Interview mit Philipp Maier zum Webinar in der Woche des Consultings „Die Innovationsbereitschaft und Ideen der Kunden selbst wird von ‚den Großen' viel zu oft unterschätzt"

Philipp Maier, Co-Founder & Geschäftsführer von White Label Advisory
Ihr Web-Seminar im Rahmen der Woche des Consultings liefert Argumente für die Beauftragung von Boutique-Beratungen. Was ist Ihnen an dem Thema so wichtig?
Philipp Maier: Mit White Label Advisory nehmen wir eine Vermittlerrolle im Einkauf und Verkauf von Beratungsleistungen ein. Dabei vertreten wir inzwischen knapp 150 mittelständische Beratungshäuser, die sich uns als Deutschlands größtem Generalunternehmen für Beratungsleistungen angeschlossen haben. Die Bedeutung mittelständischer, spezialisierter Beratungen ergibt sich damit für mein Team und mich somit schon „qua Business-Modell“. Doch auch darüber hinaus haben mein Co-Founder Philipp Weber und ich während unserer aktiven Zeit als Unternehmensberater bei mittelständischen Beratungen selbst miterlebt, was es heißt, für sogenannte „Hidden Champions“ des Beratungsmarkts zu arbeiten – oder in noch viel kleineren Boutiquen regelmäßig „gegen die Großen“ anzutreten. Unsere Erfahrung ist, dass viele beauftragende Unternehmen gern mit spezialisierten Boutique-Beratungen arbeiten würden – es jedoch oft an Transparenz (und zum Teil an Mut im Fachbereich oder Einkauf) fehlt, schlussendlich in der Vergabe von den vermeintlich etablierten Dienstleistern abzuweichen. Da wir aus eigener Erfahrung von der Qualität und dem Leistungswillen mittelständischer Boutique-Beratungen überzeugt sind und in unserer täglichen Arbeit erleben, wie sich spezialisierte Anbieter gegen die Big4 oder die angelsächsischen Generalisten durchsetzen (wenn man ihnen denn die Chance gibt), ist uns das Thema so wichtig und verdient aus unserer Sicht einen eigenen Slot bei der Woche des Consultings.
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Welche Kompetenzen besitzen Boutique-Beratungen im Vergleich zu großen Beratungsfirmen?
Philipp Maier: Wenn wir bei White Label Advisory von Beratungskompetenzen sprechen, unterscheiden wir grundsätzlich dreierlei Arten von Kompetenzen: 1. die funktionale Expertise, 2. das Branchen-Knowhow und 3. die Arbeitsweise bei und mit dem Kunden. Hinsichtlich der Fachlichkeit und der Industriekenntnis wäre es aus meiner Sicht zu pauschal, hier einen generellen Vergleich zu unternehmen. Sicherlich bieten Boutique-Beratungen oftmals allein durch den strukturellen Größenunterschied eine Fokussierung auf einzelne Kernthemen oder Industrien. Doch auch große Beratungsfirmen können dies durch die Formierung einzelner Competence Center oder Tochterfirmen spezialisiert anbieten.
Den entscheidenden Unterschied sehen wir vielmehr in der Art und Weise der Zusammenarbeit. Unserer Erfahrung nach schaffen es Boutique-Beratungen in der Arbeit bei und mit dem Kunden eine andere Augenhöhe herzustellen und schneller eine gemeinsame Sprache zu finden.
Dadurch, dass bei Boutique-Beratungen oftmals die Geschäftsführung oder Inhaberinnen und Inhaber noch selbst mit in die Projektarbeit eingebunden sind – oder zumindest nicht so weit weg sind, wie es rein strukturell bei den großen Beratungsfirmen der Fall ist – steigt die Selbstverpflichtung für den jeweiligen Projekterfolg. Die Partnerin einer unserer angeschlossenen Beratungs-Boutiquen hat dies auf unsere Frage nach dem wesentlichen Unterschied zwischen großen und kleinen Beratungen einmal wie folgt zusammengefasst: „Im Vergleich lassen sich kleinere Beratungen stärker auf die Kunden ein, sind flexibler in der Anpassung ihrer Produkte und haben häufig auch persönlichere Verhältnisse zu ihren Kunden. Wir sind viel ehrlicher, wenn es um Erkenntnisse geht, die weh tun und viel näher dran, wenn es in die Umsetzungsbegleitung geht.“
Können Boutique-Beratungen in Sachen digitaler und technologischer Fortschritt überhaupt mit den großen Häusern mithalten?
