Konferenz: „Rise of AI“ 2023 „Künstliche Intelligenz ist unausweichlich“

Nicht nur die Sonne ging an diesem Tag über Berlin auf. Denn zum neunten Mal hat dort die Konferenz „Rise of AI“ stattgefunden. Es traf sich die Crème de la Crème der deutschen und europäischen KI-Szene im Humboldt Carré zum Austausch. Zu ihrer Freude ist mit ChatGPT Künstliche Intelligenz in aller Munde. Eine Sache bereitet jedoch allen Sorge. Und dieser Punkt ist auch interessant für die Consulting Branche, deren Vertreter sich ebenfalls auf den Weg nach Berlin gemacht hatten.

Die Konferenz war zur Zufriedenheit des Initiators Fabian Westerheide komplett ausgebucht. Auf diesem Bild wirkt er sprachlos. Ist er aber nicht. (Foto: Consulting.de)

„Ich bin hier, weil das hier das KI-Branchentreffen schlechthin ist“, sagt Felix Broßmann, Director des Beratungsunternehmens SKAD Advisory aus Frankfurt. Aus seiner Sicht werde KI eine wichtige Rolle in der Welt des Consultings einnehmen. So sieht das auch Dr. Florian Schütz, Geschäftsführer des Start-ups KI PARK: „Das hier ist das Herz der KI in Deutschland und Europa.“ Fabian Westerheide, Veranstalter und Organisator der Konferenz, zeigte sich zufrieden mit seinem Event. „Wir sind bis auf den letzten Platz ausverkauft. Gestern beim ‚Speaker’s Dinner‘ mussten wir sogar Leute wieder wegschicken.“ Das Event vergrößern will er auf keinen Fall. „Hier trifft sich Qualität und so soll es auch in der Zukunft bleiben.“

KI hat bereits großes Potential

Mirko Ross (Bild: asvin)

Einer der Sprecher an diesem Tag war auch Mirko Ross, CEO von asvin. Sein Unternehmen bietet Cybersecurity Management Solutions an. Mit Blick auf die Consulting Branche sagt er. „KI hat in einigen Bereichen bereits sehr großes Potential: Mit KI lassen sich beispielsweise Besprechungsprotokolle und Zusammenfassungen von Online-Meetings automatisiert erstellen. Dabei erfassen die Systeme nicht nur die Gesprächsinhalte, sondern analysieren auch Gesprächsschwerpunkte und – damit kommen wir auch in neue ethische Grenzbereiche – die emotionalen Zustände der Teilnehmer. KI kann perspektivisch beurteilen, ob die Haltung zu Punkten in der Besprechung positiv, zustimmend oder eher abwehrend waren.“

Und natürlich würden auf die Unternehmensberatung neue Herausforderungen zukommen, so Ross. „Es entsteht ein Bedarf an Mitarbeitenden mit völlig neuen Fähigkeiten: Menschen müssen lernen, KI-Werkzeuge adäquat einzuschätzen. Wenn überhaupt, sind nicht Algorithmen oder Sprachmodelle die Bedrohung für Mitarbeidende der Consulting Branche, sondern die Data Scientists, die sie programmieren und die Unternehmen, die sich mit Data Science beschäftigen. 

Wer sich aber nicht die Mühe macht, KI in ihren Funktionen, Auswirkungen und Chancen zu verstehen, der wird in diesem sehr vielversprechenden Segment keinen maßgeblichen und damit gut bezahlten Arbeitsplatz finden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Stellen durch KI da wegfallen, wo Routineaufgaben in der Vorselektion großer Datenmengen zu erledigen sind.“

Mit KI gegen den Fachkräftemangel

Auch Felix Broßmann hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. „KI ist wichtig für die Beratung. Allein um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das ist gerade ein großes Thema in der Consulting Branche und bei einigen Unternehmen kursieren Überlegungen darüber, ob aufgrund des Mangels Bereiche der Unternehmen ‚abgeschaltet‘ werden sollen.“ Und genau dieses „Abschalten“ kann durch KI verhindert werden“, so Broßmann. „On- und Offboarding Prozesse, etwas im Bereich HR, um nur ein Beispiel zu nennen, könnten bis zu 90 Prozent optimiert werden.“ Seiner Ansicht nach wird es in der Zukunft Beratungsunternehmen geben, die sich vollkommen auf KI konzentrieren.

