Meinung von Martin Limbeck Krise als Digital Booster: Ist das Consulting bereit für die "Amazonisierung"?

"Die Krise hat alles auf den Kopf gestellt, nichts ist mehr so wie es war!" Ist das wirklich so? Zugegeben, am Anfang mussten wir uns alle erst mal neu zurechtfinden. Nachdem der erste Schreck verdaut war, hat sich für mich allerdings immer deutlicher herauskristallisiert: So viel hat sich gar nicht verändert. Denn das Business geht weiter. Verkauft wird immer! Was sich allerdings geändert hat, sind die Verkaufs- und Kommunikationswege zum Kunden.
Klicken. Kaufen. Freuen.
Hand aufs Herz: Geben sich bei Ihnen Postboten und die verschiedene Lieferdienste auch die Klinke in die Hand? Wir alle haben in den letzten Monaten online geshoppt wie die Weltmeister. Von Lebensmitteln über Kleidung bis hin zu Möbeln, Heimwerker-Utensilien und natürlich Technik fürs Homeoffice. Zum einen natürlich, weil die Läden geschlossen hatten. Zum anderen jedoch auch, weil es einfach, bequem und schnell geht. Und die Nase vorn haben dabei ganz klar die Anbieter wie Amazon und Co., die nicht erst jetzt entdeckt haben, dass es das Internet gibt.
Schön und gut, doch wir verkaufen als Consultants Dienstleistung und keine greifbaren Produkte.
Und ich sage Ihnen: Das ist egal! Auch wir als Berater können uns davon eine ordentliche Scheibe abschneiden. Die Digitalisierung hat im Zuge der Krise einen großen Schritt gemacht und damit die Erwartungen der Menschen als Kunden nachhaltig verändert. Schnell, einfach und ansprechend – diese Art von "Amazonisierung" ist in jeder Branche möglich. Doch sie erfordert Kraft, Anstrengung und den Mut, die nötigen Veränderungen anzugehen.
Wir alle brauchen den "digitalen Freischwimmer"!
Ich bin der Ansicht, dass der Digitalisierungsschub, den wir im Laufe des letzten Jahres erlebt haben, dringend nötig war. Doch realistisch betrachtet reicht er noch lange nicht. Viele Unternehmen mussten quasi über Nacht reagieren. Keine Präsenztermine mehr möglich? Als erste Hilfe wurden Tools wie Microsoft Teams, Webex oder Zoom eingeführt und den Mitarbeitern gewissermaßen als Schwimmhilfe zugeworfen. Auf den ersten Blick natürlich gut, damit das Business weitergehen konnte.
Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass in nicht wenigen Unternehmen die Mitarbeiter völlig planlos waren und zum Teil auch jetzt noch sind, etwa in der Versicherungsbranche. Klar haben sie ihre Tools.
Doch ihnen hat keiner erklärt, was es im Vergleich zu einem Präsenztermin bei Videocalls zu beachten gilt.
Worauf sie bei Licht, Hintergrund, Kamerawinkel und so weiter gucken sollten. Oder wie sie trotz Webcam eine Beziehung zum Gesprächspartner herstellen. Für den Moment besser als nichts, keine Frage. Doch den Verkäufern und Beratern muss auch das Schwimmen beigebracht werden! Und hier tun sich erschreckend viele Unternehmen noch schwer. Weil sie unter anderem glauben, dass sich der Aufwand nicht lohnt – weil ja bald wieder Land in Sicht wäre. Doch was ist, wenn sich das als Fata Morgana entpuppt? Ich persönlich würde mich an ihrer Stelle wohler damit fühlen, wenn meine Mannschaft den "digitalen Freischwimmer" hat.
Präsenztermine werden seltener – und wertvoller
Mit Sicherheit wird die Zahl der Präsenztermine erst mal wieder ansteigen, sobald es möglich ist. Einfach, weil wir Menschen nun mal soziale Wesen sind. Emotional ist es nochmal was ganz anderes, sich nicht nur über den Bildschirm zu sehen, sondern sich in der "Fleischwelt" persönlich zu begegnen, wie es ein Freund von mir so treffend bezeichnete. Doch ich denke nicht, dass wir wieder auf ein Level wie vor der Krise kommen werden.
Und das ist gut so. Denn wir werden zukünftig genauer überlegen, ob ein Termin wirklich Sinn macht.
Werden uns besser vorbereiten, um die Zeit ideal zu nutzen – unsere Zeit und die des Kunden.
Wir stehen vor einer Entwicklung, die den Vertrieb branchenübergreifend auf den Kopf stellen wird. Denn was bedeutet das konkret, wenn immer mehr Termine remote stattfinden? Braucht es dann überhaupt noch den kostenintensiven Außendienst mit Leasingfahrzeugen, Übernachtungen und Co.? Zudem wird die Effizienz durch diese neue Art von "Inside Sales" deutlich gesteigert. Statt 4-5 Termine pro Tag schaffst du locker das Vierfache oder sogar noch mehr.
Und ein weiterer Nebeneffekt, der nicht zu verachten ist: Ich war noch nie so lange am Stück Zuhause wie in den letzten zwölf Monaten. Auch eine schöne Erfahrung. Und so wird es vermutlich vielen Verkäufern und Consultants gehen. Ich kann mir vorstellen, dass es gerade unter den Jüngeren einige geben wird, die nicht bereit sein werden, zum alten "Nomaden-Lifestyle" zurückzukehren - weil sie erlebt haben, dass ihr Job auch prima remote funktioniert.
Das war erst der Anfang
Eins steht fest: Vor uns liegen spannende Zeiten. Das, was wir aktuell erleben, ist erst der Anfang. Kunden erwarten, dass wir schnell und unkompliziert für sie da sind. Doch das ist nicht länger an körperliche Anwesenheit gekoppelt. Jetzt sind wir gefordert, neue Strukturen und Prozesse zu etablieren, um für unsere Klienten Momente zu erschaffen, die begeistern - und in Erinnerung bleiben. Sind Sie bereit für Next Generation Sales?
Über den Autor

/jj
Weitere Informationen zum Unternehmen auf CONSULTING.de:

Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden