Zum Recruiting-Spot von Czipin Hilft Selbstironie beim Recruiting von Beratenden?

Die beiden zentralen Figuren im Video Veronika Czipin Deak und Simon Dworaczek (Bild: Czipin)
Es gibt unterschiedlichste Versuche, den potenziellen Beraternachwuchs oder erfahrene Unternehmensberatende für das eigene Haus zu gewinnen. Nicht nur Personalberatende profitieren vom Hunger nach Beratern. Unternehmen wie Squeaker.Net, Staufenbiel u. v. m. haben Geschäftsmodelle rund um die Suche nach Beratenden entwickelt. Dabei besonders im Fokus stehen High-Potentials, d. h. hervorragende Absolvierende aus Studienfächern wie BWL und MINT-Studiengängen.
So far, so austauschbar
Zwar bespielen selbst traditionelle und etablierte Häuser mittlerweile Kanäle wie Instagram und LinkedIn für ihr Employer-Branding, so orientieren sich die Inhalte auch in diesen Kanälen häufig noch stark an dem, was man von Beratungshäusern kennt und erwartet. Kurz zusammengefasst: Junge attraktive Menschen in Business-Garderobe möchten in schönen und erlesene Locations mit ihresgleichen ins Gespräch kommen. Daran ist wenig bis nichts verkehrt. Alleine diese Ansätze sind in der Regel stark austauschbar und wenig unique.
Selbstironie aus Wien
Umso ungewöhnlicher kommt dagegen der Ansatz der Wiener Unternehmensberatung Czipin daher, die in ihrem Recruiting-Video ganz bewusst selbstironisch mit den Klischees des eigenen Beraterlebens spielen. Das Unternehmen „disst“ sich sozusagen selbst.
Czipin berät seit über 40 Jahren Top-und Mittelstandsunternehmen aus Österreich wie Libro/Pagro, Schlumberger, Windhager Gruppe, Prinzhorn Holding oder Eternit. Dennoch reiht sich das Haus ein in die Riege der Berater, die heute deutlich stärker unter Nachwuchssorgen leiden als noch vor einigen Jahren: „Vor fünf Jahren hatten wir täglich mehrere Bewerbungen von spannenden Talenten in unserem Email-Postfach. Aktuell sind es ein paar wenige im Monat“, äußert sich Veronika Czipin Deák, Head of Marketing, PR & Administration bei Czipin, über die aktuellen Gegebenheiten.
„Es war an der Zeit, unsere Recruitingaktivitäten neu zu denken und diese umzusetzen."
„Wir zeigen uns so, wie wir sind.“, sagt Simon Dworaczek, der ebenfalls bei Czipin arbeitet, Regie geführt hat und selbst durch das Video führt. Alle Beteiligten sind Mitarbeitende von Czipin und spielen sich selbst. „Natürlich bedienen wir Klischees der Unternehmensberatung und spielen unkonventionell mit ihnen. Alles ist dabei, tanzende Mitarbeitende bei der Party, der besonders strenge Chef Alois Czipin und ein Geldregen“, so Czipin Deák.

Simon Dworaczek führt durch das Video (Bild: Czipin)
Von den Zugriffszahlen schon mal vor der übermächtigen Konkurrenz
So richtig viral gegangen ist der Spot, der am 27.9.2022 bei YouTube veröffentlicht wurde, noch nicht: Gerade mal etwas mehr als 20.000 Aufrufe, acht Likes und zwei Kommentare zählt der Spot nach zwei Wochen Airtime. Andererseits ist der Fokus von Czipin auf dem deutlich kleineren Markt Österreich und hier insbesondere auf der Zielgruppe erfahrene Beratende. 92 Prozent der Aufrufe kommen lt. Veronika Czipin Deák bislang aus Österreich.
Aber im Vergleich zu den großen Marktbegleitern schlägt sich der Spot hervorragend: So erreicht der Roland Berger-Recruiting-Spot „Be the Original You“ in zehn Monaten gerade mal 2.683 Aufrufe. Im deutschen Employer-Branding-Kanal von BCG, der insgesamt 52 Spots enthält, gibt es gerade mal zwei, aber deutlich ältere Spots, die mehr Aufrufe als Czipin erhalten. Auch im deutschen Karriere-Kanal von EY erreicht das meistgeklickte Video nur etwas mehr als 2.200 Aufrufe.