„Die gibt es zum Teil schon. Dennoch: Diese neuen Beratungsunternehmen werden andere aus dem Markt verdrängen“, glaubt Broßmann. „Vor allem diejenigen, die eher breit aufgestellt und nicht in der Tiefe spezialisiert sind. Diese Spezialisierung ist wichtig für Unternehmen in der Beratung. Ich nenne die eher breit aufgestellten Unternehmen ‚Google und Wikipedia‘ Beratungen. Und die müssen sich warm anziehen.

Gut spezialisierte Beratungsunternehmen mit Fachexpertise werden KI nutzen, indem sie KI anwenden und im Anschluss deren Arbeit analysiert und bewertet und gegebenenfalls korrigiert. Dafür ist natürlich das entsprechende Know-how notwendig.“

KI ist gekommen, um zu bleiben

Jan Hesselbarth, Geschäftsführer der Wachs, Hesselbarth & Co Strategy Advisors ist ebenfalls von KI überzeugt. „Der Impact von KI in der Beratung ist enorm“, so der Hamburger. Seine Firma betreibt Philanthropie- und sicherheitspolitische Beratung. „Wenn wir einmal KI wirklich anwenden können, soll uns diese vor allem bei der Analyse und Berichterstattung helfen.“ KI werde viele Prozesse in seinem Unternehmen vereinfachen. „Wir beraten Unternehmen zum Beispiel, wenn sie auf der Suche nach einem neuen Produktionsstandort irgendwo auf dieser Welt sind“, erklärt Hesselbarth. „Mit einer KI könnten wir beispielsweise einen sicherheitspolitischen Blueprint erstellen und diesen dann an die Begebenheiten und Anforderung der einzelnen Kunden anpassen. Das wäre fantastisch.“ Aus seiner Sicht ist KI gekommen, um zu bleiben.

Dr. Christian Temath (Bild: KI NRW)

Ein weiterer Sprecher des Tages war Dr. Christian Temath. Er ist seit September 2020 Geschäftsführer der Kompetenzplattform KI.NRW und arbeitet am Fraunhofer IAIS in Sankt Augustin mit seinem Team daran, die Marke „KI made in NRW“ zu etablieren und die technologische Souveränität des Landes NRW zu stärken. „Bereits heute sind zahlreiche KI-Anwendungen nutzbar, die sowohl die Prozesse als auch die Arbeitslast von Mitarbeitenden in der Consulting-Branche verschlanken können: Dazu gehören beispielsweise Übersetzungs- und Formulierungstools.

Aktuell werden viele KI-Lösungen in Beta-Versionen getestet, die zum Beispiel das Erstellen von Präsentationen selbsttätig übernehmen oder Recherche- und Konzeptionsarbeiten durchführen. Hier ist zu erwarten, dass diese bald in Marktreife zur Verfügung stehen.“

Verändertes Skillset

„Durch den Einsatz von KI in der Consulting-Branche wird sich das Skillset der Mitarbeitenden in Richtung Strategie verschieben“, ist sich Temath sicher. „Das bedeutet, repetitive, operative Aufgaben können in Zukunft auch von KI-Systemen erledigt werden, während Beratende in erster Linie für die Bedürfnisse ihrer Kunden und Kundinnen eine passende Strategie entwickeln und die richtigen Fragen stellen. Denn nur wer gute Fragen stellt, wird gute Antworten bekommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass alle Mitarbeitenden beim Thema Künstliche Intelligenz abgeholt werden: Was kann KI, was kann sie nicht , und wo ist die Expertise der Beratenden weiterhin gefragt.“

Perspektivisch würden einige Tätigkeiten durch eine KI unterstützt beziehungsweise komplett übernommen, so Temath. „Denken wir an die Erstellung von Präsentationen sowie das Vergleichen und Zusammenfassen von Textdokumenten.

Wenn es hingegen darum geht, den Gesamtzusammenhang von Projekten oder Aufgaben zu verstehen und über den Tellerrand zu blicken, wird der Mensch weiterhin sehr wichtig sein und bleiben.“

Auch in Zukunft gibt es eine wichtige Rolle für Beratende

Isabell Neubert (Bild: Detecon)

