Expertenkommentar: Mark Billige und Fabian Schulz, Simon-Kucher Intelligente Preisstrategie trägt zur Kundenbindung bei

Am vergangenen Dienstag verkündete Netflix die stärkste Preiserhöhung seiner Unternehmensgesichte für den US-amerikanischen Markt. Unmittelbar betroffen sind alle Neukunden. Die Preise für Bestandskunden werden graduell in den kommenden Monaten auf das neue Niveau angehoben.
Droht dem Streaming-Anbieter jetzt eine Kündigungswelle? Vermutlich nicht: Dank eines sich stetig verbessernden Angebots kann sich Netflix auf treue Kunden verlassen. In den vergangenen Jahren hat Netflix stark in sein Produktportfolio investiert: Eine immer größere Auswahl beliebter Filme und Serien sowie qualitativ hochwertige Eigenproduktionen sind auf der Plattform verfügbar. Nutzer bekommen heute mehr für ihr Geld als etwa noch vor zwei Jahren – eine sichtbare Wertsteigerung. Dadurch macht Netflix seine Preiserhöhung nachvollziehbar. Damit der Video-Dienstleister sein Angebot auch künftig ausbauen kann, müssen Preise im gleichen Maß ansteigen wie der vom Kunden empfundene Wert.
Preiserhöhung: Effektives Werkzeug zur Gewinnsteigerung
Preisanpassungen sind für Unternehmen der effektivste Weg zu höheren Gewinnen, da sie nicht etwa wie andere Maßnahmen zur Neukundengewinnung erst einmal zusätzliche Investitionen erfordern. Sie kosten wenig in der Umsetzung und haben enorme Auswirkungen. Im Subscription Business sind derlei Maßnahmen generell Teil des Geschäftsmodells – jährliche Preiserhöhungen von zwei bis sieben Prozent sind nicht untypisch. Möglich wird das durch die hohen Lock-In-Effekte: Bei Netflix erzeugt durch seine Inhalte. Dank der starken Kundenbindung erhält Netflix auf diesem Weg einfach eine Finanzspritze und ist weiterhin in der Lage, Nutzern immer neue, hochwertige Services zu bieten. Die neue Maßnahme verbessert jedoch nicht nur das Preis-Leistungs-Verhältnis von Netflix. Das intelligente und individuelle Preismanagement stärkt auch die Bindung der zahlreichen unterschiedlichen Kundensegmente. Der monatliche Preis für das Basic-Angebot steigt von acht auf neun US-Dollar und das Standard-Abo von elf auf 13 US-Dollar. Die Kosten für das Premium-Abo erhöhen sich von 14 auf 16 US-Dollar. Durch eine Erhöhung von lediglich einem US-Dollar für das Einsteigerangebot bleibt Netflix auch für preisbewusste Kunden erschwinglich. Zudem bleibt der Preis einstellig und übertritt nicht die wichtige psychologische 10-Dollar-Grenze. Bei den höherpreisigen Abonnements riskiert das Unternehmen mehr – wer sich das nicht leisten kann oder will, hat immer noch die Möglichkeit, auf eins der billigeren Modelle umzusatteln. Statt also sämtliche Preise gleichmäßig zu erhöhen, setzt Netflix auf Psychological Pricing um alle Kundenbedürfnisse optimal zu befriedigen – ein Lehrstück zum Thema Preiserhöhungen.
Lokale statt globaler Umsetzung
Auch beim Timing agiert das Unternehmen geschickt: Zwar sind die höheren Preise für Neukunden ab sofort gültig; Bestandskunden hingegen haben Zeit sich über die kommenden Monate an die gestiegenen Kosten zu gewöhnen. Zudem setzt Netflix die Maßnahme bisher nur in bestimmten Märkten um. Diese lokale Strategie kostet zwar mehr Zeit und Aufwand im Vergleich zu einer globalen Anpassung. Jedoch hat die Firma so auch die Gelegenheit, Erlerntes vom US-amerikanischen Markt in künftige Strategien einzubeziehen. Wenig überraschend haben die Märkte extrem positiv auf die Nachricht der Preiserhöhungen reagiert. An der Wall Street stiegen die Aktienpreise von Netflix um 6,5 Prozent, was den Effekt einer strategisch so geschickt durchgeführten Maßnahme unterstreicht. Netflix festigt so nicht nur seine Position als einer der führenden Streaming-Anbieter. Das Unternehmen zeigt auch, dass es diesen Wert gut monetarisieren kann.
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