Deutscher Beratertag 2023 in Düsseldorf KI als Must-have, Transformation als Herausforderung

Die globalen wirtschaftlichen Herausforderungen im Allgemeinen und die Zukunft der Beratungsbranche im Speziellen standen auf der Agenda des diesjährigen „Deutschen Beratertags“. Die vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen organisierte Veranstaltung bot einen aufschlussreichen Blick in die Welt der Unternehmensberatung im Zeitalter der digitalen Transformation.

Die Runde zur KI in der Praxis (von links): Bert Fröndhoff, Dr. Sebastian Vieregg, Dr. Marlene Spangenberg, Dr. Alexandra Denise Holtschulte, Ralf Pichler und BDU-Geschäftsführerin Nicole Averesch. (Bild: sg)

Der "Deutsche Beratertag" des Bundesverbandes der Deutschen Unternehmensberatungen am 3. November 2023 in Düsseldorf konnte mit rund 280 Teilnehmenden wieder an das Besucherniveau von 2022 anknüpfen. Die bedeutendste Veranstaltung für Beratende in Deutschland widmete sich den aktuellen Schlüsselthemen der Branche, darunter Künstliche Intelligenz, die Zukunft der Beratung und Recruiting. Die Veranstaltung wurde erneut von Bert Fröndhoff vom Handelsblatt moderiert und bot ein vielfältiges Programm, bestehend aus Vorträgen, Diskussionsrunden und intensiven Workshops.  

Makroökonomische Herausforderungen und Unsicherheiten 

Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Zentrums für Europäische Politik (CEP) und Professor an der BSP Business and Law School, beleuchtete in seiner Keynote zum Auftakt der Veranstaltung die aktuellen Herausforderungen der Weltwirtschaft und schlug Strategien zur Bewältigung dieser globalen Krisen vor. Vöpels Botschaft war klar: Die Welt steht an einem kritischen Wendepunkt und muss mutig in die Zukunft blicken, anstatt sich ängstlich in der Vergangenheit zu verlieren.

Prof. Dr. Henning Vöpel bei seiner Keynote (Bild:SG)

Prof. Dr. Henning Vöpel bei seiner Keynote (Bild:sg)

Die makroökonomische Entwicklung sei ein Schlüsselaspekt dieser Transformation. Vöpel wies auf die sich verengenden Handlungsspielräume in der Realwirtschaft hin. Hohe fiskalische Schulden, fallende Inflationsraten und ein schwaches strukturelles Wachstum seien ernsthafte Herausforderungen. Der Weg in die neue Normalität gestalte sich als äußerst komplex. Stagflation, gekennzeichnet durch niedriges Potenzialwachstum und zunehmende Verteilungskonflikte, könnte in einem inflationären Umfeld verharren. Eine schnelle Erholung sei unwahrscheinlich, und die Unsicherheit in Bezug auf Zinsen, Energiepreise und geopolitische Entwicklungen trübe die Aussichten. Vöpels Fazit aus dieser Analyse ist dreigeteilt:

Erstens: Die Welt bewegt sich auf eine geopolitische Neuordnung zu, bei der die Weltwirtschaft weiter fragmentiert. Deutschland und Europa stehen vor einem erheblichen Strategiedefizit.
Zweitens: Es muss eine Agenda-Politik verfolgt werden, die auf globale Kooperation, Sicherheitspolitik und wirtschaftliche Stärkung abzielt. 
Drittens: Robuste Strategien sind notwendig, um Sicherheit und Resilienz zu gewährleisten, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren, Lieferketten zu diversifizieren und die Transformation voranzutreiben.  

Vöpels Ausblick auf das Jahr 2024 zeigt, dass Krisen bewältigt und Konflikte eingedämmt werden müssen. Kapazitäten für Sicherheit und Resilienz müssen aufgebaut werden, und die Transformation sollte pragmatisch vorangetrieben werden. 

Die Lage in der Beratungsbranche 

Ralf Strehlau, Präsident des BDU, stellte im Interview mit Moderator Bert Fröndhoff die Frage in den Raum, ob die Consulting-Branche mehr wirtschaftliche und politische Stellung beziehen sollte. Angesichts der aktuellen Lage, die von Unsicherheiten geprägt ist, gab er vor den Hintergrund des aktuellen Geschäftsklimaindex zu bedenken:

„Es gab einen großen Einbruch vom ersten zum zweiten Quartal. Wir machen uns Sorgen.“

Die anhaltenden Krisen hätten auch die Beratungsbranche nicht verschont, und eine differenzierte Betrachtung der Zukunft sei unerlässlich.  