Auch das Beratungsunternehmen Detecon beobachtet die Entwicklung in Sachen KI ganz genau. „Auf der einen Seite können KI-basierte Systeme komplexe Aufgaben schneller und genauer erledigen als Menschen. Beispielsweise können sie große Datenmengen in kürzester Zeit analysieren, um Muster und Trends zu erkennen, Empfehlungen zu geben oder Prognosen zu erstellen. Dadurch können Beratungsunternehmen effizienter arbeiten und bessere Ergebnisse liefern“, sagt Isabell Neubert, Beraterin in der Abteilung Strategic Design & Innovation im Digital Engineering Center bei Detecon. Im Zentrum ihrer Beratungstätigkeit sind die Schwerpunktthemen digitale Ethik, vertrauenswürdige künstliche Intelligenz und wertebasiertes Innovationsmanagement, sowie Querschnittsthemen wie Co-Innovationsmethoden und Digital Service Design. „Auf der anderen Seite können KI-basierte Systeme nicht die menschliche Intuition und Erfahrung ersetzen, die in vielen Beratungssituationen notwendig sind. Insbesondere in Situationen, in denen es darum geht, Beziehungen aufzubauen und komplexe menschliche Emotionen und Motivationen zu verstehen, wird es auch in Zukunft eine wichtige Rolle für Beratende geben.“

Mehr und mehr Unternehmen würden das immense Potenzial von KI-Systemen erkennen und nach Wegen, dieses für ihre Geschäftsprozesse nutzbar zu machen, suchen. „Dies betrifft auch Firmen, die wenig oder kein KI-Know-How im Unternehmen haben. Diese Unternehmen stehen vor besonderen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, um sicherzustellen, dass KI-Systeme nicht nur effektiv, sondern auch verantwortungsbewusst und ethisch eingesetzt werden“, so Neubert. 

Und genau hier kommen Beratungsunternehmen ins Spiel, die alle Dimensionen abdecken und hierfür die passenden Talente beschäftigen. Diese Beratungsunternehmen werden in der Lage sein, Kunden bei allen Aspekten der Implementierung von KI-Systemen zu unterstützen.“

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Politik muss klare Richtlinien schaffen

Und direkt zu Beginn der Veranstaltung machte Prof. Dr. Hans Uszkoreit in seiner Präsentation auf die bestehenden Probleme für die Anwendung von KI in Deutschland und Europa aufmerksam. Er ist wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin. Uszkoreit ist Mitinitiator und Mitglied des Steering Board von LEAM.AI sowie Gründer und wissenschaftlicher Berater von UNICEPTA Corporate Intelligence. Uszkoreit arbeitet seit mehr als 35 Jahren im Bereich KI als Professor, Forschungsleiter und Unternehmer.

„Wir brauchen richtige und verlässliche Richtlinien für die Anwendung von KI“,

mahnt Uzkoreit. Und die seien noch nicht gegeben. „Die Industrie kann sich nicht alleine darum kümmern“, mahnt der Professor weiter. Genau hier liege das Problem, das nicht nur die KI-Branche angehe, sondern alle.

„Es geht hier um den Datenschutz und die notwendigen Richtlinien“, erklärt Westerheide. Bisher könne KI aus datenrechtlichen Gründen nicht zur vollen, umfänglichen Anwendung kommen, weil es keine fundierte gesetzliche Grundlage gebe. „Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Stellen KI-Anwendungen zertifizieren können, oder ob diese erst noch geschaffen werden müssen. Und es auch nicht klar, was eine solche Zertifizierung kosten soll. Die werden bestimmt teuer, und das machte es vor allem für kleine Start-ups schwer“, meint Westerheide.

„AI-Act“ ist auch für Beratungsunternehmen wichtig

Vor einem Jahr hatte die EU-Kommission mit dem „AI-Act“ ihren Vorschlag für eine Regulierung Künstlicher Intelligenz vorgelegt. Gestern haben laut „Trending Topics“ der EU-Binnenmarktausschuss und der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (IMCO und LIBE) den Entwurf eines Verhandlungsmandats für den „AI-Act“ mit 84 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und zwölf Enthaltungen angenommen. Die finale Abstimmung läuft im Plenum zwischen dem 12. und 15. Juni. Das ist auch für Beratungsunternehmen wichtig. Egal, ob sie KI nun selbst anwenden wollen oder nicht. Oder ihre Kunden im Rahmen von Beratungsgesprächen fit für die Anwendung von KI machen wollen. Es gilt, diese Richtlinien zu kennen und sie richtig umsetzen zu können.

KI ist auf dem Vormarsch, daran scheint kein Zweifel. „Überall wo es Elektrizität und einen Mikrochip gibt, wird es in Zukunft auch KI geben“, ist sich Westerheide sicher.

 

Über die Person

Markus Grunwald ist  Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

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