Günstig, nicht billig Geschäftskonzept Niedrigpreis: Praxisbeispiele und Erfolgskriterien

Nicht jeder Kunde möchte das maximal mögliche für einen beliebigen Betrag. Viele möchten auch das maximal mögliche zu geringstmöglichen Kosten. Mit dieser Erfolgsstrategie fahren eine Reihe von Unternehmen schon seit teilweise Jahrzehnten bestens – doch was braucht es, um sie selbst umzusetzen?

Dacia: Das Beispiel für Niedrigpreisstrategie (Bild: ttinu - Stock Adobe)
Dacia: Der Autohersteller ist nicht nur ein Paradebeispiel für französisch-rumänische Zusammenarbeit, sondern vor allem dafür, worauf es bei einer effektiven Niedrigpreisstrategie wirklich ankommt. (Bild: ttinu - Stock Adobe)

„Geiz ist geil“ war anfangs nur als Werbespruch der Elektronikkette Saturn gedacht und verbreitete sich Anfang der 2000er rasend –unter Anregung lebhafter Diskussionen. Mittlerweile ist daraus im deutschsprachigen Raum ein geflügelter Begriff geworden, abermals wahlweise positiv oder negativ konnotiert.

Tatsache ist jedoch jenseits von solchen Moraldiskussionen, dass wir in einer Zeit leben, in der viele Menschen nicht darauf aus sind, viel Geld für eine Ware oder Dienstleistung auszugeben oder es auch nicht können. Gleichsam haben diese Menschen jedoch auch eine Erwartungshaltung: Sie möchten kein in jeglichem Sinn „billiges“ Produkt. Vielmehr wollen sie ein im klassischen Sinn „preiswertes“ Produkt aus dem Niedrigpreissektor. Eine Ware oder Dienstleistung, die bei der Vorgabe des geringstmöglichen Preises ein Maximum liefert. Jede Firma hat dies bei entsprechender Berücksichtigung einiger Grundregeln in der Hand. Und es gibt auch gute Beispiele für tragfähigen Erfolg.

Erfolgreich dank Niedrigpreis: Praxisbeispiele

Betrachtet man sich die gesamte Zeitleiste von Handel und Dienstleistung, so ist eine explizite Tiefpreisstrategie verhältnismäßig jung; sie ist ein Kind jener Zeit am Ende des Wirtschaftswunders, als sich erstmalig im großen Stil Konkurrenzen über eine sehr breite Produktpalette entwickelten.

Doch im Gegensatz zum Preisdumping, welches sich für viele Firmen als ruinös entpuppen kann, steht hinter einer kontrollierten Niedrigpreisstrategie eine andere Philosophie: Eine gesunde Firma mit guten Gewinnen trotz Preisen am unteren Ende.

Drei Firmennamen sollen hier stellvertretend für zahlreiche andere Häuser stehen, die das Prinzip erfolgreich durchführen.

  • IKEA stellt in diesem Sinne den Archetypus dieses Geschäftsmodells dar. Von der Fokussierung auf Möbel anno 1947 an war es Ingvar Kamprads expliziter Gedanke, die Preise niedrig zu halten. Bis zum Beginn der 1960er war das Konzept so erfolgreich geworden, dass Schwedens gesamte Möbelindustrie in ihrer Existenz bedroht war. Weiter forciert wurde der Gedanke in den 1970ern, als IKEA seine Möbel explizit als Verbrauchsgegenstand mit kurzer Lebenszeit bewarb. Zunächst sank dadurch die Qualität bedenklich, konnte jedoch in der Folge ohne massiv steigende Preise durch automatisierte Produktion wieder austariert werden – bis heute ist IKEA damit hocherfolgreich.
     
  • a&o Hostels gehört zu den ersten Unternehmen, die das Konzept auch auf Übernachtungen anwendeten. Nach der Gründung im Jahr 2000 begann schnell ein Fokus auf besonders günstige Übernachtungsmöglichkeiten, insbesondere für junge Menschen. Die Politik des Hauses ist, Hostel und Hotel miteinander zu kombinieren, und so ein maßgeschneidertes Angebot zu erzielen, dass sich vor allem an Städtereisende und neuerdings auch Geschäftsreisende richtet – mit günstigen, aber ausreichenden Übernachtungsmöglichkeiten, sowie einem fokussierten Service-Angebot, etwa einer kleinen Lobby-Bar oder auch Tagungsräumen.
     
