Interview mit Tracy Hawkins Hybrides Arbeiten: Den gesunden Mittelweg finden

Warum wollen Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder häufiger im Büro sehen? Und wann ist es sinnvoll Meetings remote, wann im Büro stattfinden zu lassen? Tracy Hawkins ist Head of Workplace Experience and Connection bei Grammarly und leitet die Bereiche Immobilien, Arbeitsplatz, Events und Remote-First Hybrid für das Unternehmen weltweit. Für sie ist hybrides Arbeiten ein wichtiges Thema, weshalb sie uns im Interview Antwort auf diese Fragen gibt.

Tracy Hawkins’ Team schafft innovative und kollaborative Umgebung für die persönlichen Treffen der Teammitglieder in den Hubs sowie für ihre Remote-Erfahrung. (Bild: Grammarly)

Warum drängen so viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro?

Seit die Pandemie ihren Höhepunkt hinter sich gelassen hat, hat sich die Herangehensweise der Unternehmen, ihre Teammitglieder zur Rückkehr ins Büro zu ermutigen, definitiv verändert. Dieser Trend ist wirklich deutlich erkennbar. Laut einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hat nur etwa jedes fünfte Unternehmen Pläne, Telearbeitsmöglichkeiten langfristig auszuweiten. Aber da gibt's einen Haken: Die globale Arbeitsmarktstudie 2022 “Hopes and Fears” von PwC zeigt eine interessante Sache.

Speziell in Deutschland haben gerade einmal fünf Prozent der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, den Wunsch, jeden Tag ins Büro zurückzukehren. Diese Mischung aus Vorlieben macht die Suche nach einer ausgewogenen Herangehensweise wirklich knifflig.

Wir bei Grammarly haben schon 2021 ein hybrides Arbeitsmodell eingeführt, das den Fokus auf Remote-Arbeit legt. Und wir feilen immer noch daran, weil wir davon überzeugt sind, dass die Flexibilität dieses Ansatzes für beide Seiten - also Arbeitgeber und Teammitglieder - gut funktioniert und von den Mitarbeitern geschätzt wird. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass jedes Unternehmen einzigartig ist und seine eigenen Anforderungen hat, die möglicherweise durch verschiedene Arbeitsmodelle erfüllt werden können.

Wie ist Ihre Meinung zu hybriden Meetings, wenn das Treffen eigentlich im Büro stattfindet und einzelne Kollegen remote zugeschaltet werden?

Die aktuelle Bewegung, Mitarbeitende zurück in das Büro zu holen, könnte damit zusammenhängen, dass das Bedürfnis nach persönlicher Zusammenarbeit verspürt wird, um Teambuilding zu stärken. Insbesondere nach den durch die Pandemie auferlegten Einschränkungen. In der heutigen agilen Geschäftswelt gestaltet sich jedoch die Implementierung eines starren Modells, sei es ausschließlich Remote-Arbeit oder reine Büropräsenz, als eine herausfordernde Aufgabe. Interessanterweise zeigt die Forschung von Nick Bloom (Stanford University), dass die Realität oft nicht mit den Schlagzeilen übereinstimmt: Tatsächlich nehmen die Hybride und Remote-Arbeit weiterhin zu, wenn auch in langsamerem Tempo.

Während der Zeit nach dem Ausbruch des Coronavirus haben wir gelernt, unsere Arbeitsweisen anzupassen und flexibler zu handhaben. Diese Flexibilität hat es Mitarbeitenden ermöglicht, ihren Tagesablauf nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Gleichzeitig haben einige Arbeitgeber darin eine Gelegenheit gesehen, ihren Talentpool zu erweitern und ihre Teams über ein oder mehrere verschiedene Länder zu verteilen. Das bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Daher birgt die derzeitige Aufforderung zur Rückkehr zur herkömmlichen Büroumgebung für beide Seiten gewisse Schwierigkeiten.

Es existieren jedoch Mittelwege, die äußerst vielversprechend sind. Diese hybriden Modelle vereinen das Beste aus beiden Welten und können in verschiedensten Varianten angeboten werden, um den spezifischen Geschäftsanforderungen gerecht zu werden.

Wenn Teammitglieder remote arbeiten, profitieren sie von Vorteilen wie eingesparter Pendelzeit und fokussierten Arbeitszeiten. Dennoch sollte die Bedeutung der persönlichen Zusammenarbeit nicht vernachlässigt werden. Deshalb haben wir zum Beispiel vierteljährliche Treffen in unseren regionalen Hubs etabliert. Diese dienen der Förderung strategischer Planung, dem Anstoß von Projekten sowie dem kreativen Ideenaustausch, um den Teamzusammenhalt zu stärken.

Wie erklären Sie es sich, dass der Siegeszug von Remote Work offensichtlich gebremst ist?