Strehlau ging auch auf die Folgen der Corona-Pandemie ein, die das mobile Arbeiten auch in der Beratungsbranche zum Standard gemacht hat. Im Durchschnitt gewähren Consulting-Unternehmen ihren Mitarbeitenden 4,3 Tage mobiles Arbeiten pro Woche. Ein Fünftel der Beratungsunternehmen hat bereits ihre Büroflächen reduziert, was Strehlau mit den Worten kommentierte: "Wir brauchen die Fläche einfach nicht mehr." Trotz der Vorteile berge mobiles Arbeiten auch Herausforderungen. Die Vernetzung, das Onboarding neuer Mitarbeiter und der erschwerte Wissensaustausch seien nur einige der Aspekte, die die Branche bewältigen müsse. Fachkräftemangel ist ein weiteres Thema, dass die Beratungsbranche umtreibt. Eine Folge: Die Erwartungen von Studierenden hinsichtlich der Einstiegsgehälter haben sich deutlich gesteigert. Im Jahr 2019 forderten Einsteiger noch 54.000 Euro Jahresgehalt, während es 2023 bereits 66.000 Euro sind.  

Ralf Strehlau schloss trotz aller Herausforderungen mit einem optimistischen Ausblick und betonte, dass die Consulting-Branche die Stärke hat, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Er ist überzeugt, dass die Branche in Zukunft ein starkes Wachstum erleben wird, trotz der aktuellen Herausforderungen. 

KI in Deutschland: Chancen und Trends 

Dr. Sebastian Vieregg von Google berichtete in seiner Präsentation, dass bereits 600.000 Unternehmen in Deutschland KI nutzen. Zudem planten 50 Prozent, in KI zu investieren. Aktuelle Anwendungen umfassen Dokumentation, Datenanalyse, Marketing und Vertrieb. KI-Assistenten gewinnen an Bedeutung und werden personalisierter. Die Bedürfnisse der Mandanten liegen in praxisorientierten Modellen und Tools. Die Zukunft der KI in Deutschland verspricht spannende Entwicklungen und Chancen. 

KI in der Beratung: Chancen und Herausforderungen 

Auch in der Podiumsdiskussion brachte Vieregg seine Expertise ein. Zusammen mit Ralf Pichler von T-Systems, Dr. Alexandra Denise Holtschulte von MHP Management- und IT-Beratung GmbH und Dr. Marlene Spangenberg von IBM Consulting bot die Diskussion ein breites Spektrum an Einblicken und Erfahrungen. 

Ralf Pichler eröffnete diese mit der provokanten Behauptung, dass "KI wie das neue Excel" sei. Die Teilnehmer stimmten dem zu, und damit wurde klar, dass KI bereits einen festen Platz im Berateralltag hat. Spangenberg und Vieregg betonten, dass mit KI besondere Chance verknüpft seien, die Produktivität zu erhöhen. Vieregg wies jedoch darauf hin, dass man sich nicht zu sehr auf KI verlassen sollte.

"Wir brauchen Experten, die mit KI umgehen können!"

sagte er. Holtschulte zeigte sich davon überzeugt, dass die Entwicklung von KI-Modellen sowohl für große als auch kleinere Beratungen erreichbar sei. KI sei ein "Must-Have", um das Alleinstellungsmerkmal zu steigern, fügte sie hinzu. Und Pichler ergänzte, dass gerade kleinere Beratungsunternehmen sich mit KI besser positionieren können als zuvor. 

Die Diskutanten waren sich zudem einig, dass Sicherheit und Ethik in der KI von entscheidender Bedeutung sind und gewährleistet sein müssen. 

Personalabbau entgegenwirken mit neuen Anforderungen und Berufsbildern 

Auch die Frage nach einem möglichen Personalabbau durch KI wurde diskutiert. Sebastian Vieregg räumte ein, dass es zu einem Abbau kommen könne, was aber auch positive Veränderungen mit sich bringe. Alexandra Denise Holtschulte betonte die Notwendigkeit von Aufklärung bei Mitarbeiterängsten und betonte, dass es bei KI nicht um das Ersetzen von Arbeitsplätzen, sondern um neue Wege für die Mitarbeitenden gehe. Marlene Spangenberg unterstrich, dass jeder lernen müsse, wie man mit KI umgeht. Dies führe auf natürliche Weise zu neuen Kompetenzen und Expertisen. Die Anforderungen an Neueinsteiger änderten sich, und die Bedeutung von Data Science und KI werde immer relevanter. 

Ralf Pichler war sich sicher, dass im Bereich der Data Scientists zahlreiche neue Jobs entstehen werden. Holtschulte betonte, dass Leadership durch KI neu interpretiert werden muss und noch wichtiger wird. Die Diskussion verdeutlichte, dass KI die Beratungsbranche verändert, Chancen eröffnet und gleichzeitig die Notwendigkeit für kontinuierliche Anpassungen und Weiterentwicklungen mit sich bringt. 

