Consulting im Style-Check – Kolumne von Wolfram Saathoff Marketing zum Hirnverbiegen? – Das können Sie von McKinsey, Roland Berger & Co. lernen!

Was für den Unterricht in der Schule gilt, gilt auch im Beratermarketing: Wer Webseiten und Präsentationen mit trockenen Zahlen, Daten und Fakten überfrachtet, darf sich nicht wundern, wenn die Aufmerksamkeit in den Keller rauscht. Das wissen auch die „Big Four“ und machen es klüger als viele kleine Beratungshäuser.

Wohl zu viel Ballast an Bord: Das typische Beratermarketing (Abbildung ähnlich. Bild: Haus am Meer)

Laaaange bevor Christoph Kolumbus als Fernseh-Detektiv Karriere machte, war er Eroberer. Zu dieser Zeit, wir reden über das 15. Jahrhundert, gab es nur einen Landweg nach Indien, was ein wenig ungeil war, weil man damals deutlich länger als heute auf seinen bei Alibaba bestellten Billigmist aus Fernost warten musste. Also dachte sich der Eroberer mit der schicken Mütze und dem weniger schicken Doppelkinn, dass es da doch vielleicht andere Möglichkeiten des nach-Indien-und-wieder-zurück-Reisens geben müsste.

Das Flugzeug war damals genauso Science Fiction wie heute der Wasserstoffantrieb für PKWs, aber Christian … äh … Christoph Kolumbner war superclever und dachte technologieoffen, weswegen er auf die Idee kam, das Unterfangen per Schiff zu begehen.

Crowdfunding am Königinnenhof

Jetzt war er leider von nur sehr mäßigem Reichtum und musste für sein Vorhaben Gelder einsammeln. Es gab damals noch kein Internet, also weder Gratispornos noch Crowdfunding, weshalb der gewiefte Italiener sich an die kastilische oder kastilianische Königin Isabella von Kastilinesien wandte, die seinem Vorhaben durchaus offen gegenüberstand.

Leider ging es nicht komplett nach ihr, sondern ein extra einberufenes Komitee prüfte seine Pläne und war nach einigem Hickhack am Ende nur so halbwegs überzeugt.

Man stattete ihn nur mit einem überschaubaren Budget aus, von dem er sich die drei Schiffe kaufte, die er sich gerade so leisten konnte und deren Namen wir alle in der Schule auswendig lernen mussten: Kaspar, Melchior und Balthasar.

Die Präsentation, die er besagtem Gremium hielt, ist leider nicht überliefert, deshalb weiß ich nicht, ob PowerPoint (›Leider ungeil: Über den Einsatz von PowerPoint im Consulting‹) oder ähnlich gruseliges Werkzeug zur Anwendung kam. Wäre Kolumbus aber ein Unternehmensberater gewesen – ich ginge jede Wette ein, es scheiterte an zu komplizierten oder komplett überflüssigen Schaugrafiken.

Über den Umgang mit Schaugrafiken

Um es kurz zu machen: Wenn Sie nicht gerade eine Doktorarbeit zum Thema ›Charakterisierung von KCNQ-Kaliumkanälen und ihren β-Untereinheiten‹ schreiben, verzichten Sie auf Schaugrafiken!

In den Publikationen, die mir vonseiten der Unternehmensberatungen aller Couleur so auf den Schreibtisch segeln, erfüllen Schaugrafiken eine von zwei Aufgaben: Erstens Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln oder zweitens total komplizierte Texte verstehbar zu machen, was in aller Regel komplett misslingt, weil auch die Schaugrafiken total kompliziert sind. Womit wir auch schon bei einem sehr wichtigen Punkt wären:

Wenn Sie eine Schaugrafik benötigen, um einen Text verständlicher zu machen, ist der Text schlecht. Schreiben Sie ihn neu! Umgekehrt gilt dasselbe: Wenn Sie einen Text brauchen, um eine Schaugrafik zu erklären, ist die Schaugrafik schlecht. Machen Sie sie neu!

