Kolumne Mein Chef, ein Roboter?

Von Oliver W. Schwarzmann
Mehr Maschinen
Gestern war der Roboter Assistent, heute ist er Kollege und morgen Chef.
Eine Utopie?
Sicher nicht, denn im Zuge von Industrie 4.0, also der kompletten Automation, Digitalisierung und Vernetzung der Wirtschaft, werden Maschinen mehr Präsenz und einen völlig neuen Stellenwert in unserer Welt einnehmen.
Das gefällt nicht allen – viele sehen in der zunehmenden Automatisierung ökonomischer Prozesse ein Argument für Lohndumping, selbst das Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos sinnierte über den millionenfachen Verlust von Arbeitsplätzen wegen Robotern.
Doch das ist ein sehr einseitig gezeichnetes Bild, finde ich.
Ebenso ergeht es mir mit den Verdrängungsängsten, die Maschinen ja schon seit ihrem ersten Auftauchen in der Industrie auslösen.
Klar ist, dass der Fortschritt unserer Arbeitswelt an der Mensch-Maschinen-Kooperation nicht vorbeikommt. Denn Fakt ist auch, dass Maschinen einfach Fähigkeiten besitzen, die wir Menschen nicht haben. Darin liegt ja ihr ureigenster Sinn. Und es ist einleuchtend, dass sich Roboter im Laufe ihrer – doch menschgemachten – Evolution weiterentwickeln bzw. weiterentwickelt werden.
Es liegt folglich in den Händen von Ingenieuren und Anwendern, was Maschinen tun und wie ihre Zukunft aussehen wird.
Dennoch gibt es Akzeptanzprobleme in Unternehmen, denen zu begegnen ist und man wird auch Visionen entwerfen müssen, wie sich Roboter in unsere Welt am besten integrieren lassen.
Der Roboter – ein Freund für die Zukunft?
Automatische Assistenzsysteme und Roboter werden künftig zu unserer Arbeits- und Lebenswelt gehören. Von der Integration jedoch wird ihr weiterer Daseinserfolg abhängen. Die Zeichen hierfür stehen derzeit auf gemischte Gefühle: Abgesehen von der Industrie 4.0.-Euphorie in der Wirtschaft kommt es in den westlichen Industrienationen aufgrund der demografischen Entwicklung zwar zu einer wachsenden Überalterung, die einerseits ein zunehmendes Potenzial für Haushalts- und Serviceroboter darzustellen scheint, andererseits die Ablehnung gegenüber Maschinen weiter forcieren könnte. Denn ältere Menschen sehnen sich nach sozialem Kontakt, persönlicher Fürsorge und individueller Intimität und Empathie. Auch die mit dem demografischen Wandel bedingte Verlängerung der Lebensarbeitszeit vergrößert die Anzahl älterer Personen in Unternehmen, die sich menschliche Arbeitskollegen und Chefs wünschen.
Doch die Akzeptanz von Maschinen hängt aber nicht nur vom Alter ab, auch die technologiefreudige Jugend steht einer Übertechnisierung in Wirtschaft und Alltag kritisch gegenüber. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie "Die Zukunft von Maschinen und Menschen" des Think Tank Future Business Group.
Dabei ist Technologieakzeptanz eine Frage der Emotionalität, konstatiert die Studie. Man denke nur an Fernseher, Walkman und Smartphone, die in der Gesellschaft angekommen und uns ziemlich ans Herz gewachsen sind. Technik verkauft sich eben nicht nur durch ihre Vorteile und Möglichkeiten, sondern mittels ihrer emotionalen Bedeutung, die sie für unser Leben hat. Deshalb setzen viele Automatisierungsanbieter im Design ihrer Serviceroboter auf ein menschliches Aussehen der Maschinen. Auch Sprachsysteme sind wichtig, denn das gesprochene Wort transportiert Emotionen und damit Sympathie. Eine erfolgreiche Mensch-Maschinen-Zusammenarbeit wird nur dann funktionieren, wenn Roboter sozialisiert werden. Um sie aber wirklich sozialisieren zu können, müssen sie emotionalisiert werden.
