#1Blick vom Beratungsforscher Geld nur bei Erfolg – Erfolgsabhängiges Honorar im Consulting

Die "drei K" der Konsultanten
Möchte man es ganz einfach machen, dann lässt sich das Geschäftsmodell einer Beratung mit Hilfe von "drei K" beschreiben: Kunden, Kompetenzen und Kompensation (oder etwas hemdsärmeliger: "Kohle"). Kunden müssen akquiriert werden und unterscheiden sich in ihrer Organisationsgröße, der Branche, der Eigendynamik, der Position der konkreten Auftraggeberin etc. Passend dazu benötigt eine Beratung Kompetenzen, die sie entwickeln, verkaufen und einsetzen muss. Die Kompensation als dritter Baustein hängt unter anderem von den beiden übrigen Komponenten ab und ist für die Beratung überlebensnotwendig.
Kompensations- und Erlösmodelle
Die Kompensation der Beratung durch die Kundenorganisation kann beispielsweise durch Geld, durch die Abgabe von Firmenanteilen ("Consulting for equity") oder bewusst gar nicht ("Pro bono-Beratung") erfolgen. Die Bezahlung mit Geld ist vermutlich die häufigste und steht daher auch hier im Mittelpunkt.
Für die Geldzahlung können wieder drei Modelle an Hand ihrer Vergütungsbasis unterschieden werden. Dem ersten Modell liegt der Faktor Zeit zugrunde, dem zweiten ein konkretes Ergebnis und dem dritten ein wahrgenommener Wert. Die größte Verbreitung genießt wohl die Bezahlung auf Basis der erbrachten (oder indirekt vereinbarten) Zeit. Hier spricht man von einer "Time & Material"-Vergütung, also einer Bezahlung, die sich an der konkret aufgewendeten Zeit der Beratung für ein Kundenprojekt orientiert. Die Berechnungseinheit kann dann eine Stunde oder (häufiger) ein Tag sein. Auch ein Festpreisprojekt basiert typischerweise auf einer Zeitkalkulation durch die Beratung, welche dann allerdings nicht offengelegt wird. Bei der Nutzung von vorab fixierten Honoraren gibt es jedoch die Besonderheiten, dass erstens eine finanzielle Planungssicherheit vorhanden ist und zweitens jeweils eine Seite von einer Planunter- oder Planüberschreitung profitiert bzw. unter ihr leidet - aber nur eine Seite ganz genau die einschlägige Grenze kennt. Viel mehr braucht an dieser Stelle zur zeitbasierten Bezahlung nicht gesagt werden. Die wertbasierte Vergütung wurde an anderer Stelle schon thematisiert, bleibt aber vermutlich noch einige Zeit Zukunftsmusik.
Deutlich greifbarer mag hingegen die erfolgsabhängige Vergütung sein. Consultants finden dieses Modell oft interessant, da es über die lineare Skalierung des Tagessatzes hinausgeht.
Oft diskutiert, selten realisiert
Das Grundprinzip hinter der erfolgsabhängigen Vergütung ist so einfach, wie der Ansatz charmant ist. Nicht mehr für das Absitzen von Arbeitszeit wird die Beratung bezahlt, sondern für das Ergebnis ihres Eingreifens. Diese Art der Vergütung wird oft von Beratungen angeboten und auch oft von Kundenorganisationen nachgefragt, über sie wird häufig in Besprechungsräumen und in Fachpublikationen diskutiert - aber sie wird nur vergleichsweise selten in der Praxis realisiert.
