Die #BeraterBeraterin Mehr Mut zur Meinung im Consulting

Klare Kante zeigen und deutlich seine Meinung sagen, sind in der Regel keine Eigenschaften, die Beratende gerne in der Öffentlichkeit an den Tag legen. Warum das aber in der heutigen Zeit von Nöten wäre und was die Band Oasis damit zu tun hat, erklärt BeraterBeraterin Susanne Mathony in ihrer neuen Kolumne.

Zwei Männer, zwei klare Meinungen: Helmut Schmidt und Willy Brandt. (Bildnachweis: picture alliance/United Archives | Sven Simon)

Definitely maybe”: So heißt das Debutalbum der Britpop-Band Oasis aus dem Jahr 1994. Das schießt mir seit Wochen bei Interview-Vorbereitungen mit CEOs im Consulting und in Corporate Influencer-Workshops durch den Kopf.

Geht es darum, knackige Zitate oder Stories für die sozialen Medien zu entwickeln, entsteht Stress. Klare Meinung zu zeigen oder Thesen zu bilden, erzeugt offensichtlich Druck.

Nur „Mann beißt Hund“ ist eine Nachricht, tease ich dann gerne. So will ich Ecken und Kanten für den Austausch mit den Leitmedien hervorlocken. Aber einfach ist das nicht.

Daher frage ich mich:

  • Warum tun sich viele mit dem Kante zeigen so schwer?
  • Warum ist gerade das in dieser Polykrise entscheidend?
  • Welche Tipps gibt es neben dem „The Pain is the Pitch“ zur Schärfung der eigenen Meinung?

„Die lauteste Meinung hat häufig nicht die leiseste Ahnung“

Als Handelsblatt-Leserin seit Studientagen bin ich ein großer Fan der neuen Imagekampagne der Agentur Thjnk. Der Claim „Bereit für Neues Denken“ unterstreicht: Wir stehen vor einer Dekade der Disruptionen.

Was die Pandemie und der Ukrainekrieg eingeläutet haben, ist ein tiefgreifender Umbruch – ganz egal, ob man diese notwendige Neuordnung „Zeitenwende“ nennt oder nicht.

Wie beschreibt es Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes:
Deutschland muss sich entscheiden: Wollen wir diesen Wandel nur erdulden – oder ihn gestalten?“ Es werde immer deutlicher, „dass sich die Probleme der Zukunft nicht mehr mit den Rezepten der Vergangenheit lösen lassen.

Klar ist: Es braucht Meinungen. Fundierte. Nicht einfach nur laute. Hier hätten die Entscheider im Consulting und den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mannigfaltige Möglichkeiten.

Warum tun sich viele mit dem Kante zeigen so schwer?

Häufig liegt dieses Potenzial noch brach. Darüber stolpere ich seit meinen Booz&Company-Tagen. Wenn es darum ging, Interviews mit Leitmedien vorzubereiten, fiel das bei Studienlaunches leicht. Schließlich gab es hier Thought Leadership, an dem sich die Partner mit Zahlen/Daten/Fakten entlanghangeln konnten.

Aber zugespitzte Meinungen zu den Metathemen der Wirtschaft oder provokante Prognosen über spezifische Transformationen? Heute wie damals erlebe ich Zögern, Schachtelsätze in „sowohl-als-auch“-Manier oder mentale Blockaden.

In meiner Kolumne „Die sieben Sünden der PR – und wie man sie im Consulting elegant umgeht“ beschreibe ich das als Versuch, „einen Pudding an die Wand nageln“; sprich: der Wunsch, aussagenfreie PR-Inhalte zu lancieren, um möglichst unangreifbar zu bleiben.

Drei Gründe, warum Berater mit der Meinungsäußerung fremdeln

1) Stress

Auch wenn sich durch New Work seit der Pandemie einiges geändert hat: Ich kenne keinen CEO/Country Manager oder Senior Partner in Beratungen und WPs, der weniger als 70 Stunden pro Woche arbeitet. Oft fehlt die Freiheit, sich zurückzuziehen und losgelöst vom Tagesgeschäft auf die Welt und das Wirtschaftsgeschehen zu blicken.

2) Typische Curricula im Consulting

Im Vergleich zu allen Industrien investiert die Beratungsbranche vermutlich am stärksten in ihre Mitarbeitenden. Es gibt so gut wie keinen Skill, der nicht intensiv trainiert wird. Die Meinungsbildung und sie zu äußern, gehört jedoch nicht dazu. Dabei könnten Workshops für junge Berater zum Thema „Was ist eine Meinung – und was ist keine“ hilfreich sein. Nicht nur Klienten freuen sich über klare Aussagen. Auch der nachhaltige Erfolg eines Social CEO und von Corporate Influencer-Programmen hängt davon ab.

3) Hausinterne Powerplays

Wer im Consulting oder den Big Four nach oben will, braucht nicht nur entsprechende Umsätze, sondern auch die interne Machtbasis. Wer die richtigen Mandate betreuen möchte oder Stimmen für die Promotion oder Entscheidungen des Leadership-Teams braucht, hängt sich ungern zu weit aus dem Fenster. Eine zu laute Stimme in den Medien oder gar ein Shitstorm könnte zu Kritik der Kollegen führen.

Zusammen führt dies oft zum Verhaltensmuster:

Ich halte mir alle Karten offen und verscherze es mir so auch nicht mit Klienten, die anderer Meinung sein könnten.“

Die DNA der Branche ist eher hinderlich für Meinungsbildner

On top zu den drei genannten Gründen kommt die DNA der Branche. So treffe ich in meinen Positionierungsprojekten und besonders den Medientrainings häufig auf zwei MyersBriggs-Persönlichkeitstypen.

