Ulvi Aydin Interim Manager: Die 9 wichtigsten Rollen eines Managers auf Zeit

Ulvi Aydin
Interim Manager werden geholt, wenn Unternehmen in Schieflage sind. Oder wenn eine Firma in kurzer Zeit Knowhow benötigt, beispielsweise für einen Standortaufbau im Ausland. Oder wenn das Marketingkonzept nicht greift, die Produkteinführung lahmt und ein geschulter Blick von außen überlebensnotwendig ist. Dabei sind Interim Manager auf allen Hierarchieebenen unterwegs, müssen mit Zulieferern verhandeln, Vorstände überzeugen, Kundengespräche führen und Mitarbeiter motivieren. Man könnte fast sagen, Interim Manager sind Gladiatoren im Anzug, die die unterschiedlichsten Rollen einnehmen müssen:
Der Interim Manager als Moderator
Interim Manager müssen zwischen Geschäftsbereichen, Managementebenen und anderen Stakeholdern moderieren, um den Leuten wieder den Blick für das Wesentliche zu ermöglichen. Wenn es zwischen Buchhaltung und Vertrieb Probleme gibt, sorgen Interimer dafür, dass beide Parteien miteinander reden. Oftmals bleiben die Abteilungen in ihren Silos. So entstehen Missverständnisse und der gesamte Workflow gerät ins Stocken. Das ist alles eine Frage der Kommunikation und letztlich des Verhaltens. Kommunikationsprobleme sind Verhaltensprobleme! Und diese brechen Interim Manager auf.
Der Interim Manager als Dompteur
Unterschiedliche Auffassungen in der Unternehmensstrategie der Gesellschafter, unausgesprochene Konflikte im Familienunternehmen, geheime Agenden und Absprachen von Geldgebern und Vorständen: All das ist eher die Regel als die Ausnahme. Interim Managern schlägt von allen Seiten Wind entgegen, den sie abfangen und in positive Energie umwandeln müssen. Wie ein Löwendompteur müssen Interim Manager oftmals die unterschiedlichen Interessensgruppen bändigen, um das Unternehmen voranzubringen. Dass es dabei auch mal knallt, muss jedem klar sein. Nur so kommt das Unternehmen voran. Wo es Reibung gibt, entsteht Energie. Interim Manager legen sich nicht grundlos mit den Leuten an, sondern kämpfen immer für das Wohl des Unternehmens. Der Vorteil von Managern auf Zeit: Sie sind externe, die frei von Seilschaften und Verpflichtungen sind – und somit Probleme offen und direkt ansprechen können.
Der Interim Manager als Killer von Geschwafel
Interim Manager arbeiten extrem effizient. Von daher sehen sie sich auch immer wieder in der Rolle des Geschwafel-Killers, der alle Beteiligten dazu bringt, sich nur auf das wesentliche zu konzentrieren: Was wollen wir als Unternehmen? Vielen C-Level-Managern fällt es schwer, diese Frage zu beantworten. Oder sie schweifen aus: "Wir müssen die Fokussierung auf die Optimierung zukunftsgerichteter Prozesse legen, Synergieeffekte erzielen und Innovationskapazitäten erhöhen." Viele Interim Manager unterbrechen Verantwortliche hierbei. Denn Geschwafel ist das Letzte, was das angezählte Unternehmen jetzt benötigt. Wer nicht in Elevator-Pitch-Manier klar darstellen kann, wofür sein Unternehmen steht, hat keine Existenzberechtigung am Markt. Das klingt hart, doch Vorstände werden nichts für das Schwafeln bezahlt, sondern für intelligente Entscheidungen.
Der Interim Manager als Motivator
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Mandat sind die Mitarbeiter. Zieht die Belegschaft nicht mit, wird kein Turnaround erreicht. Daher müssen Interim Manager wissen, wer hinter dem Projekt steht und wer dem Projekt hinderlich sein kann. Interim Manager neutralisieren negative Einflüsse. Alle anderen werden motiviert. Dabei ist Motivation kein konsekutiver Prozess, sondern vielmehr ein simultanes, paralleles Thema in der Interimsarbeit. Motivation ist auch ein sehr individuelles Thema, da jeder Mensch unterschiedliche Antreiber und Motivatoren hat. Dennoch: Kontinuierliche Motivation der Beteiligten gehört in den Werkzeugkoffer eines jeden Interim Managers.