  • Dacia, zumindest mit einer Niedrigpreisstrategie, ist sowohl der jüngste Vertreter dieser Liste wie auch der erste automobile. Gegründet wurde die rumänische Automarke zwar schon 1966, doch erst mit der Mehrheitsübernahme durch Renault 1999 wurde daraus das heutige Unternehmen. Die Philosophie der Firma lässt sich am besten durch den eigenen Claim umschreiben: „Das Statussymbol für alle, die kein Statussymbol brauchen“. Autos, die auf das Wesentliche reduziert sind mit Ausstattungen, die im zeitgenössischen Vergleich gering wirken, aber nur einem früheren Standard entsprechen. So gehören die Modelle zwar zu den günstigsten Neufahrzeugen ihrer Klassen, sparen aber nur an der Ausstattung, nicht der Qualität.

Erfolgreich dank Niedrigpreis: Die Erfolgskriterien

Einfach nur die Preise auf Gedeih und Verderb zu senken, dürfte für die meisten Marken lediglich ruinös enden. Schon die bisherigen Beispiele zeigen zwischen den Zeilen gewisse Punkte, auf die es unbedingt ankommt.

1. Es braucht einen eigenen Namen

Mit niedrigen Preisen geht ein eigenes Image einher. Insbesondere Firmen, die bislang in anderen Preisregionen agieren, können deshalb nicht einfach wechseln, ohne Image-Einbußen befürchten zu müssen.

Angesichts dessen ist es beinahe zwingend notwendig, einen neuen Namen, eine neue Linie nur für diese Strategie zu kreieren (nicht zu verwechseln mit dem klassischen Outsourcing). Dies kann beispielsweise durch die Gründung einer Tochter geschehen oder auch den Ankauf eines für diesen Preisbereich eher bekannten Unternehmens. Dabei muss auch klar sein, dass es mindestens schwierig und langwierig, manchmal aber auch unmöglich ist, später in eine höhere Preis-Sphäre aufzusteigen.

Niedrigpreis darf nie zu Billigpreis werden (Bild: Paolese - Stock Adobe)
Niedrigpreis darf nie zu Billigpreis werden. Eine angemessene, ja sogar recht hohe Qualität ist für diese Strategie ein verbindliches Muss. (Bild: Paolese - Stock Adobe)

2. Es muss mehr als ein Rest Qualität vorhanden sein

Wie bereits angerissen gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen einer kontrollierten Niedrigpreis- und einer ausgesprochenen Billigstrategie. Die wichtige Differenz:

  • Die Billigstrategie versucht, den grundsätzlich niedrigsten Preis zu haben, ohne Rücksicht auf andere Elemente.
  • Die Niedrigpreisstrategie versucht hingegen, den für ein Produkt von vernünftiger, solider Qualität niedrigsten Preis anzubieten.

Das heißt, es ist durchaus möglich und nötig, eine „No Frills“-Politik zu verfolgen, bei der ein Produkt so stromlinienförmig wie möglich gemacht wird und vielleicht so auch mit vielem bricht, was in dieser Kategorie als Standard erwartet wird. Im optimalen Fall geht damit jedoch eine Qualität einher, die einen Großteil der Kunden zu diesem Preis überrascht – auch IKEA fabriziert heute Waren, die bei vernünftiger Behandlung viele Jahre überstehen.

3. Die Prozesse müssen sinnvoll verschlankt sein

Wer sich in einen heutigen Dacia kauft, wird rasch feststellen, dass ihm im Innenraum manches bekannt vorkommt. Beispielsweise ähneln die Knöpfe und Schalter denjenigen aus Renault-Fahrzeugen früherer Generationen. Und wer bei Ikea ein Massivholz-Möbelstück kauft, wird bei näherer Betrachtung auch merken, dass die Teile nur dort vollständig bearbeitet wurden, wo sie nach dem Zusammenbau auch sichtbar sind.