Der Grund dafür mag - meist auf Seiten der Kunden - in der Angst vor der eigenen Courage liegen. Ein verbreiteter Gedankengang pro einer erfolgsbasierten Vergütung lautet: Es besteht für die Beratung der Anreiz, eine "besondere" (i.e. effizientere, schnellere, höhere, bessere, ...) Leistung zu erbringen, für die dann nicht lediglich ein "normales" Honorar gezahlt wird, sondern ein Beitrag, der darüber deutlich hinausgeht. Die Kundenorganisation, so Teil zwei des Gedankengangs, kann sich auf der sicheren Seite wähnen: Ist das Projekt kein Erfolg, so zahlt sie nichts (Sonderfälle à la "Base Fee" bleiben einmal außen vor); ist es ein Erfolg, so greift sie natürlich gerne in die Geldschatulle, denn die erzielte Verbesserung übersteigt im Idealfall das dann fällige Beratungshonorar um ein Vielfaches.
Allerdings tauchen bei der Umsetzung Hindernisse auf, für die in der Theorie im Kontext der Neuen Institutionenökonomie wunderbare Erklärungsansätze gefunden werden können. Aber auch einfache Praxisskizzen helfen hier ebenso - und manchmal sogar schneller - weiter. Zwei Herausforderungen sind weit verbreitet: Die Schwierigkeit der Erfolgsmessung und die potentielle Honorarhöhe.
Rosinenpicken: Eins für mich, keins für Dich ...
Für die Kundenorganisation ist es auf den ersten Blick angenehm und attraktiv, dass die Beratung nur im Erfolgsfall bezahlt werden muss. Dass der Dienstleister aber für dieses Risiko eine überproportional hohe Vergütung im Erfolgsfall erwartet, dies wird häufig zunächst vergessen oder verdrängt. Wird sich die Kundenorganisation dessen gewahr, dann kann es zum Rückzug vom Vergütungsmodell kommen, da vielleicht die Höhe schockiert oder die Controlling-Abteilung mit einer Budgetanmeldung für das kommende Jahr in Höhe von "circa 0 bis 5 Millionen Euro" nicht arbeiten kann oder will.
Sehr charmant drückt der Geschäftsführer eines Beratungshauses die Kundenreaktion auf die Möglichkeiten einer (teilweise) erfolgsbasierten Vergütung aus:
"[Ich beobachte], dass Kunden die Idee eines Malus gut finden, den korrespondierenden Bonus aber nicht. Die meisten Kunden, mit denen wir über variable Vergütungsanteile reden, reagieren wie folgt: 'Ach, das ist ja interessant. Dann nehme ich die günstige Lösung (also einen geringen fixen und einen hohen variablen Anteil), dann müsst Ihr Euch wenigstens anstrengen und ich kann nichts verlieren'. Als ehrliche Berater weisen wir an der Stelle darauf hin, dass wir gut sind und davon ausgehen, die Variable auch wirklich zu verdienen. Dann schluckt der Kunde, wird sich bewusst, dass Erfolg seinen Preis hat, und zieht sich wieder auf das Festpreismodell zurück."*
Ein Rosinenpicken gibt es also nicht.
Diskussionsklassiker: Erfolgsmessung von Beratungseinsätzen
Viele Beratungen scheuen die konkrete und operative Messung ihres Dienstleistungserfolges wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht, weil sie dies in den Bereich ungeliebter Werkverträge, statt der meist angenehmeren Dienstverträge rücken würde. Vielleicht, weil sie sich über die Auswirkungen ihres Tuns auch lieber keine Gedanken machen wollen. (Die Ausführungen über "Bullshit-Jobs" vom vor wenigen Tagen verstorbenen David Graeber kommen einen hier in den Sinn.) Vielleicht aber auch, weil es einfach nicht funktioniert. Natürlich existieren Aufgabenstellungen, bei denen ein direkter Vorher-Nachher-Vergleich konkrete, messbare und eineindeutig zuordenbare Verbesserungen aufzeigt (z.B. bei einer Durchlaufzeitoptimierung von Shopfloor-Laufwegen), häufig gelingt dies aber nicht. Der Erfolgsbeitrag des Beratungsunternehmens an einer "Workshopreihe zur Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie für 'Top-Unternehmen 2030' unter Einbeziehung von Vertretern aller Mitarbeitergruppen" ist wohl kaum messbar - wenn man nicht auf einfache Messgrößen wie "Flipchart aufgestellt? Ja/Nein" zurückgreifen möchte.