Bei hybriden Meetings sind eine durchdachte Planung und eine gut funktionierende IT-Infrastruktur entscheidend, um sicherzustellen, dass alle einbezogen werden. Es kann beispielsweise hilfreich sein, alle Besprechungsräume in den Hubs mit Videokonferenz-Tools und zwei Bildschirmen auszustatten. Das schafft ein Gefühl der Verbundenheit und ermöglicht es den Anwesenden vor Ort, nahtlos mit ihren Kollegen online zu interagieren und umgekehrt. Darüber hinaus liegt es in der Verantwortung der Teamleiter oder Moderatoren, eine Atmosphäre der Empathie und Einbeziehung zu schaffen. Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass jede Stimme gehört wird und alle die gleichen Chancen haben, sich einzubringen.

In der Vergangenheit war auch bei uns die Meetingkultur fest verankert. Durch die Umstellung auf asynchrones Arbeiten und die verstärkte Nutzung gemeinsamer Dokumente konnten wir jedoch nicht nur die Anzahl der Meetings reduzieren, sondern auch globaler agieren. Asynchrone Arbeit fördert unterschiedliche Ideen und ermöglicht weltweite Beteiligung. Manchmal ist die beste Besprechung die, die einfach ausfällt!

Was kann aus Ihrer Sicht den Social-Kit ersetzen (wie das nette Miteinander mit Kollegen im Büro), wenn der Großteil der Kollegen nur noch sehr selten im Büro anzutreffen ist?

Es kann hilfreich sein, eine starke Bindung und ein Zugehörigkeitsgefühl zwischen Teammitgliedern zu fördern, unabhängig davon, ob sie aus der Ferne arbeiten oder persönlich vor Ort sind. Für die Remote-Arbeit können interne Instrumente entwickelt werden, um diese Verbindung aufrechtzuerhalten. Regelmäßige Townhall-Meetings und All-Hands-Meetings können alle über die neuesten Unternehmensentwicklungen und Geschäftsprioritäten auf dem Laufenden halten. Ein Unternehmen kann den Social-Kit festigen, indem es eine Vielzahl von Online-Veranstaltungen organisiert, von informativen Vorträgen bis hin zu kreativen Workshops. Darüber hinaus haben Teamleiter die Möglichkeit, maßgeschneiderte Online-Veranstaltungen für ihre Teams zu organisieren.

Besonders wichtig für uns sind unsere vierteljährlichen persönlichen Treffen in den Hubs, die fest in unser Arbeitsmodell integriert sind. Wir sind davon überzeugt, dass diese persönlichen Treffen unsere Beziehungen während der Telearbeit stärken. Bei diesen Treffen geht es oft um strategische Themen wie Planung, Projektstart und Ideenfindung, aber wir legen auch großen Wert auf informelle Momente.

Es wird ein Umfeld geschaffen, in dem die Teams einander kennenlernen und etwas zusammen unternehmen können.

Das kann die Teilnahme an Workshops sein, Erkundungstouren durch die Stadt oder einfach ein entspanntes gemeinsames Abendessen.

Sabine Prohaska schreibt in ihrem Artikel über den Proximity Bias. Dieser führe fast zwangsläufig dazu, dass Kollegen, die häufiger im Büro sind, von Chefs und Kollegen stärker wahrgenommen werden. Kennen Sie diesen Bias? Wie relevant ist das für das hybride Arbeiten Ihrer Meinung nach?

Der Schlüssel zum Erfolg in einem hybriden Arbeitsmodell liegt in der Empathie und Anpassungsfähigkeit. Dies gilt insbesondere für hybride Sitzungen. Oberste Priorität sollte sein, sicherzustellen, dass alle Besprechungen für die Fernteilnahme geeignet sind. Unabhängig davon, ob die Teammitglieder von zu Hause oder vom Hub aus an den Besprechungen teilnehmen (wenn sie sich für einen Tag im Büro entscheiden), gilt es, sicherzustellen, dass sich alle einbezogen fühlen. Es darf keine Vorzugsbehandlung geben für diejenigen, die vor Ort sind. Unser Hauptziel ist es zum Beispiel, Wahlmöglichkeiten und Flexibilität zu bieten und gleichzeitig Gleichberechtigung zu gewährleisten. Diese Grundsätze sind fest in unseren Unternehmenswerten verankert.

Durch gezielte persönliche Begegnungen können regelmäßig soziale Bindungen gepflegt und das Grundvertrauen gefestigt werden. Diese Faktoren ermöglichen es, auch dann effektiv zu arbeiten, wenn Teams räumlich getrennt sind und im Remote-First-Modus arbeiten.

Wir achten zum Beispiel besonders darauf, dass die Teammitglieder Zeit mit den Führungskräften verbringen können und das Gefühl haben, gehört zu werden. Dies stellt sicher, dass der Zugang ausgewogen ist und wir aktiv verhindern, dass eine Befangenheit aufgrund der räumlichen Nähe entsteht.

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Über die Person

Tracy Hawkins ist Head of Workplace Experience and Connection bei Grammarly und leitet die Bereiche Immobilien, Arbeitsplatz, Events und Remote-First Hybrid für das Unternehmen weltweit.  Sie ist verantwortlich für alle Grammarly-Standorte, die als “Hubs” bekannt sind, darunter auch für den in 2022 eröffneten Hub des Unternehmens in Berlin. Hawkins’ Team schafft innovative und kollaborative Umgebung für die persönlichen Treffen der Teammitglieder in den Hubs sowie für ihre Remote-Erfahrung. Sie... mehr

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