Philipp Maier: Das kommt ganz darauf an, was genau ein Kunde tatsächlich von einer Beratung in der Zusammenarbeit erwartet. Sicher bieten die großen, internationalen Häuser andere, zum Teil infrastrukturelle oder organisatorische Möglichkeiten. Ob eigene Data-Labs, Kooperationen mit renommierten Universitäten oder eigenen Think Tanks – „die Großen“ müssen schlussendlich ihrer Positionierung und Marke gerecht werden.
Doch auch hier steht pure Größe nicht für automatisch mehr Fortschritt – und kleinere Beratungen schon gar nicht für Stillstand oder Rückschritt – im Gegenteil.
Aktuell begleiten wir einen Kunden in der Ausschreibung eines Beratungsmandats, bei dem es darum geht, ein Zukunftsbild für einen ganzen Industriezweig aufzuzeigen. Der Kunde hat hier bewusst darum gebeten, eine spezialisierte Boutique-Beratung zu beauftragen, da man sich so eine direktere Zusammenarbeit erhofft und in der Vergangenheit vom Preis-Leistungsverhältnis größerer Häuser enttäuscht wurde. Kurzum: Aus unserer Sicht ist es absolut überlebensnotwendig, als Beratungs-Boutique in Sachen digitaler und technologischer Fortschritt mitreden zu können. Sicherlich nicht immer in erster Reihe und im Setzen der Themen. In der tatsächlichen Umsetzung sehen wir hier jedoch wieder die Stärken von spezialisierten Häusern, entsprechende Veränderungen (be)greifbar zu machen – oder einfach das Bewusstsein dafür zu haben, welche Innovationsbereitschaft und Ideen die Kunden selbst haben. Dies wird unserer Wahrnehmung nach nämlich von „den Großen“ viel zu oft unterschätzt.
"White Label" steht als Begriff für Dienstleistungen oder Produkte, die vom Hersteller nicht unter dem eigenen Label verkauft werden. In Boutiquen findet man in der Regel vor allem Marken, die verkauft werden. Wie passen die Begriffe "White Label” und “Boutique" zusammen?
Philipp Maier: Ganz einfach: Mit White Label Advisory bieten wir im ersten Schritt ein Portfolio mittelständischer und ausgezeichneter Beratungen. Diese sind jedoch erst im zweiten Schritt für das beauftragende Unternehmen sichtbar, da wir die Beratungen selbst entscheiden lassen, wie und auf welche Ausschreibungen sie anbieten. Der Kunde kauft daher nicht „die Katze im Sack“. In dem Moment, wo eines unserer Beratungshäuser sich für eine Angebotsabgabe entscheidet, „fällt der White Label-Vorhang“, und die Beratung und das angebotene Team werden für das beauftragende Unternehmen sichtbar. Die Marke und Positionierung spielen daher auch bei uns eine wichtige Rolle. Dank vergleichbarer Profile und Rate-Cards schaffen wir im Sinne eines 1-Kreditorenmodells jedoch eine Harmonisierung, Vergleichbarkeit und Transparenz zwischen verschiedenen Anbietern. Oftmals sind die jeweiligen Beraterinnen und Berater unserer Advisor aber der entscheidende Faktor, wenn es um eine positive Vergabe geht.
Am Ende ist Beratung „People Business“ und eine Beratungsmarke oder ein fachliches Leistungsversprechen nur so stark wie die Summe der einzelnen Mitarbeitenden.
Wie sieht der typische Kundenstamm von Boutique-Beratungen aus? Gibt es Branchen, in denen Boutique-Beratungen häufiger als in anderen beauftragt werden?
Philipp Maier: Wir können aus unserer Arbeit heraus keine typische Branche ableiten, die häufiger Boutique-Beratungen beauftragt als andere. Eher sehen wir gewisse Größenklassen, in denen es in der betrieblichen Praxis einfacher gelingt, neue Wege in der Beschaffung von Beratungsleistungen zu gehen. Oder treffen auf einzelne Einkäuferinnen und Einkäufer, die persönlich motiviert sind, bestehende Vergabeprozesse gemeinsam mit uns weiterzuentwickeln. Den grundsätzlichen Wunsch nach mehr Unabhängigkeit „von den Großen“ und mehr Vielfalt in der Beauftragung hören wir indes branchenübergreifend und vom familiengeführten Mittelständler bis zum DAX-Konzern.
