Bernhard Kuntz, die Profilberater Ich will mich nicht verkaufen!

Nicht jeder Consultant ist der geborene Verkäufer. Doch woher soll das Geschäft kommen? (Bild: picture alliance / Zoonar | Wavebreak Media LTD)
„Ich will mich und meine Leistungen nicht wie Waschmittel verkaufen. Das ist mit meinen Prinzipien nicht vereinbar.“ Solche Äußerungen hört man oft von Selbstständigen – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Dienstleister wie
- Berater, Trainer, Coaches gleich welcher Couleur oder
- Handwerker, Grafiker oder Rechtsanwälte handelt.
Immer wieder registriert man im Kontakt mit ihnen: Sie setzen das Verkaufen mit einem Klinkenputzen gleich – ähnlich wie bei einem Versicherungsvertreter. Dabei lassen sie sich täglich gern etwas verkaufen. Beim Bäcker. Im Zeitungskiosk. An der Tankstelle. Und wenn ihnen dort nichts verkauft würde? Dann wären sie sauer! Warum also diese negative Einstellung zum aktiven Verkauf der eigenen Leistung?
Wer volle Auftragsbücher hat, bleibt sich eher treu
Viele Freiberufler bzw. persönliche Dienstleister setzen das Verkaufen unbewusst damit gleich, anderen Menschen etwas aufzuschwatzen. Und sie pochen darauf, ihr Wertesystem verbiete ihnen dies. Welch scheinheiliges Gerede, um die eigene Unfähigkeit oder Trägheit zu kaschieren. Denn in der Regel ist das Gegenteil der Fall!
Gerade Dienstleister wie Berater und Coaches, Therapeuten und Rechtsanwälte, denen angeblich ihr Wertesystem ein aktives Verkaufen verbietet, verraten dieses meist schnell, wenn ihre Auftragsbücher leer sind und sie nicht wissen:
- Wie soll ich in zwei, drei Monaten meine Miete bezahlen?
- Womit soll ich dann meine Familie ernähren? (bzw. meinen neuen Porsche oder Tesla finanzieren?)
Trifft dann eine Kundenanfrage bei ihnen ein, sagen sie meist „Ja“ zum Auftrag – selbst wenn sie das Gefühl haben:
- Eigentlich bin ich hierfür nicht der richtige Mann oder die richtige Frau? Oder:
- Eigentlich müsste ich diesen Auftrag ablehnen, weil ….?
Denn wenn das Auftragsbuch leer ist, ist fast allen Selbstständigen das eigene Hemd näher als der Rock.
Deshalb gilt: Eine systematische Marktbearbeitung und ein aktives Verkaufen sind kein Verrat an den eigenen Prinzipien. Nein, im Gegenteil! Sie sind oft eine Voraussetzung dafür, um ihnen treu zu bleiben. Denn wenn das Auftragsbuch voll ist und ausreichend Folgeaufträge in der Pipeline sind, fällt es Selbstständigen gleich welcher Couleur auch leichter, zu potenziellen Kunden mal zu sagen: „Diesen Auftrag nehme ich nicht an, weil ….“ Oder anderes formuliert: Wer seine Leistungen aktiv vermarktet und verkauft, muss sich seltener verraten und verkaufen.
Den eigenen Markt bearbeiten statt „tagträumen“
Die eigentliche Ursache, warum viele Dienstleister „Pfui Teufel“ zum Verkaufen sagen, ist: Sie wollen zwar hohe Honorare und Umsätze erzielen, aber weder Zeit noch Geld ins Verkaufen investieren – obwohl sie Unternehmer sind. Sie hoffen, dass ihnen die Aufträge gleich „gebratenen Täubchen“ in den Mund fliegen. Dies ist in so weitgehend gesättigten Märkten wie zum Beispiel dem Beratungsmarkt und dem Coachingmarkt, in dem eine immer größere Schar von Anbietern, um eine begrenzte Zahl von Aufträgen buhlt, meist ein Tagtraum.
