbedingungen der (Zusammen-)Arbeit erneut stark gewandelt haben.
Was sollte beim Planen solcher Gespräche beachtet werden?
Hans-Peter Machwürth: Weil in ihnen die Vergangenheit reflektiert werden soll, erfordern Feedbackgespräche eine Vorbereitung von beiden Seiten. Folglich sollten sie terminiert sein. Hinzu kommt: Feedback ist nur wirksam, wenn es konkret ist. Hierfür benötigt man Beispiele aus dem Berufs- und Arbeitsalltag.
Und haben die Gespräche hohe Qualität?
Hans-Peter Machwürth: Das kann man so allgemein nicht sagen.
Wieso?
Hans-Peter Machwürth: Nun nehmen Sie die Großunternehmen. In ihnen ist das regelmäßige Führen von Mitarbeitergesprächen oft Pflicht. Das ist an sich gut! Zuweilen führt dies aber dazu, dass die Führungskräfte die Gespräche nur führen, um zum Beispiel der Personalabteilung "Vollzug" zu melden. Entsprechend ist die Qualität der Gespräche. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn die Führungskräfte selbst unter Anspannung stehen. Das ist in Corona-Zeiten gehäuft der Fall.
Was kann man dagegen tun?
Hans-Peter Machwürth: In der Praxis empfiehlt sich oft folgendes Vorgehen: Nach jedem Mitarbeitergespräch füllen die Führungskraft und der Mitarbeiter online unabhängig voneinander einen Fragebogen aus und senden ihn zum Beispiel an die Personalabteilung.
Welche Fragen sollte der Fragebogen enthalten?
Hans-Peter Machwürth: Er kann Fragen enthalten wie:
- Wie zufrieden sind Sie mit dem Gesprächsverlauf?
- Als wie funktional erwies sich die genutzte Technik?
- Wie zufrieden waren Sie mit der Gesprächsatmosphäre?
- Wie lange dauerte das Gespräch?
- Wurden auch Entwicklungsthemen erörtert?
- Was sollte sich ändern, damit Sie und Ihr Gesprächspartner vom nächsten Gespräch noch mehr profitieren?
Eine solche Rückmeldung an die Personalabteilung garantiert zwar noch keine qualitativ hochwertigen Feedbackgespräche; sie sorgt aber für eine Mindestqualität, die Schritt für Schritt gesteigert werden kann. Das ist gerade in der aktuellen Zeit wichtig, in der alle Beteiligten noch recht wenig Erfahrung mit der virtuellen Zusammenarbeit und dem Führen von Mitarbeitergesprächen per Telefon oder Video-Call haben. Tauchen zum Beispiel in den ausgefüllten Fragebögen immer wieder bestimmte Wünsche der Gesprächspartner auf, kann hieraus eine weitere Empfehlung der Personalabteilung an die Führungskräfte resultieren.
Wie lange sollte ein Mitarbeiter- oder Feedbackgespräch dauern?
Hans-Peter Machwürth: Ein Indikator für die Qualität eines solchen Gesprächs ist dessen Dauer. In normalen Zeiten, wenn die Feedbackgespräche nur im Zwei-, Drei-Monatsrhythmus stattfinden, gilt die Faustregel: Eine Stunde Zeit sollten Führungskräfte pro Mitarbeiter mindestens einplanen. Denn damit eventuell auch heikle (persönliche) Themen angesprochen werden, ist eine entspannte Atmosphäre nötig. Diese gilt es zunächst zu schaffen.
Und in Corona-Zeiten?
Hans-Peter Machwürth: Wenn die Gespräche in einer engeren Taktung - zum Beispiel im Drei- oder gar Zwei-Wochen-Rhythmus - stattfinden, dann ist die Vorgabe "mindestens eine Stunde" bei einer größeren Führungsspanne meist unrealistisch. Auf alle Fälle sollten die Gespräche jedoch ohne Zeitdruck und Störungen von außen erfolgen. Deshalb empfiehlt es sich, sie in den Randzeiten zu führen.
Wie ist ein gut strukturiertes Feedback- und Mitarbeitergespräch aufgebaut?
Hans-Peter Machwürth: Es besteht aus folgenden Phasen:
- Reflektion der vergangenen Zeiteinheit; zum Beispiel das zurückliegende Quartal,
- Einschätzung der aktuellen Situation und
- Blick nach vorne.
Von besonderer Bedeutung ist, dass der Mitarbeiter auch ein Feedback über seine Stärken und Schwächen erhält. Was macht/kann er gut beziehungsweise weniger gut? Zum Beispiel bei der Selbstorganisation der Arbeit im Homeoffice? Oder beim Nutzen der vorhandenen Kollaborationtools? Oder in der Online-Kommunikation mit Kollegen? Denn jeder Mensch hat blinde Flecken.
Können Sie den Begriff erläutern?
Hans-Peter Machwürth: Blinde Flecken sind Verhaltensmuster, die uns nicht bewusst sind. Deshalb brauchen wir ab und zu eine Rückmeldung von außen, damit wir uns über unser Verhalten und seine Wirkung - auch in der Online-Kommunikation und virtuellen Zusammenarbeit - bewusst werden. Diese Klarheit führt zu einem Erkennen von Lernfeldern. Das ist gerade in Zeiten wichtig, in denen letztlich eine neue Kultur der Zusammenarbeit im Unternehmen etabliert werden soll.
Das klingt nach echter Arbeit für die Führungskräfte.
Hans-Peter Machwürth: Ja, das regelmäßige Führen von Feedbackgesprächen mit allen Mitarbeitern erfordert von den Führungskräften viel Zeit und Energie - auch wegen der nötigen Vorbereitung. Doch diese Investition lohnt sich, denn sie stellt sicher, dass im Arbeitsalltag weniger Unklarheiten bestehen. Hierdurch reduziert sich auch der Führungsaufwand. Deshalb sollten Führungskräfte die Feedback- bzw. Zielvereinbarungsgespräche mit ihren Mitarbeitern aus innerer Überzeugung führen, denn: Die Mühe lohnt sich für sie, ihre Mitarbeiter und das Unternehmen - ganz gleich, ob die Gespräche bei persönlichen Treffen oder online erfolgen.

/pj
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