Veronika Czipin Deák (Bild: Czipin)
Auch wenn nach drei Wochen noch kein abschließendes Urteil möglich ist, ist Veronika Czipin Deák bislang mit der Resonanz des Spots hochzufrieden. Die Verweildauer auf dem Spot liegt bei über zwei Minuten, was für einen dreiminütigen Spot bei Youtube erstaunlich hoch ist. Auch die ersten acht Bewerbungen erfahrener Beratender, die sich explizit auf den Spot beziehen, sind bereits im Haus eingegangen.
Kann Ironie beim Recruiting des Beraternachwuchs funktionieren?
Humor in der Werbung ist eine Gratwanderung. Was den einen Menschen zum Lachen bringt, muss beim Nächsten nicht funktionieren. Eine Studie der Uni Hohenheim hat herausgefunden: Je lustiger die Konsumenten eine Werbung finden, desto besser bewerten sie die Werbung, die Marke und deren Glaubwürdigkeit. Außerdem würden Konsumenten eher ein Produkt kaufen, dessen Werbung sie für humorvoll halten.
Ob das Studienergebnis aber auch auf Employer-Branding-Werbung übertragbar ist, bleibt offen. Möchte man einen Job haben, über den sich der zukünftige Arbeitgeber selbst lustig macht?
Was sagen Experten zu dem Spot?
Wir haben Giso Weyand, Berater-Berater, und Wolfram Saathoff, Kommunikationsdesigner und Trendforscher, zwei unserer Kolumnisten, sowie Carmen Schenkel, Geschäftsführerin, und Eva Daniela Bock, Director New Work & Partner, von September, einem auf Werbeforschung spezialisiertem Marktforschungsinstitut aus Köln, nach ihrer professionellen Meinung zum Czipin-Spot befragt:
Giso Weyand: „Gut gemacht, aber es sind die gängigen Versprechen und Angebote.“

Auch der Wiener Witz und Charme verbreiten sich ganz wunderbar.
Unterstellt man, dass der Spot nicht nur eine Parodie der gängigen Versprechen sein soll, dann offenbart er dabei auch seine größte Schwäche: Es sind die gängigen Versprechen und Angebote.
Nicht überall in gleicher Intensität, aber sie bleiben vergleichbar. Würden substanzielle Fragen in gleicher Form beantwortet, wäre der Spot perfekt: Was wird für Kunden des Beratungshauses messbar und spürbar besser, wenn man da war? Wie ticken die Menschen auf Kundenseite? Wie ticken die Kollegen? Welche Ecken und Kanten erwarten mich? Welche Merkwürdigkeiten? Warum würde ich meine Freunde da auch hinholen? Würde das beantwortet, der Spot wäre ein echter Wertemagnet.
Wolfram Saathoff: „Das kommt bestimmt supergut an bei den Leuten. Wie Helene Fischer.“

Typische TikTok-Lakonie und Influencer-Witzigkeit, eine Chefetage zum Pferdestehlen (jaja, klar! Sind die auch noch so cool drauf, wenn ich mal nach einer durchzechten Nacht noch halb angesäuselt zum Dienst erscheine?), größter gemeinsamer Nenner, wir kochen auch mal zusammen, es wird viel gelächelt, mir wird ganz wohlig ums Herz. Ich glaube denen kein Wort. Insofern: Das kommt bestimmt supergut an bei den Leuten. Wie Helene Fischer.
Ob es aber auch funktioniert, vermag ich nicht zu sagen (ich gehöre aber wohl auch nicht zur Zielgruppe) — das Hauptaugenmerk lag eindeutig auf maximaler Kompatibilität. Keine Ecken und Kanten, wie bei Kinderspielzeug. Hängen bleibt auf jeden Fall nichts, das Video ist vorbei und ich habe schon wieder alles vergessen. Zum Glück, möchte ich sagen, sonst gäb’s am Ende noch Karies von so viel Zucker, der mir in Augen und Ohren geblasen wurde.
Interessantes Detail: Im Video erfahre ich nicht, was die überhaupt machen. Könnte auch ein Baumarkt sein oder ein Paketversender oder ein Cinemaxx, der oder das Mitarbeiter sucht. Findet das Video auf der eigenen Website statt, ist das zu vernachlässigen. Wenn’s woanders läuft, ist das schwierig. Es sei denn, man ist so bekannt wie McDonald’s.
Fazit: größtmögliche Auswechselbarkeit. Schade, weil die eigentlich sonst recht außergewöhnlich daherkommen. Ich erkenne aber an, dass das Ding gut produziert ist, dafür gibt es ein ausdrückliches Lob, das hab ich schon ganz anderes gesehen!
Eva Daniela Bock & Carmen Schenkel von September: Liebevoll und umfangreich, aber wer ist Red Elephant?

Das Team feiert dieses Video, zurecht. Wer ABER Red Elephant nicht kennt, bekommt in den ersten Sekunden keinen Pack-An, was man hier spannendes tatsächlich tut.
Die Neugierde birgt Gefahr sich abzunutzen über den längeren Verlauf des Spots. Gerade jüngere Generation brauche in der Social-Media-Logik in den ersten Sekunden Klarheit, um am Ball zu bleiben. Ein Video über 3 min ist da schon sehr herausfordernd.
Was aber sehr deutlich wird: Branding (Absender) und attraktiver Standort (Wien), plus zufriedenes, treues Team.
Was fehlt und gerade in jungen Zielgruppen schnell klar werden muss:
- Was in einem Satz macht Red Elephant?
- Was ist ihre Vision?
- Und was kann ich (WIRKSAMKEIT) dort bewegen?
Das addiert wäre noch einmal ein wichtiger Hebel.
Ansonsten ist es großartig zu sehen, dass sich Firmen immer mehr Mühe geben, sich bei pot. Interessenten/Bewerber:innen zu zeigen. Bewegtbild ist da ein hervorragendes Medium, wenn ZG-konform genutzt.
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