Vielen persönlichen Dienstleistern wie Berater und Coaches graust es zudem vor dem Verkaufen, weil sie nicht wissen, wie es funktioniert. So ist zum Beispiel den meisten Beratern gleich welcher Couleur nicht ausreichend bewusst, dass sie eine Leistung verkaufen, die aus Kundensicht in der Regel teuer ist; außerdem eine Leistung, bei der die Kaufentscheidung – aus Kundensicht – extrem risikobehaftet ist. Denn die Kunden können die immaterielle Leistung Beratung vorm Kauf weder anfassen, um ihre Qualität zu prüfen, noch können sie diese, wenn sie ihnen nicht den erhofften Nutzen bringt, zurückgeben oder umtauschen. Entsprechend zögerlich sind die meisten Personen und Organisationen, wenn es um den Kauf von Beratungsleistungen geht.
Aufgabe: die Zielkunden zur Kaufentscheidung führen
Ebenfalls nicht bewusst machen sich viele persönliche Dienstleister, dass niemand ihre Leistungen so spontan kauft wie zum Beispiel ein Eis am Stiel (weil er oder sie gerade Lust hierauf hat). Der Kaufentscheidung geht stets ein längerer Prozess voraus, in dem der Kunde mehrere Bewusstseinsstufen durchläuft.
- Bewusstseinsstufe 1: Der (Management-, Marketing-, Rechts- oder Steuer-)Berater xy existiert. Dies zu wissen, ist die Grundvoraussetzung, damit ein potenzieller Kunde einen Berater überhaupt kontaktieren kann.
- Bewusstseinsstufe 2: Der Berater xy könnte mir einen Nutzen bieten, weil …. (Konjunktiv). Gelangt ein potenzieller Kunde nicht zu dieser Überzeugung, besteht für ihn kein Anlass, sich näher über einen Berater zu informieren.
- Bewusstseinsstufe 3: Der Berater xy bietet mir einen Nutzen, weil … (Indikativ). Ohne diese Überzeugung erwägt kein Noch-nicht-Kunde ernsthaft, einem Berater einen Auftrag zu erteilen.
- Bewusstseinsstufe 4: Der Nutzen, den ich aus der Beratung ziehe, ist größer als die Investition. Nur wenn ein Interessent zu dieser Gewissheit gelangt, öffnet er sein Portemonnaie und ….
Die Hausaufgaben als Unternehmer machen
Verkaufen heißt nichts anderes, als potenzielle Kunden Schritt für Schritt zu obiger Gewissheit zu führen – aufgrund des „Mehrwerts“, den ich ihnen beispielsweise als Berater aufgrund meiner Kompetenz, Erfahrung, Arbeitsweise usw. verglichen mit den Mitbewerbern biete. Also sollten Selbstständige und Freiberufler, die mehr Aufträge möchten, sich überlegen:
- Wie mache ich meinen Zielkunden klar, dass es mich gibt?
- Wie vermittle ich Ihnen, dass ich Ihnen einen Nutzen bieten könnte?
- Wie ….?
Das Ergebnis ist ein Marketing- und Vertriebssystem, in dem die Einzelmaßnahmen (wie Webseite erstellen/optimieren, Pressearbeit betreiben, Mailings versenden usw.) wie die Zahnräder eines Uhrwerks ineinandergreifen und die Zielkunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen.
Ein solches Marketing- und Vertriebssystem setzt voraus, dass der betreffende Anbieter weiß: Wem kann ich aufgrund meiner Erfahrung und Kompetenz einen Nutzen beziehungsweise „Mehrwert“ bieten? Denn nur bezogen auf diese Zielkunden kann er eine überzeugende Verkaufsargumentation entfalten – also ihnen darlegen, warum diese sich für ihn (und keinen Mitbewerber) entscheiden sollten; und auf diese Zielkunden – und sonst niemand – sollte er dann sein Marketing und seine Verkaufsaktivitäten fokussieren.
Die eigenen Werte leben statt sie nur zu postulieren
Verkaufen bedeutet also nichts anderes, als dass ein Dienstleister seinen Zielkunden aufzeigt und transparent macht, warum sich seine Leistung für sie lohnt. Es hat nichts damit zu tun, sich zu verbiegen oder die eigenen Prinzipien und Werte zu verraten. Im Gegenteil! Eine aktive Marktbearbeitung bzw. ein aktives Verkaufen ist eine Voraussetzung dafür, ihnen treu zu bleiben, weil der Umsatz und Ertrag stimmen – weshalb man auch mal zu einem potenziellen Auftrag „Nein“ sagen oder einen nervenden Kunden in die Wüste schicken kann.
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