Frauen im Consulting: Bianca Selzer, THE MAK'ED TEAM "In meinen Augen ist die Consultingbranche (noch) nicht sehr divers"

Seit mehr als einem Monat stellen wir Ihnen an dieser Stelle spannende Frauen aus der Consultingbranche vor. Heute ist Bianca Selzer an der Reihe. Frau Selzer hat selbst noch keine direkte Ungleichbehandlung erlebt, sieht aber trotzdem in der Branche noch viel Verbesserungspotenzial, insbesondere auf Führungskräfteebene.

Wie können Frauen in der Consultingbranche dazu beitragen, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, die gleiche Chancen und Gleichbehandlung fördert?

Bianca Selzer: Ich denke, dass dies nicht nur für die Consultingbranche, sondern für alle sehr männerdominierten Branchen gilt: Frauen sollten sich trauen, den Mund aufmachen, sich gegenseitig unterstützen und sich nicht nur „beschweren“, dass etwas ungleich ist, sondern auch konstruktive Lösungsvorschläge liefern. Dafür ist es sicher sehr hilfreich, mit anderen Consultants in den Austausch zu gehen und sich zu vernetzen. Gemeinsam findet sich oft eine bessere Lösung, als wenn man alleine über ein Problem nachdenkt.

Was wünschen oder erwarten Sie von Ihren männlichen Branchenkollegen, um Chancen und Gleichbehandlung zu fördern?

Bianca Selzer: Ich hatte bisher das Glück, in der Berufswelt selbst keine (offensichtliche) Ungleichbehandlung aufgrund meines Geschlechts zu erfahren. Insofern wünsche ich mir von den männlichen Kollegen tatsächlich nichts, was ich mir nicht auch von meinen weiblichen Kolleginnen wünschen würde: Ein geschärftes Bewusstsein dafür, dass es immer noch Ungleichheiten gibt, diese zu erkennen und auch anzusprechen, um eine Veränderung zu bewirken.

Hatten Sie Mentorinnen und weibliche Vorbilder? Und wie haben Ihnen diese in Ihrer Karriere geholfen?

Bianca Selzer: Es gab und gibt starke Frauen in meinem beruflichen Umfeld, von denen ich mir gerne eine Scheibe abschneiden würde und die meinen beruflichen Werdegang beeinflusst haben. Aber diese waren weder Mentorinnen für mich, noch würde ich sie als konkretes Vorbild ansehen. Eher als Motivation oder Treiber.

So hat mich beispielsweise die Partnerin einer Unternehmensberatung, die ich als Assistentin betreut habe, darin unterstützt und bestärkt, mein Masterstudium aufzunehmen. Durch meine aktuelle Chefin, Ann-Katrin Hardenberg von THE MAK’ED TEAM, fühle ich mich sehr „empowered“, um es so schön zu sagen, und in meiner Tätigkeit bestätigt.

Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel sie weiß, und vor allem, was sie schon alles beruflich geleistet hat. Durch Ihr Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, schaffe ich es, immer wieder über mich hinauszuwachsen – und dafür bin ich sehr dankbar!

Sie haben sowohl bei einem Big Four-Unternehmen als auch in diversen kleineren Beratungen gearbeitet. Welche Unterschiede haben Sie festgestellt, und was können kleine und große Player voneinander lernen?

Bianca Selzer: Ich muss direkt zu Beginn darauf hinweisen, dass meine Erfahrung mit dem Big Four-Unternehmen einige Jahre zurückliegt, zwischendrin eine Pandemie war und sich daher schon einiges geändert haben kann.

Ich habe einen großen Unterschied im Recruiting-Prozess bemerkt. Beim Big Four Unternehmen habe ich erst einige Wochen nach Versenden meiner Bewerbung eine Rückmeldung mit Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten. Bei den kleineren Unternehmen hatte ich tatsächlich innerhalb weniger Tage eine Rückmeldung.

Beim kleinsten Unternehmen war auch ein Probearbeitstag Teil des Recruiting-Prozesses, und ich bin darüber wirklich froh und würde das auch den großen/größeren Unternehmen empfehlen. So kann noch besser festgestellt werden, ob es auf beiden Seiten ein „fit“ ist.

Auch hatte ich in den kleineren Unternehmen ein stärkeres Wir-Gefühl und mehr Kollegialität empfunden. In dem Big Four-Unternehmen habe ich selbst eine Ellbogenmentalität wahrgenommen, was an der begrenzten Anzahl an möglichen Beförderungen in einem gewissen Zeitraum liegen kann. Da muss man kämpfen und sich besonders hervorheben, um für das nächste Level berücksichtigt zu werden.

Aber das sind meine persönlichen Empfindungen, ehemalige Kolleginnen und Kollegen sehen das sicher auch anders. Gleichzeitig wurde beim Big Four-Unternehmen auch viel Wert auf Vernetzung gelegt, zum Beispiel durch eine „Happy Hour“ am Freitagnachmittag. Den Mitarbeitenden eine Möglichkeit zu geben, unverbindlich zusammenzukommen, das fehlt in kleineren Unternehmen schonmal – da kommt es dann auf die Initiative der Mitarbeitenden selbst an.

Aus der Perspektive einer Frau in der Consultingbranche, was fällt Ihnen auf und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Bianca Selzer: In meinen Augen ist die Consultingbranche (noch) nicht sehr divers, sondern ist noch stark männlich geprägt, vor allem in der Führungsebene. Oftmals gibt es nur wenige weiblichen Führungskräfte und das merkt man in meinen Augen unter anderem am Führungsstil und der Unternehmenskultur.

