#1Blick vom Beratungsforscher Hype, Hokuspokus oder harte Arbeit? Themenentwicklung im Consulting

Was wird das nächste Pop-It oder der Fidget-Spinner der Consultingbranche? Ähnlich dem Murmeltiertag kommt auch der Motivationsschub zur Themenentwicklung alljährlich wieder. Mit einer Thought-Leadership-Positionierung sollen Kunden begeistert, neue Mitarbeiter angezogen und vorhanden motiviert werden. Einige Themen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Hokuspokus, manche als kurzfristiger Hype und hinter wieder anderen steckt harte Arbeit. Die Consulting-Branche ist hier Treiber und Getriebene zugleich.

Was wird das nächste Pop-It der Consultingbranche? Was löst den nächsten Hype aus? (Bildnachweis: picture alliance/dpa | Guido Kirchner)

Thought Leadership und aktuelle Projekte

In den ersten Wochen und Monaten eines neuen Jahres, wenn Motivation und Engagement noch hoch sind, wird in vielen Beratungen die so genannte Themenentwicklung forciert. Consultants aller Leistungsklassen überlegen dann, mit welchen Themen sich wohl in der nahen Zukunft Geld verdienen lässt und wie man sie den Kunden schmackhaft machen kann. Junior Consultants müssen dafür häufig Daten sammeln beziehungsweise generieren, Senior Consultants schreiben mit Hilfe dieser Daten beispielsweise White Paper und die Partner versuchen aus all dem neue Projekte zu generieren.

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. sieht beispielsweise Themen wie Remote- und mobile Arbeit als Trendthemen. BCG entdeckt das Themenfeld E-Commerce (nochmal) neu, die Schlagworte Agilität und Purpose sind omnipräsent und aus keiner Firmenpräsentation wegzudenken. Auch die Nachhaltigkeit wird derart gepusht, dass sogar die Investmentprofis von KKR eine spezialisierte Consulting-Firma gekauft haben – und dafür bereit waren, ein Umsatzmultiple von 4 als Kaufpreis zu zahlen. Selbstredend lässt sich die Aufzählung fast beliebig verlängern.

Welches Thema ist wie spannend und nachhaltig?

Leider verändert sich diese Liste auch schneller, als manchen Consultants (und ihren Kunden) lieb ist. Um hier nicht den Überblick zu verlieren ist es hilfreich, zwischen Hypes, Moden und Trends zu unterscheiden. Ein Hype ist eine Art Welle oberflächlicher Begeisterung und damit von eher kurzzeitiger Dauer. Eine Mode erstreckt sich meist über einen etwas längeren Zeitraum und ist etwas, das einem zeitbedingten verbreiteten Interesse entspricht. Der Trend deckt schließlich einen noch längeren Zeitraum ab und stellt allgemein eine Entwicklung oder eine Entwicklungstendenz dar.

Verschiedene Werkzeuge helfen dabei, einzelne Themen möglichst zügig und möglichst genau einzuordnen oder zu bestimmen. Im IT- bzw. Technologiesektor ist der Hype Cycle der Marktforscher von Gartner ein beliebtes Instrument, das Phasenmodell der Industriellen Revolutionen will den Fertigungsunternehmen eine Handlungshilfe anbieten und die Konsumgüterbranche versucht mit Hilfe von langfristigen soziokulturellen und Zeitgeist-Entwicklungen Konsumtrends zu antizipieren und auszubeuten.

Wichtige Wirkung nach außen …

Für Consultants sind diese Entwicklungen an mindestens zwei Stellen wichtig. Zum einen erklären sie ihren Kunden die Hypes, Moden und Trends und bieten sich hier als Lotsen an. Zum anderen kreieren sie diese auch (oder versuchen es zumindest). Die Logik hinter dieser Idee ist bestechend einfach. Eine neue technologische, soziologische oder betriebswirtschaftliche Entwicklung verursacht zunächst Unsicherheit beim Kunden. Berater können diese Unsicherheit aufgreifen und sie im Rahmen von Projekten analysieren und verringern.

Die Branche profitiert also von neuen Trends, greift neue Ideen gerne auf und verarbeitet sie in Projektangeboten. Das Wissen über die recht einfache Beziehungskette „neue Entwicklungen à Unsicherheit bei Kunden à Beauftragung neuer Projekte à Umsatzanstieg bei Consultants“ hilft zu verstehen, warum eigentlich ganz pragmatische, intelligente und vernünftige Berater plötzlich voller Inbrunst als Verkünder einer neuen Heilslehre auftreten: Es geht ums Geld.

… aber Managementherausforderung intern

Während nach außen die Themen positioniert und dann als Projekte verkauft werden, müssen gleichzeitig die eigenen Ressourcen intern gesteuert werden, um nicht zu früh auf einen Entwicklungs-Zug aufzuspringen, zu lange mit ihm zu fahren oder ihn gar zu verpassen. Ein spezielles Management-Cockpit, das den einzelnen Themen einen Einführungs-, Wachstums-, Reife-, Rückgangs- oder Aufgabe-Charakter zuweist, hilft hierbei. Entsprechend diesen Phasen werden Mitarbeiter unterschiedlich intensiv geschult und Vertriebsaktivitäten gesteuert. Auch die weiter oben angesprochene Themenentwicklung orientiert sich hieran, um wirklich mit Thought Leadership zu glänzen und um weder zu früh Projektideen zu lancieren, noch zu spät zur Party zu kommen.

Wichtig dabei ist zu identifizieren, an welchen Stellen man nur mit harter Arbeit weiterkommt, wo man einem Hype kurzfristig ausnutzen kann und wo einem einfach nur Hokuspokus begegnet, den man besser links liegen lässt. Dies ist jedoch alles andere als einfach und meist auch aufwendig. Aber jedem neuen Schlagwort blind hinterherzulaufen ist nicht nur noch ressourcenintensiver, sondern zerstört irgendwann auch die mühsam aufgebaute bisherige Positionierung. Für Consultants gibt es viele Möglichkeiten, um sich als Thought Leader zu positionieren – eine clevere Wahl entscheidet dann, ob sie Treiber oder Getriebene der Themen sind.

Über Thomas Deelmann: 

Thomas Deelmann
Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung, berät bei strategischen Fragen, ist unter anderem Herausgeber des Handbuchs der Unternehmensberatung, hat mit Prof. Dr. Andreas Krämer „Consulting – Ein Lehr-, Lern- und Lesebuch“ geschrieben und zuletzt „Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium“ aus Consulting-Research-Sicht analysiert sowie Handlungsempfehlungen hergeleitet. 

 

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