Besonderen Nachholbedarf sehen wir allerdings im öffentlichen Sektor, wo die Ausschreibungsverfahren leider oftmals noch große Hürden für eine Beauftragung kleinerer, spezialisierter Beratungshäuser darstellen.
In Ihrer Eventbeschreibung schreiben Sie, dass die "Politik" bei der Beauftragung von Beratungen in Unternehmen oft eine zu entscheidende Rolle spielt. Was meinen Sie damit?
Philipp Maier: In erster Linie meinen wir damit die „Unternehmenspolitik“. Immer wieder hören wir von Klienten, dass eine Vergabe, insbesondere bei größeren Ausschreibungen, vorstandsseitig aus „politischen Gründen“ an denen einen oder anderen Anbieter erfolgen soll oder durch den Fachbereich bereits ein Anbieter ausgewählt wurde, sogenanntes Maverick-Buying. Das Vorleben einer echten „Ausschreibungs-Governance“ ist daher unserer Ansicht nach ein Top-Managementaufgabe. Bei White Label Advisory nennen wir das die „Challanger“- oder „Entdecker“-Funktion und sorgen gemeinsam mit dem Einkauf oder dem Management dafür, mit wenig Aufwand ein professionelles und qualitativ hochwertiges Wettbewerbsumfeld für Beratungsleistungen zu schaffen - auch wenn dies mitunter bestehende Seilschaften zu bestehenden Partnern oder „Vergabe-wie-immer-Prozesse“ hinterfragt.
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Gibt es Themenfelder, bei denen Sie ganz klar sagen würden, dass Unternehmen bei großen Beratungshäusern besser aufgehoben sind?
Philipp Maier: Ja, in aller Offenheit gehört es auch dazu, dass Boutique-Beratungen die Grenzen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit kennen und sollten dies dem Kunden gegenüber klar machen. Boutique-Beratungen machen sich sonst unglaubwürdig, wenn sie zum Beispiel für Folgebeauftragungen immer weiter von ihrem eigentlichen Beratungsschwerpunkt und Beauftragungsgegenstand abweichen. Auch kann es Projektsituationen geben, in denen vom Kunden zum Bespiel eine internationale Präsenz oder eine Team-Größe gefordert wird, die kleinere Beratungen – auch mit Partnern – nicht so glaubhaft abgebildet bekommen wie die großen, internationalen Beratungshäuser.
Inwiefern sind Boutique-Beratungen in der Lage, schnellere und effektivere Ergebnisse zu liefern als große Beratungsunternehmen?
Philipp Maier: Die Geschwindigkeit und Effektivität von Beratungsergebnissen hängt unserer Wahrnehmung nach stark von der Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Beraterinnen und Beratern und den Kunden-Teams ab. Dafür ist oftmals das Vertrauen in der Zusammenarbeit entscheidend. Je schneller „Interne und Externe“ in einen gemeinsamen Arbeitsmodus kommen, desto eher können tragfähige Konzepte und Umsetzungen erarbeitet werden.
Sogenannte „One-Fits-All“ Lösungen findet man dabei bei Boutique-Beratungen selten.
Und auch wenn die Individualisierung und die operative Begleitung im Projekt sich im ersten Moment nach mehr Arbeit anhören, kann es schlussendlich zu einem schnelleren, effektivieren und nachhaltigen Erfolg führen, da die Akzeptanz und Umsetzungsfähigkeit von vornherein eine der obersten Prämissen in der Zusammenarbeit mit einer Boutique-Beratung darstellen.
Über die Person
Philipp Maier ist Co-Founder & Geschäftsführer von White Label Advisory – Deutschlands größtem Generalunternehmen für Beratungsleistungen. Nach seinem berufsbegleitenden Studium der Betriebswirtschaftslehre an der HSBA arbeitete er über 10 Jahre in der Unternehmensberatung im IT-Management & Controlling-Umfeld (Multiversum Consulting und zuletzt als Senior Manager für Horváth) und studierte zudem Philosophie, Politik und Wirtschaft an der LMU in München. Gemeinsam mit seinem ehemaligen... mehr
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