Maschinen als Freund und Helfer – das wird die zentrale Vision einer emotionalen Integration von Robotern sein.
Techno-humane Träume
Ein Roboter kann in Zukunft nur dann Arbeitskollege oder gar Chef sein, wenn er auch Freund und Vorbild sein kann. Davon sind wir gar nicht weit entfernt, denn Maschinen symbolisieren auch des Menschen Streben nach Perfektion. Nicht selten werden in Science-fiction-Utopien Roboter als makellose Überwesen dargestellt, in glänzend gestylten Maschinenkörpern mit brillantem Geist. Dazu verleihen die fantasievollen Autoren den Robotern einen Hauch kindlicher Emotionalität und Neugierde auf das Menschliche, was überaus charmant und sympathisch wirkt. Die Botschaft könnte keine tiefgreifendere sein: Maschinen sind uns physisch überlegene Kinder und lieben wie solche – ehrlich, vorbehaltlos und uneingeschränkt. So ist die Geschichte eines Holzroboters, also die der Marionette Pinocchio, die Mensch sein will, auch eine Parabel auf uns Menschen, wollen wir doch ebenso ehrlich, vorbehaltlos und uneingeschränkt lieben. Eigenschaften, derer wir uns selbst im Prozess des Erwachsenwerdens berauben.
Auf diese Weise sind Maschinen nicht nur eine Projektionsfläche für Ängste, sondern auch eine für unsere Sehnsüchte nach dem Idealen und Reinen. Und daher erklärt sich auch die hohe Emotionalität, die die Diskussion um Maschinen seit jeher begleitet.
Dabei teile ich die Angst vor Arbeitsplatzverlusten nur bedingt; in einigen Bereichen wird die Automation zu einem Stellenabbau führen, aber jede Industrierevolution hat eine ganze Reihe neuer Jobs hervorgebracht. So wird es auch bei Industrie 4.0. sein. Die gelungene Kultur der Mensch-Maschinen-Kooperation wird der Schlüssel zu einer prosperierenden Roboterzukunft sein. Denn in der Zusammenarbeit bzw. im Zusammenleben vollzieht sich die Integration am effektivsten und schnellsten. Über diese Entwicklung muss sich aber eine emotionale Vision spannen, aus meiner Sicht die der techno-humanen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der Assistenzsysteme und Roboter zu Partnern werden – zu Partnern, die unsere Fähigkeiten nicht ersetzen, sondern ergänzen. Hier die Emotionalität und Kreativität des Menschen, dort die Leistungskraft und Zuverlässigkeit der Maschine. Ich denke, Roboter werden sogar Freiräume ermöglichen, die uns Menschen ökonomisch, kulturell und persönlich in höchste Höhen tragen können, sofern wir sie zu nutzen verstehen. Ja, Maschinen wären fähig, zu unseren engsten Vertrauten zu werden. Dieser Schritt gelingt allerdings nur, wenn wir ihnen unsere Ideale und Werte ins Programm schreiben. Denn Roboter werden tun, was wir ihnen auftragen. Und auch wenn sie eines Tages via künstlicher Intelligenz über ein eigenes Bewusstsein verfügen, sollten sie von uns lernen können. Das Gute, das Edle, das Hilfreiche, das eben Zwischenmenschliche.
Hierfür müssen wir Vorbilder werden.
Zur Person:

Oliver W. Schwarzmann ist Publizist und Kommentator für internationale Zukunftsentwicklungen in Wirtschaft, Finanzmärkten und Unternehmen. Der ehemalige Banker und heutige Vorstand der Bley und Schwarzmann AG beschäftigt sich mit der Interpretation von Zukunftsanalysen, dem Formulieren von Perspektiven, Thesen und Denkanstößen. Schwarzmann ist Autor von zahlreichen Fachstudien, literarischen Zukunftsexpeditionen, Kommentaren und Büchern und verfasst das Magazin "DER VORDENKER".
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