Bei vielen Beratungseinsätzen ist es also schwer, den Impact zu definieren, später zu messen - und sich im Vorfeld über all dieses zu verständigen, da sich beide Vertragsparteien typischerweise auf unterschiedliche Standpunkte zurückziehen werden: Kundinnen gestehen den Beraterinnen viel Einfluss auf ein Ergebnis zu; Beratungen schätzen wiederum in dieser Situation ihre Einflussmöglichkeit eher konservativ und zurückhaltend ein.
Traditionell sind Beratungsengagements also so ausgelegt, dass eine Messung ihres Erfolgs nur mit einem sehr hohen Aufwand möglich ist (oder vielleicht - von welcher Seite auch immer - auch nicht gewollt ist), trotz aller wiederkehrenden Beteuerungen, dass die Erfolgsmessung der Schlüssel für ein Next Generation Consulting sei.
Lösungsvorschläge
Hat man die beiden gerade skizzierten Herausforderungen für den Einsatz einer erfolgsbasierten Vergütungskomponente im Hinterkopf, so lassen sich recht zügig zwei Hebel zur Verbesserung identifizieren.
Auf die Abwehrhaltung der Kundenorganisationen gegenüber den zumeist recht ordentlichen Erfolgsprämien könnte man mit reduzierten Erfolgsbeteiligungen kontern, die im Zuteilungsfall mit der Höhe eines ähnlichen Festpreisprojektes vergleichbar sind.
Und auf die teilweise sehr abstrakten Ziele eines Gesamtprojektes, die kaum messbar und häufig "top down" formuliert werden, könnte man zunächst mit einer Sammlung von messbaren und konkreten Zielen auf einer eher operativen Ebene beginnen und anschließend einzelne Ziele zu Zielbündeln zusammenfassen. Dies kann über mehrere Iterationen hinweg erfolgen, so dass auch für die Gesamtprojektleitungen auf Kunden- und Beratungsseite schließlich ein großes, gesamthaftes und gut zu kommunizierendes Projektziel steht, welches zudem (durch seine vielen messbaren Elemente) auch in Summe als Erfolg, Teilerfolg oder Misserfolg interpretiert werden kann. Eventuell nicht messbare Teile können weiterhin traditionell vergütet werden.
Nutzbar? Nun ja
Sind aber diese Vorschläge nutz- und umsetzbar? Den oben angedeuteten Verzicht auf einen Risikoaufschlag werden vermutlich nur wenige Beratungen freiwillig und ohne Not akzeptieren. Ein Wechsel von einer top down- zu einer bottom up-Zusammenstellung von Zielkriterien sollte jedoch machbar sein und könnte einen Schlüssel für den Durchbruch dieses Vergütungsmodells bilden.
Die erfolgsabhängige Vergütung mag dadurch greifbarer werden und neben den beiden zeitbasierten Ansätzen "Time & Material" und Festpreis eine dritte Vergütungsoption in der betrieblichen Praxis bilden. Aber dazu bedarf es neben dem Willen auch der einschlägigen Fachkompetenz für die Umsetzung bei beiden Parteien. Und hieran könnte auch die großflächige Verbreitung dieses Konzeptes scheitern. Leider.
* Das Zitat stammt von Edmund Cramer (Geschäftsführer der Beratung cm&p) und ist einem Interview entnommen, das in "Consulting - Ein Lehr-, Lern- und Lesebuch" zu finden ist. Zusammen mit Professor Andreas Krämer (Vorstand bei exeo Consulting) hat der Kolumnist dieses Arbeitsbuch, in dem auch 18 weitere Interviews zu finden sind, Ende 2020 im Erich Schmidt Verlag veröffentlicht.
Über den Autor

cb
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