Susan Mathony & Claas Sandrock If they go wild, we go cool: Die Kraft starker Narrative

Positionierungschancen für CEOs, wohin man schaut. Eigentlich.
Gleichzeitig ergibt sich die Kommunikationslandschaft einer bedenklichen Paralyse hin: Während die Nachfrage nach ernsthaften Lösungen rasant steigt, stürzt die Qualität der öffentlichen Debatten im selben Tempo ab.
LinkedIn entgleitet immer mehr ins Seichte und dreht gleichzeitig irre auf. Mit sehr vielen, sehr betroffenen und mitteilungsbedürftigen Menschen. Und einst solide Wirtschaftsmedien wie das Manager Magazin rutschen auf dieser Seifenspur hinterher. Sie arbeiten sich an einem Begrüßungspost des neuen Thyssenkrupp-CEOs ab oder küren das Teetrinken und Innehalten der Top-Anwältin Anahita Thomsals relevante Effizienzhacks.
Ernsthaft?! Das ist so simpel wie schrill.
Es stellt CEOs und deren Unternehmen vor echte Probleme. Sollen sie mitmachen im neuen Unterhaltungszirkus? Welche Themen sollen sie bespielen, wenn Flachheit das neue sexy ist? Hört bei ernsten Debatten überhaupt noch jemand zu?
Die Antwort auf die letzte Frage lautet: Ja. Definitiv. Man könnte in Abwandlung eines berühmten Michelle Obama-Satzes sagen: „If they go wild, we go cool!“
Menschen wollen Lösungen sehen und hören
Dabei schlägt Substanz immer Taktik. So wie Konstanz immer Sprunghaftigkeit aussticht. Dazu gehört „nur“ Mut und eine eigene Haltung. Fortgeschrittene wagen sich sogar an CEO Aktivismus.
Was bei alledem hilft? Ein starkes strategisches Narrativ! Mit dessen Hilfe ziehen Entscheider eine nachhaltige Linie in öffentliche Debatten. Denn Narrative führen vom Situativen weg und hin zum Grundsätzlichen und zur echten Wirkung.
Strategische Narrative bilden die Klammer für Unternehmens- und Kommunikationsstrategie
Beschrieben werden darin auf zwei bis drei Seiten die Ziele, Ambitionen, die (tieferen) Bedürfnisse und offenkundigen Bedarfe der wichtigsten Stakeholder, die wichtigsten Unternehmensinitiativen und Produkte, die verantwortlichen Bereiche und so weiter.
Generische Managementfloskeln oder Denglisch sind strikt verboten. Stattdessen gibt es verständliche Worte und einfache Hauptbotschaften.
Diese wiederum sind Anknüpfungspunkte für den anschließenden Kommunikations- und Contentplan und das Business Storytelling in Analystenmeetings, Management Meetings, Videobotschaften und Townhall Calls für Mitarbeitende oder eben auch für die gesamte (sozial-) mediale Kommunikation.
Fünf Tipps für die erfolgreiche Umsetzung
Diverse Studien zeigen: Moderne CEOs sind nur dann erfolgreich, wenn sie auch „soziale Kompetenzen“ aufweisen. Eben IQ gepaart mit EQ. Zu diesen Leadership-Skills gehört nicht nur Selbsterkenntnis, sondern auch exzellente Kommunikation – beim Zuhören wie beim Senden – und die Gabe, zu erkennen, was andere denken und fühlen („Theory of Mind“).
1. Konzentration auf die eigenen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Prioritäten
Nur so geht die unternehmerische Stärke in echte Kommunikationswirkung über. Sie wird spürbar dringlich, kompetent und überzeugend. Sonst bleiben Botschaften beliebig und flach.
2. Gleichzeitig klarer Blick auf die Dialogbedürfnisse aller Stakeholder
Unternehmensprioritäten sind nur dann relevant, wenn sie die unterschiedlichen Stakeholder und die angesprochene Öffentlichkeit auch erreichen und berühren. Der Lehrsatz „Kommunikation ist immer vom Empfänger und nicht vom Sender zu denken“ gilt weiterhin.
3. Qualität der Botschaft vor Menge des Outputs
„Nie war die Botschaft so wertlos wie heute“ titelte die WirtschaftsWoche 2018. Die Aussage schon damals: Jeder von uns wird mit 10.000 bis 13.000 Werbebotschaften bombardiert. Jeden Tag. Über die Zahl sind wir heute weit hinaus – und das bei kürzeren Aufmerksamkeitsspannen. Insofern gilt mehr denn je: „Less is more“; sprich lieber einige, wenige messerscharfe Botschaften, die sich ins Hirn brennen, als medial ständig eine neue Kuh durchs Dorf treiben.
4. Einfache, knackige Sprache
Wer wirklich „gehört“ werden will und Menschen mitnehmen will – egal ob im Alltag oder der Krise – muss seine Narrative überzeugend formulieren. Und das klappt nur in der emotionalen Sprache der Menschen, statt in der rationalen, rein Zahlen-getriebenen Sprache von Investoren und Aufsichtsräten.
5. Bildhaft formulieren und Bilder zeigen
Eigentlich ein No-Brainer, sollte man meinen. Aber das Gros der Texte für die Presse oder die Websites ebenso wie die Social Media-Posts vieler Vorstände sprechen eine andere Sprache. Sie wirken oft eckig und entlang der Konzerndenke entworfen. Statt aus der Perspektive der Menschen, die sie eigentlich erreichen wollen.