Der Interim Manager als "Pain in the Ass"
Vor allem zum Mandatsantritt müssen Interim Manager viele Gespräche mit der gesamten Belegschaft führen. Nur so können sie sich schnell einen unverblümten Eindruck darüber machen, wo es im Unternehmen hakt und wo die Ursachen liegen könnten. Aus dem Dickicht der Gespräche identifizieren Interim Manager Business-Verhinderer und drehen dummen Ideen den Hahn ab. Das ist keine bequeme Situation. Manager auf Zeit brechen die Komfortzonen aller Beteiligten auf. Ähnlich wie die Hofnarren im Mittelalter, die damals als einzige die (wenn auch ironisch verpackte) unbequeme Wahrheit ansprechen durften, ohne gleich geköpft zu werden. Interim Manager sagen also symbolisch: "Der Kaiser hat doch gar keine Kleider an!". Sie entlarven vorauseilenden Gehorsam, Vertuschen und Gute Mine zu bösem Spiel.
Der Interim Manager als KPI-Penetrator
Interim Manager sogen dafür, dass Unternehmen mit wenigen, klaren KPIs, also Erfolgskennzahlen, arbeiten. Das sollten nicht mehr als fünf sein. Diese fünf sollte aber jeder im Unternehmen kennen – nicht nur die Verantwortlichen. Nein, auch der Reinigungsdienst. So entsteht Zusammenhalt im Unternehmen und so trägt jeder auch ein Stück mehr Verantwortung. Eine Rolle von Interim Managern ist es also, allen Beteiligten die fünf wichtigsten KPIs wie aus dem Schlaf "einzutrichtern."
Der Interim Manager als Advocatus Diaboli
Geschäftsführer und Unternehmer müssen immer ein bisschen unter Verfolgungswahn leiden, um voranzukommen. Wenn im Strategie-Meeting aber plötzlich alle anwesenden Führungskräfte nur noch aus "Ja-Sagern" bestehen, müssen bei jedem Geschäftsführer die Alarmglocken schrillen. Jeder Verantwortliche braucht Leute im Team, die widersprechen. Und Interim Manager gehören dazu. Interim Manager handeln immer im Sinne des Mandanten. Um deren Strategie, Innovationspläne, Budgetverwendungen und Marketingmaßnahmen genau zu prüfen, stellen sie sich erst einmal auf die Gegenseite und suchen so viele Kontra-Argumente, wie möglich. Kurz: Sie spielen den Advocatus Diaboli. Sie stellen alles infrage.
Der Interim Manager als Schnellboot
Der wohl größte Vorteil von Interim Managern ist deren Fähigkeit, sich extrem schnell in Unternehmen einzuklinken und Prozesse, Arbeitsweisen, Organisationsstrukturen und all deren Schwachstellen in kürzester Zeit zu überblicken. Sie erkennen typische Fehlmuster in Unternehmen, weil sie diese schon tausendmal in ähnlicher Form gesehen haben. Management bedeutet, mit 80 Prozent an Informationen 100 Prozent Entscheidungen zu treffen. Absolute Sicherheit gibt es im Unternehmen nicht! Das hindert Interim Manager aber nicht daran, zu handeln.
Der Interim Manager als Goldgräber
Ob im Führungsteam oder auf der untersten Mitarbeiterebene. In der Regel sind ca. 20 Prozent der Mitarbeiter pures Gold für Unternehmen. Nach diesem Gold graben Interim Manager. Sie identifizieren diese 20 Prozent, die mit 150 Prozent bei der Sache sind – und fördern sie. Das motiviert sie und steckt auch andere Mitarbeiter an. Interimer fördern offenen und direkten Umgang und gewinnen so das Vertrauen. Wenn der Funke erst einmal überspringt, besteht die Mannschaft plötzlich aus vielen erfolgshungrigen Entrepreneuren in Aufbruchstimmung und Goldrausch. Und das Unternehmen hat eine enorme Schubkraft. Interim Manager haben die Aufgabe, im Unternehmen nach Gold zu schürfen und die 20 Prozent hochkarätiges ans Tageslicht zu befördern. Diejenigen, die mit Herz und Verstand bei der Sache sind.
(Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Buch "Der goldene Arschtritt – Insights eines Interim Managers" von Ulvi Aydin.)
Zum Autor: Ulvi AYDIN, Jahrgang 1960 und Preisträger des Interim Management Projekts 2018, wird von seinen Kunden »People Mover« genannt. Er ist ein erfahrener, ergebnisorientierter und international agierender CEO und CSO. Als Unternehmensentwickler und Interim Manager unterstützt er mittelständische Unternehmen und Konzerne bei der Marken- und Marktentwicklung, Neu-Positionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz.
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