Genau diese tun sich jedoch besonders schwer mit Pointierung und zitierfähigen Thesen.

  1. Die INTJ-Typen – Sie sind strategisch und konzeptionell sowie unabhängig und logisch. Eigentlich wären sie prädestiniert, überzeugende, langfristige Visionen zu entwickeln und für komplexe Probleme innovative Lösungen zu entwickeln. Für die offene Kommunikation ihrer Meinung steht ihnen aber das „I“ – die eigene Introversion – im Weg. Sie tendieren eher zum „overthinking“.
  2. Die ENTJ-Typen – An sich macht sie ihr kompromissloses, analytisches Denken über die Zukunft zu geborenen Meinungsführern. Hier kommen eher interne Machtthemen in die Quere. Oder die (Fehl)-Perzeption, Rainmaker bräuchten keine externe Sichtbarkeit.

Warum zahlt sich eine pointierte Meinung aus?

2012 gab es das Showformat „Meinung muss sich wieder lohnen". Diese Aussage gilt mehr denn je. Klienten brauchen Orientierung. Hier können Berater und Wirtschaftsprüfer mit ihrer Expertise punkten. Wer täglich die sehr spezifischen Probleme seiner Klienten lösen muss, weiß um die sprichwörtlichen „Pain Points“.

„Pain is the pitch“ – eine starke Leitplanke zur Meinungsfindung

Wer die Pain Points von heute in den Bereichen Finance, Produktivität, Prozess und Implementierung wie seine Westentasche kennt, kann seriös extrapolieren, wie diese morgen aussehen. Und er kann – und sollte – dieses „pain is the pitch“ als Leitplanke zur Meinungsfindung und -äußerung nutzen. Genau diese Problemlösungsfähigkeit ist nicht nur das Werteversprechen für Klienten, sondern die Basis für echte Meinung – egal ob im Handelsblatt, dem Corporate Blog oder auf LinkedIn. Was ich zur Notwendigkeit zum CEO Aktivismus denke, lesen Sie in meiner Kolumne: „Haltung zeigen – Ist CEO Aktivismus für Consultants jetzt das Gebot der Stunde?“!

Vier Tipps, wie Sie aus der „Definitely maybe”-Falle gelangen

1) Benchmarken Sie sich selbst: Wo sind Sie stark? Und: Wo hinken Sie hinterher?

„Catch-up“ zu spielen und existierende Branchenstatements Mantra-artig zu wiederholen, bringt weder Zitate noch Meinungsführerschaft. Benchmarken Sie sich in Ihrem Fachgebiet ehrlich und überlegen: „Mit welchen Aussagen und Zukunftsableitungen kann ich die Schraube noch weiterdrehen?“. Was dabei wichtig ist? Finger weg von Eigenwerbung. Nur aus den eigenen Studien zu zitieren, verbietet sich.

2) Formulieren Sie Ihr persönliches Kommunikationsziel samt konkreten Beispielen

Definieren Sie Ihr übergeordnetes Kommunikationsziel. Denn ohne SOCO – das ‚single overriding communications objective‘ – geht gar nichts. Wer das hat, kann die darunterliegenden Botschaften bilden.

Für diese gilt das MECE-Prinzip: ‚mutually exclusive and collectively exhaustive’. Wer Klarheit in seiner Botschaftspyramide und seinem Message-House hat, kommuniziert präzise statt ‚wischiwaschi‘. Sammeln Sie Beispiele, die nicht bereits breitgetreten wurden.

3) Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Ihr eigenes Thought Leadership

Lesen Sie! Nicht nur Studien, sondern die internationalen Leitmedien, Bücher, Blogs, Social Media etc. Wer nur im eigenen Saft schmort, wird nicht zum Nordstern für andere.

4) Investieren Sie in gezielte Medientrainings und Message-Workshops

Wer Pitches gewinnen und als Meinungsbildner vorangehen will, braucht Sparringspartner. Sowohl um sich zu reiben, als auch die eigenen Botschaften zu testen und zu schleifen. Gönnen Sie sich immer wieder ein Medientraining mit einem Experten. Denn wie heißt es so schön: „The questions don’t do the damage. Only the answers do.”

Ermöglichen Sie Ihren Teams Message-Workshops. Gerade im War for Talents braucht es keine Corporate Clone-Krieger, die Pressemitteilungen reposten, sondern Menschen mit Meinungen. Die Engagementraten auf LinkedIn werden steigen. Die Bewerbungen auch.

Fazit: Machen Sie Ihre Meinung zum starken Wettbewerbsvorteil

Nutzen Sie die aufziehende Rezession, um die „Definitely maybe”-Haltung hinter sich zu lassen. Gehen Sie zur klaren Meinung über. Rezepte der Vergangenheit werden der aktuellen Komplexität nicht gerecht. Suchen und thematisieren Sie stattdessen die Rezepte für die Zukunft.

Ihre Klienten werden es Ihnen danken. Sie wissen ja: Menschen kaufen von Menschen und nur von denen, denen sie nachhaltig vertrauen. Auch Ihre Kommunikationsberater danken es Ihnen. Denn für diese gibt es keine größere Belohnung als starke Zitate in Handelsblatt, FAZ oder WirtschaftsWoche. Trauen Sie sich!

Über Susanne Mathony

Susanne Mathony
Susanne Mathony ist Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u.a. für AccentureStrategy&AlixPartners sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.

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