LinkedIn-Posts schärfen durch ihre Kürze die Gesamtbotschaft
Klar wird seit Monaten über die Facebook-isierung von LinkedIn und die toxische Mischung aus Selfie-Liebe und austauschbarem „Cat Content“ gejammert.
Und dennoch: (Gut gemachte) LinkedIn-Posts bieten bei der Schärfung der eigenen Botschaften mindestens drei Vorteile.
1. Nach Corona wird neu verhandelt, was „das Unternehmen“ eigentlich ist.
Viele Menschen arbeiten inzwischen hybrid. Für sie ist der Social CEO häufig der „echtere“ als der, dem sie ansonsten in großen Unternehmen ohnehin so gut wie nie persönlich begegnet sind. Social Media wirkt also mindestens genauso stark nach innen wie nach außen.
2. (Gut gemacht) sind Posts nicht seicht-austauschbar, sondern mit Substanz.
Was CEOs und Top-Entscheidende in den maximal 3.000 Zeichen eines LinkedIn-Posts transportieren können, taugt sehr wahrscheinlich auch als Kernbotschaft bei Management-Meetings oder Medienterminen. Von einer 15-minütigen Rede sind oft nur drei Sätze relevant und interessant. Der Rest ist verbalisiertes Notwendiges.
3. In der Krise ist Geschwindigkeit entscheidend – und das 24/7.
Wird es in der Polykrise eng für Top-Entscheidende, kann keiner auf lange Vorlaufzeiten und Abstimmungsschleifen mit klassischen Wirtschaftsmedien warten. Geschwindigkeit ist hier ebenso King wie die Möglichkeit, selbst zu kuratieren.
Zusätzlich gilt: „Consistency is queen“; sprich die Chance, auf LinkedIn die zentralen Botschaften kontinuierlich zu wiederholen. Und eben nicht nur dreimal im Jahr in Handelsblatt und FAZ.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht für CEOs, die ihre Reputation als höchstes Gut begreifen, nie um möglichst viele LinkedIn-Follower.
Kein Vorstand sollte zur bloßen Image-Politur auf Wellen surfen. Hypes springen strategisch stets zu kurz.
Wer als Personen- bzw. Expertenmarke langfristig erfolgreich sein will, definiert zuerst seinen Markenkern, seine Positionierung, seine Haltung, seine strategischen Narrative und bleibt dann dabei.
Sie suchen Beispiele für „Inspirational Leaders“, die ihre Narrative konsequent und erfolgreich umsetzen?
Von Mercedes-Benz bis zum Hamburger Verkehrsverbund: Konsequent durchgezogene Narrative
Ola Källenius, Mercedes-Benz, transportiert mit hoher thematischer Spurtreue – und damit kommunikativ wirkungsvoll und zugleich sozusagen energiesparend – seine Vision von „nachhaltigem Luxus“.
Tim Höttges, Deutsche Telekom, sorgt sichtbar, volksnah und verständlich für die Digitalisierung Deutschlands. Auf der Website wird die Telekom-Strategie übrigens vorbildlich kurz und in einfachen, menschennahen Worten dargelegt.
Für Topleute, deren Unternehmen nicht im DAX sind und damit automatisch im Rampenlicht stehen, könnten Torsten Leue, CEO des Versicherungskonzerns Talanx, und Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin beim Hamburger Verkehrsverbund, gute Referenzen sein.
Anna-Theresa Korbutt ist eine erfahrene und dynamische Verkehrsexpertin mit Karrierestationen bei der Deutschen und Österreichischen Bahn. Nun entwickelt sie den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) weiter und bindet ihn in eine neue deutsche Verkehrspolitik ein. Die Mobilitätswende macht sie mit einer sympathischen Mischung aus professionell-persönlichen Überzeugungen und Erlebnissen und Sachentscheidungen nachvollziehbar.
Torsten Leues LinkedIn-Kommunikation ist unaufgeregt, textlich-visuell superklar gestaltet. Er spricht Themen, die er für strategisch wichtig hält, schnörkellos an. Zwei seiner Narrative zielen auf „Gemeinschaft“ und „Kultur“ ab. Das hört man eher selten und dürfte der Generation Z gefallen.
Fazit: Das starke Gegengift zu „Plain-Vanilla“
Um zum Ausgangspunkt „If they go wild, we go cool“ zurückzukehren: Draußen herrscht eine geradezu „babylonische Sprachverwirrung“. In der Welt, wie auf Unternehmensebene und damit auch im Consulting. Wer seine Markenwahrnehmung und -positionierung gezielt steuern will, setzt auf professionell gebaute Narrative.
Als starkes Gegengift zur Austauschbarkeit schaffen sie nach innen und außen Orientierung durch Erzählungen, die sich einprägen. Eben nicht „Plain-Vanilla“, sondern glasklar.
CEOs, die das beherrschen (auch durch Kommunikationsexperten unterstützt), schaffen emotionale Bindungen und damit Vertrauen. So differenzieren sie sich von der Konkurrenz. Inspirational Leaders, die das verstehen und für sich und das Unternehmen einsetzen, stabilisieren ihren Erfolg.
Über die Personen
Susanne Mathony, Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u.a. für Accenture, AlixPartners, Strategy& sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.
Claas Sandrock, Gründer von Rocketmind, einer Beratung für Strategiekommunikation. Der Unternehmer und Kommunikationsexperte war Kommunikationschef namhafter Unternehmen, Partner von Brunswick Group, der weltweit führenden Unternehmensberatung für strategische Kommunikation und hat Unicepta, ein Anbieter für Media und Marketing Intelligence, zum internationalen Innovationsführer entwickelt.
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