Mit fachlicher Tiefe an der Leserschaft vorbei

Grundsätzlich neigen Beratungshäuser im Marketing zu einer gewissen kommunikativen Schlaubischlumpfigkeit. Die führt dann dazu, dass Texte auf Websites oder in Broschüren an der Leserschaft vorbei geschrieben werden, die sich weniger für fachliche Tiefe interessieren, sondern die eher die Frage umtreibt, ob jemand zum Beispiel zu ihnen passt. Die entscheidende Frage ist weniger: »Kann sie oder er das?«, sondern: »Kann ich mir vorstellen, mit ihm oder ihr zusammen zu arbeiten?« Sympathie, Offenheit, Authentizität sind deshalb im Beratungsmarketing längst keine hohlen Buzzwords mehr, sondern immer öfter Voraussetzung für das Zustandekommen eines Auftrags. Dass Sie gut sind in dem, was Sie machen, wird vorausgesetzt.

Wenn Sie es schaffen, komplexe Zusammenhänge in kurze, knackige Sätze zu gießen – umso besser! Wenn nicht, lassen Sie es lieber sein.

Tatsächlich versuchen jedoch immer noch viele Consultanten und Consultantinnen, Unterscheidbarkeit am Markt durch fachliche Tiefe herzustellen, weswegen sich ihre Websites, Unternehmensbroschüren oder LinkedIn-Profile ähnlich ermüdend lesen wie oben erwähnte Dissertation. Nebst hirnverbiegenden Schaugrafiken ohne Mehrwert. Das ist durchaus verständlich – sie sind Experten und wollen ihre Expertise ins Schaufenster stellen. Übersehen dabei aber, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Leserin oder deren männlichen Pendants damit arg strapazieren.

Kurz, knackig und leicht verdaulich

Gucken Sie sich doch mal die Websites der Branchenprimusse (-primae? -primaten?) an: McKinsey, PwC, Roland Berger et cetera ad infinitum … Unternehmen, die mit Zahlen, Daten und Fakten nur so um sich schmeißen könnten – sie tun es nicht. Stattdessen kurze, leicht zu konsumierende Texte, deren Sinn weniger die Weitergabe von nackten Informationen als vielmehr von Emotion ist: Hier sind Sie richtig, wir wissen, was wir tun, wir verstehen Sie und Ihre Branche und so weiter. Sie können uns vertrauen!

Verstehen Sie mich bitte richtig: Es geht nicht darum, Komplexität auf Biegen und Brechen zu vermeiden. Schreiben Sie einen Artikel für ein Branchenmagazin, ein Whitepaper oder ein Fachbuch, sind Komplexität und fachliche Tiefe ja durchaus gewollt.

Im Marketing ist das anders – zu viel fachliche Information schreckt hier eher ab! Niemand zweifelt an Ihrer Kompetenz, ergehen Sie sich also nicht in Fachtiraden.

Consulting ist ein People’s Business! Beweisen Sie also, dass Sie nicht nur ein weiterer Zahlenfanatiker mit einem Master in Fachchinesisch sind. Oder, einfacher gesagt: Vermeiden Sie Komplexität, wo sie vermeidbar ist. Was ich jetzt auch tue, weswegen meine Kolumne hier…

 

Über die Person

Warum sehen Beratungsunternehmen eigentlich so aus wie sie aussehen? Diese Frage stellt sich Wolfram Saathoff (Schuhgröße 43) in seiner monatlichen Kolumne. Der Kommunikationsdesigner und Trendforscher hat in Hamburg an der Design Factory International studiert und führt seit 2004 zusammen mit seinem Partner in Crime Steffen Kratz die Werbeagentur Haus am Meer in Barcelona. Gemeinsam machen sie die Beratungsbranche schöner. Mehr über die Agentur für Berater: www.hausammeer.org

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