Deep Dive Consulting – Kolumne von Jörg Hossenfelder Hochkonjunktur für Transformationsberater: Diese Consulting-Häuser trotzen der Rezession

Trotz lahmender Konjunktur entwickelt sich das Volumen des Beratungsmarktes insgesamt weiterhin positiv. Wenige Unternehmen sparen am Consulting. Diese Beobachtung macht unser Kolumnist Jörg Hossenfelder und erläutert, was die Treiber dieser Entwicklung sind und wo sich trotzdem Anzeichen einer Abkühlung bemerkbar machen.

Trotz schwacher Konjunktur bleiben Consulting-Häuser gefragte Partner für Unternehmen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen. (Bild: picture alliance / Monkey Business 2)

Die Stimmung ist mau in der deutschen Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal 2023 preis-, saison- und kalenderbereinigt leicht gesunken, die Wirtschaft tritt auf der Stelle, und anders als zunächst erwartet dürfte eine gewisse Erholung im zweiten Halbjahr ausbleiben. In nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute.

Auch im Consulting? Die Beratungen haben in den vergangenen Jahren – sieht man von der pandemiebedingten Delle ab – einen Rekordumsatz nach dem anderen vermeldet. Um 18,5 Prozent legten die Top 20 der deutschen Consultants im Jahr 2022 zu, die internationalen Beratungen um 11,5 Prozent.

Wird dieser Höhenflug nun ein jähes Ende finden und die Rezession ihre Schatten auch auf den Consulting-Markt werfen?

Noch scheint es gut zu laufen

Diese Vermutung könnte zumindest naheliegen, wirft man einen Blick auf die Entwicklung des Volumens des Managementberatungsmarktes und des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1995 bis 2022 in Deutschland. Die Entwicklung ging meistens Hand in Hand – schwächelte die Wirtschaft, so legten auch die Umsätze im Consulting-Markt eine Verschnaufpause ein.

Jedoch: Noch scheint es gut zu laufen. Die deutschen Top 20 Beratungshäuser erwarten für 2023 ein durchschnittliches Wachstum von rund 12,1 Prozent. Die Gesamtheit aller Teilnehmenden der Lünendonk-Studie „Managementberatung in Deutschland“ geht von immerhin 11,8 Prozent Umsatzplus aus.

Beratungen rüsten sich

Indes gilt: Auch für die Consulting-Branche dürften die Zeiten angesichts der lahmen Konjunktur rauer werden. Im ersten Halbjahr haben große Beratungen wie Accenture, McKinsey und Co. mit der Ankündigung von Stellenabbau im großen Stil für Aufregen gesorgt. Vor dem Hintergrund schnellen Wachstums in den vergangenen Jahren sind diese Schritte eher als „organisatorisches Zurechtstutzen“ einzuordnen, und ein Dominoeffekt in der Branche ist bisher ausgeblieben.

Aber auch Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland melden zurückhaltende Kunden, Consultants mit höherer Verweildauer „on the beach“ sowie das Anwenden von „Nichtantritts-Boni“ für einen späteren Einstieg bei jungen Talenten.

Das Finden qualifizierten Personals sowie die Aus- und Weiterbildung zählen weiterhin zu den globalen Trends im Management Consulting, jedoch steht eine Abkühlung beim Hiring an: Dies ist an der etwas gesunkenen Fluktuationsrate von 12 Prozent abzulesen.

Business Transformation sorgt für hohen Beratungsbedarf

Gerade für Boutique-Beratungen dürften die Zeiten herausfordernder werden, es sei denn, sie haben sich auf Trendthemen wie Krisenresilienz, Change- und HR-Beratung sowie Business Transformation fokussiert.

Die Kundenunternehmen sind derzeit mit zahlreichen und disruptiven Umbrüchen konfrontiert: Digitalisierung, ESG, KI und den diversen Herausforderungen der sogenannten BANI-Welt – dies alles vor dem Hintergrund einer konjunkturellen Schwächephase, die zusätzlichen Restrukturierungsbedarf mitunter gnadenlos offenlegt.

Die Expertise, das Know-how und der wertvolle Blick von außen, den Beratungen ihren Kunden in Sachen Krisenresilienz und Business Transformation hier bieten können, schätzen Unternehmen daher weiterhin als enorm wichtig ein.

Consulting-Häuser sind gefragte Partner der Unternehmen, um sich zukunftsfähig aufzustellen, und die Business Transformation der Kunden verändert auch die Beratungen selbst. Zum einen sind Beraterinnen und Berater mit völlig neuen Skills gefragt, besonders im Bereich IT-Strategie, KI sowie Nachhaltigkeit. Und die Beratungen selbst sind als Unternehmen in ihrer eigenen Organisation gleichermaßen den Herausforderungen der Transformation unterworfen und mit ähnlichen Themen wie ihre Kunden konfrontiert.

Ergo: Die Consulting-Nachfrage wächst angesichts der enormen Veränderungen auch in den aktuell konjunkturell schwierigen Zeiten – wenige Unternehmen leisten es sich hier zu sparen.

Erste Zahlen zeigen: Consulting bleibt Wachstumstreiber Nummer eins bei den Big Four

Von der Nachfrage nach dem Beratungsfeld Business Transformation profitieren qua Leistungsspektrum auch die Big Four. Bei den vier großen Prüfungs- und Beratungshäusern PwC, EY, KPMG und Deloitte hat sich schon in der jüngsten Vergangenheit abgezeichnet, dass die Consulting-Sparte mehr und mehr zum Umsatzbringer Nummer eins wird. In diesen Tagen veröffentlichen sie nach und nach ihre Zahlen für das Geschäftsjahr 2022/23, und auch wenn das Gesamtbild noch nicht vollständig ist, so zeichnet sich doch eine klare Tendenz ab:

Die Big Four wachsen weiter zweistellig – allen voran dank des Wachstumstreibers Beratung.

PwC Deutschland hat im vergangenen Geschäftsjahr eine Gesamtleistung von 2,93 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Wachstum von 317 Millionen Euro (+12,1 Prozent) gegenüber dem Vorjahr (2,61 Milliarden Euro). Zur positiven Geschäftsentwicklung trugen alle Geschäftsbereiche bei, am stärksten legte jedoch die Consulting-Sparte mit einem Plus von 19,4 Prozent zu.

Ähnlich sieht es bei Deloitte aus: Die Big-Four-Gesellschaft hat im Geschäftsjahr 2022/23 erstmals die Umsatzmarke von zwei Milliarden Euro geknackt und legte damit um +21,5 Prozent zu. Auch hier wächst das Beratungsgeschäft überdurchschnittlich um beachtliche 31,6 Prozent.

Von EY liegen derzeit lediglich die globalen Zahlen vor – das Bild ist jedoch identisch. EY wächst weltweit um 14 Prozent auf 49,9 Milliarden US-Dollar, die Erlöse aus dem Consulting steigen – auch durch Zukäufe bedingt – gar um 22 Prozent. KPMG dürfte seine Geschäftszahlen in den nächsten Tagen und Wochen veröffentlichen.

Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach Transformationsleistungen hoch bleiben wird.

Die Treiber der Transformation – Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel ebenso wie Krisenresilienz – sind Langläufer, und daneben zwingen neue Technologien wie generative KI, Big Data oder Cloud dazu, das Geschäftsmodell regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Business transformation könnte für die Beratungsbranche auch bedeuten: transforming business consulting.

 

Über die Person

Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater B2B-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.

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