Es wird viel mit Druck gearbeitet, Teilzeitarbeitsmodelle sind eine Rarität, Überstunden sind eher die Regel, als die Ausnahme und wenn man pünktlich Feierabend macht, wird man schief angeschaut. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass dies nur ein Auszug meiner Erfahrungen ist und man diese Beschreibung nicht pauschalisieren sollte.

Ich bin aktuell zum Beispiel in einem Unternehmen angestellt, in welchem der Frauenanteil derzeit größer ist, als der Männeranteil, die Geschäftsführung aus einer Frau und einem Mann besteht und es sogar Teilzeitarbeitsmodelle gibt

Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Ihnen als Frau in der Rolle der Beraterin anders begegnet wird als Ihren männlichen Kollegen?

Bianca Selzer: Tatsächlich kann ich hier von keinen solchen Erfahrungen berichten, die ich nur auf mich als Frau zurückführen kann. Bisher sind mir jegliche Stakeholder eines Projektes ebenso respektvoll und offen begegnet, wie meinen männlichen Kollegen.

In der Zeit zwischen Ihrem Bachelor- und Master-Abschluss haben Sie etwa sechs Jahre lang bei unterschiedlichen Unternehmen gearbeitet. Trotzdem haben Sie sich später dazu entschlossen, Ihren akademischen Weg fortzusetzen. Was hat dazu geführt, dass Sie diese Entscheidung getroffen haben?

Mich persönlich hat meine damalige Arbeit nicht ausgefüllt, und ich habe mir „mehr“ gewünscht.

Aufgrund meines bis dato einschlägigen Berufsweges und des sehr speziellen Bachelorstudiums habe ich mir dann überlegt, wie ich weitere Türen öffnen kann. Mir war dann schnell klar, dass ich mir noch mehr Wissen aneignen möchte aus verschiedensten Bereichen – und das geht mit einem Masterstudium ganz hervorragend. Da ich auch unbedingt nochmal eine Zeit im Ausland verbringen wollte, war dann das Studium „International Business“ mit Doppelabschluss genau das Richtige für mich. Dadurch, dass ich dann schon Berufserfahrung hatte, wusste ich auch, wofür ich das Studium mache – und war entsprechend motiviert, einen sehr guten Abschluss zu machen.

Welche Aspekte ihres beruflichen Alltags bereitet Ihnen die größte Freude?

Bianca Selzer: Der Aspekt, dass es sehr abwechslungsreich und nie langweilig ist, sowie dass ich die Möglichkeit habe, mit vielen unterschiedlichen Menschen in einem Team zusammenzuarbeiten bereitet mir die größte Freude. Jedes Projekt ist anders und so sind es auch die Aufgaben und Menschen, die dazugehören.

Außerdem ist es sehr schön, sich durch die Arbeit weiter vernetzen zu können und auch nach dem Projekt mit den Team-Kolleginnen und Kollegen in Kontakt bleiben zu können. So kann man dann auch einige Zeit später durch den ein oder anderen LinkedIn Beitrag nachverfolgen, wie das Projekt nach dem Abschluss weitergewirkt hat.

Wie schaffen Sie es, Ihre Arbeit und Ihr Privatleben in Einklang zu bringen und welche Faktoren unterstützen Sie dabei?

Bianca Selzer: Jetzt wäre es sicher an der Zeit zu sagen „Ich meditiere“ oder „Ich mache regelmäßig Sport“. Aber um ganz ehrlich zu sein, klappt das „Arbeits- und Privatleben in Einklang bringen“ noch nicht so gut. Man bleibt dann doch den ein oder anderen Abend mal länger auf Arbeit, und bis man dann Zuhause ist, einkaufen war, gegessen hat oder Hausarbeit erledigt hat, ist es auch schon wieder Zeit zum Schlafen gehen.

Ich versuche mir jedoch gezielt auch Zeit für Hobbies zu nehmen und setze mir Erinnerungen in meinen Outlook-Kalender, dass ich pünktlich aufbrechen muss und vereinbare dazu auch privat „feste Termine“. Die Wochenenden sind tatsächlich ganz „privat“ – da wird nur Sonntagabends mal aufs Geschäftshandy geschaut, ob vielleicht kurzfristig ein Meeting auf Montagmorgen verschoben wurde.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie für die Consultingbranche mit Blick auf mehr Gleichberechtigung und welche Schritte müssen unternommen werden, um diese Visionen zu verwirklichen?

Bianca Selzer: In meiner Zukunftsvision, die in meinen Augen nicht nur auf die Consultingbranche, sondern auf alle Branchen mit einem hohen Männeranteil zutrifft, arbeiten noch mehr Frauen, auch in Teilzeit, in der Führungsebene von Unternehmen und es gibt keine „Gender Pay Gap“ mehr. Als Grundlage dafür sollte es realistische Arbeitszeitmodelle geben, sodass auch z. B. Teilzeitarbeit möglich gemacht wird – die im Übrigen nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern in Anspruch genommen werden kann.

Eine transparente und kompetenzbasierte Gestaltung der Gehälter ist in meinen Augen ein guter Schritt, um die „Gender Pay Gap“ zu schließen. Außerdem hat man so seinen eigenen Karriere- und Entwicklungspfad besser im Blick und weiß, wie und wohin man sich selbst entwickeln kann und welche monetären Anreize es bieten kann.

Natürlich gibt es noch viel mehr Stellhebel, um mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Ich persönlich sehe diese Stellhebel aber eher in der Gesellschaft allgemein und nicht nur spezifisch in der Consultingbranche.

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Über die Person

Bianca Selzer ist als Consultant bei THE MAK’ED TEAM tätig, einer Unternehmensberatung mit Fokus auf den Mittelstand. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen HR Management, Corporate Learning und Organisationsentwicklung.

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