Diese Beispiele zeigen, worum es bei diesem Punkt geht: Wer eine Niedrigpreisstrategie verfolgt, kann nur zu einem gewissen Grad die Qualität nach unten drücken. Der wichtigste Baustein, um dennoch zuverlässige Gewinne zu erwirtschaften ist es, sämtliche Prozesse hinter dem Produkt so weit wie möglich zu verschlanken. Das ist die eigentliche Kunst, denn auch dies darf nicht zulasten der Funktionalität und Langlebigkeit gehen. Bewährte Tricks:

  • Automatisierte Prozesse
  • Große Einkaufsmengen
  • Große Teilegleichheit über mehrere Baureihen
  • Nutzung von Überkapazitäten bei OEM-Produkten höher angesiedelter Hersteller
  • Weiternutzung von anderweitig ausgelaufenen Bauteilen

4. Es muss absolute Ehrlichkeit und Transparenz herrschen

IKEA, a&o, Dacia, dazu Fonic oder auch Ryanair haben etwas gemeinsam auch jenseits der Tatsache, dass sie in ihren jeweiligen Sparten eine erfolgreiche Niedrigpreisstrategie fahren: Sie alle machen keinen Hehl daraus, dass sie sich auf diesem Level bewegen.

Auch hierhinter verbirgt sich ein wichtiges Geheimrezept, das vor allem gegenüber Neukunden immens wichtig ist: Diese Unternehmen sagen klipp und klar, dass sie günstig sind. Sie zeigen ihre Preise, so wie sie sind – ohne spätere Aufschläge, allerdings auch ohne, dass Kunden auf umfassende Rabatte hoffen können. Außerdem versuchen solche Firmen nie, einen anderen Schein zu erwecken. Abermals sei hier auf Dacias Claim verwiesen. Ebenfalls ist es sehr geschickt, dies mit dem Image eines simplen, bodenständigen Produkts zu verknüpfen; dem Wissen für den Kunden, dass er alles bekommt, was er auf einem Basis-Level benötigt. Egal ob es Automobilität ist, eine Übernachtung in einer Metropole oder auch eine Schlafzimmereinrichtung.

Wand mit Autos (Bild: VPales - Stock Adobe)
Je umfangreicher die Optionen, desto geringer wird bei einem ansonsten gleichniedrigen Preis die Gewinnspanne. Hier sollten Unternehmen sich deshalb stark mäßigen – auch, weil Kunden in diesem Segment nicht eine solche Erwartungshaltung haben. (Bild: VPales - Stock Adobe)

5. Die Modell- und Optionspolitik muss lean sein

Je mehr Optionen Kunden haben, desto teurer wird es für ein Unternehmen, sie alle zu ermöglichen und desto höher wird am Ende wiederum der Preis – eine typische Verkettung von Umständen.

Dies bedeutet aber im Gegenzug, dass eine Niedrigpreisstrategie sich niemals in zahllosen Angeboten oder Möglichkeiten verzetteln darf: Eine Handvoll Mobiltarife, ein halbes Dutzend Lackvarianten, drei Ausstattungslinien ohne großartig zubuchbare Extras. Zwar darf dies nicht in völliger Bodenlosigkeit resultieren, aber auch bei den Optionen sollte das Motto sich an einem No-Frills-Ideal mit durchdachten, vernünftigen Basislösungen orientieren.

6. Die Marketing- und Vertriebswege müssen kompakt sein

Marketing ist teuer und hat immer gewisse Streuverluste – Kosten, die sich niemand leisten kann, der auf den niedrigsten Preis für sinnvolle Qualität setzt. Aus diesem Grund verbietet eine Niedrigpreisstrategie den Einsatz umfangreicher Mittel für Werbung, aber auch möglichst vielfältige Vertriebswege.

Viele solcher Produkte gibt es nur im Internet, andere nur bei ausgewählten Händlern, wodurch sich gleichermaßen sogar eine besondere Attraktivität ergeben kann. Immer jedoch wird auch hierbei so weit gespart, wie es sich vertreten lässt, dafür aber die verbliebenen Mittel sehr konzentriert und fokussiert eingesetzt.

Wenn es dann noch gelingt, die Gewinne einzusetzen, um ein Kapitalpolster zu erschaffen, welches eine hohe Sicherheit bietet, kann eine Niedrigpreisstrategie nicht nur verfangen, sondern für viele Menschen den Unterschied ausmachen, ja sogar sehr treue Bestandskunden zum Umdenken bringen.

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