Beratung von morgen: Neue Arbeitsweisen im Fokus 

In einer unkonventionellen Session zur "Beratung von morgen" erlebten 60 Teilnehmende eine innovative Herangehensweise. Unter der Leitung von Ricarda Memel, BDU-Vizepräsidentin und Geschäftsführerin der Teamwille GmbH, diskutierten sie in einem World Café-Setting. Die Teilnehmenden tauschten sich in kleinen Gruppen an Pinnwänden zu verschiedenen Themen aus, darunter KI, Chancen und Risiken, Kompetenzen und Kundenbeziehungen. Innerhalb von rund 30 Minuten entstanden so Kernaussagen zu den Zukunftsfragen der Beratungsbranche. 

Fokusforum Beratung von morgen im "Worldcafe" mit Ricarda Memel

Moderne Ansätze im Consulting-Recruiting 

André Voutta, Head of Talent Attraction Germany bei BearingPoint GmbH, sprach über einen bemerkenswerten Wandel im Recruiting-Prozess. In der heutigen Zeit, in der Bewerber aus über 5000 Jobportalen auswählen können, liege die Macht zunehmend bei den Bewerbern. Unternehmen müssten sich in ihrer Strategie darauf einstellen, dass Kandidaten wie Kunden behandelt werden und ihre Bedürfnisse in jedem Schritt des Bewerbungsprozesses erfüllt werden müssen. 

Voutta betonte die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels in der Unternehmensstruktur und -kultur. Unternehmen sollten sich von einem klassischen Organigramm hin zu einem Talent Attraction-Team bewegen, das aus Spezialisten verschiedener Bereiche besteht. Dies erfordere eine umfassende Transformation des Unternehmens und könne bis zu drei Jahre dauern. Ziel sei es, den Fokus von Unternehmen zunächst auf das Motto "Kandidaten zuerst" zu verlagern und lange Recruiting-Prozesse zu überdenken, um Hindernisse für Bewerber zu reduzieren.

"Candidat first, company secound!"

Die Änderung des Mindsets der Unternehmen sei entscheidend, um im Wettbewerb um die besten Talente erfolgreich zu sein. 

Führung in Unternehmensberatungen 

Die Abschluss-Keynote hielt Prof. Dr. Armin Trost, Hochschullehrer für Organizational Behaviour an der Hochschule Furtwangen. Wirksame Führung setzt seiner Überzeugung nach ein Verständnis der besonderen Führungsumwelt voraus. Gerade in der Unternehmensberatung habe man es häufig mit einzigartigen und herausfordernden Führungsumwelten zu tun. Vor diesem Hintergrund erfordere gute Führung die Reflexion und Entwicklung eines passenden Führungsverständnisses, das man gegenüber den Geführten vermittelt und nachdem man konsequent handelt. Siehe hierzu auch das Interview in unserer neuen Sonderpublikation CONSULTINGmonthly, das CONSULTING.de im Vorfeld der Veranstaltung mit Armin Trost führte. 

Feedback der Teilnehmenden: Mehr Praxisbezug  

Während des Beraterkongresses boten die Pausen Gelegenheit für alle, sich untereinander auszutauschen und Eindrücke zu sammeln. Das Kö59 Hotel in Düsseldorf bot eine angenehme Atmosphäre und die Veranstaltung war gut organisiert. Dennoch gab es auch kritische Stimmen, vor allem in Bezug auf das Hauptthema Künstliche Intelligenz (KI). 

Viele Teilnehmende hatten konkrete Anwendungsfälle und Praxisbeispiele erwartet, insbesondere im Bereich KI. Welche Tools werden konkret verwendet, und wie werden sie bei Kunden eingesetzt? Diese Fragen blieben oft unbeantwortet. Obwohl KI-Technologien wie Chat GPT und ähnliche in aller Munde sind, fehlte die praktische Anwendungsorientierung. Große Beratungsunternehmen können sich oft eigene Inhouse-KI-Lösungen leisten, während kleinere Unternehmen auf konkrete Praxisbeispiele angewiesen sind.  

Fazit 

Insgesamt war der Beratertag in Düsseldorf eine gelungene Veranstaltung, die viele relevante Themen der Branche beleuchtete. Besonders die Vorträge von Prof. Dr. Henning Vöpel zur Weltwirtschaft und die Diskussionen über Künstliche Intelligenz hinterließen einen bleibenden Eindruck. Die kritischen Stimmen bezüglich fehlender Praxisbeispiele in Sachen KI sind berechtigt und sollten in zukünftigen Veranstaltungen stärker berücksichtigt werden. Dennoch war der Beratertag eine informative und inspirierende Erfahrung, die den Blick auf die Zukunft der Beratungsbranche öffnete. 

Impressionen zum Deutschen Beratertag 2023

 

Über die Person

Sabrina Gehrmann verantwortet als Online Event Managerin die Bereiche Webinare und Online-Events.

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