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Kolumne von Moritz Neuhaus Musk vs. Diess: Was wir durch die Gegenüberstellung über CEO-Personal-Branding lernen können

Erfolgreiche Marken entstehen heute online. Dies gilt nicht nur für aufstrebende Unternehmensmarken wie About You, sondern auch für sogenannte Personal Brands. Bei der Personenmarke steht im Gegensatz zum traditionellen Verständnis einer Marke kein ganzes Unternehmen oder Produkt, sondern ein Individuum im Vordergrund. Durch den erfolgreichen Aufbau einer Personal Brand können Einzelpersonen den eigenen Bekanntheitsgrad steigern, zu einflussreichen Meinungsführern werden und sogar wirtschaftlich profitieren. Schon vor dem Zeitalter des Internets gab es Menschen wie Apple-Gründer und langjähriger CEO Steve Jobs, der einen regelrechten Kult um seine Person entstehen ließ.
Heute verfügen CEOs und andere Wirtschaftslenker mit Social Media über ein mächtiges Werkzeug, um eine erfolgreiche Personenmarke aufzubauen. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich CEOs allein über Talkshow-Auftritte und Print-Interviews einen Namen machen konnten. Onlinepräsenz lautet die Devise, das gilt auch für Einzelpersonen. Durch die Corona-Krise wurde dieser Zeitgeist zusätzlich befeuert. Allein das soziale Netzwerk LinkedIn wird heute von mehr als 15 Millionen Deutschen genutzt. Allgemein ist das Engagement auf Social Media deutlich höher als vor der Krise, gerade LinkedIn ist fester Teil des Arbeitsalltags geworden. Leider bleibt diese Chance insbesondere von deutschen Executives weitgehend ungenutzt. VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess ist einer der wenigen, die sich trauen. Vorreiter sind hier wieder einmal CEOs in den USA wie Tesla und SpaceX Gründer Elon Musk. Beide sind erfolgreiche Wirtschaftsgrößen und beweisen, dass Social Media und eine führende Wirtschaftsposition durchaus vereinbar sind. In ihrer Social Media Aktivität und ihrem öffentlichen Auftreten unterscheiden sie sich jedoch stark. Ein Vergleich der Personenmarken Musk und Diess zeigt diese Unterschiede auf und setzt Executives, die sich auf Social Media bisher bedeckt halten, unter Zugzwang.
Wie kommunizieren die Automobil-Chefs mit der Welt?
Social Media ist heute mit Abstand das effektivste Medium, um die eigene Personenmarke zu stärken und als Meinungsführer aufzutreten. Ein erster Unterschied zwischen den Personal Brands Musk und Diess besteht in der Wahl des Kanals, über den beide CEOs ihre Inhalte ausspielen. Elon Musk nutzt seit Jahren täglich Twitter, um seine Gedanken sowie Neuigkeiten zu seinen diversen Unternehmen und Projekten mit der Welt zu teilen. Herbert Diess ist erst seit einigen Monaten auf LinkedIn aktiv, postet dort immerhin mehrmals wöchentlich. Durch den zeitlichen Vorsprung und eine höhere Anzahl an potenziell erreichbaren Menschen hat Musk auf Twitter heute 37,1 Millionen Follower. Dem LinkedIn Account von Diess folgen im Vergleich rund 95.000 User. Bei einem Konzern, der weltweit über 670.000 Mitarbeiter beschäftigt, wirkt das noch mager.
Auch die über den jeweiligen Kanal verbreiteten Inhalte unterscheiden sich stark. Herbert Diess beschränkt sich inhaltlich bisher auf Produktentwicklung (zum Beispiel des VW Elektroautos ID.3), die Auslandstätigkeit seines Konzerns (der Erfolg von JETTA in China), Livebilder von Roadshows, Politik und Nachhaltigkeit. Immerhin ein privates Bild, ein Selfie mit seinem Sportmotorrad, schmückt bisher seinen Feed. Diess ist noch in der Findungsphase, aber wird mutiger. Ganz anders Elon Musk: Zwar informiert der PayPal-Gründer seine Follower ebenfalls regelmäßig über neueste technische Entwicklungen bei Tesla und SpaceX. Im Gegensatz zum VW-Chef gibt Elon Musk jedoch seine oft kontroverse Meinung zu allen möglichen gesellschaftlichen Fragen preis. So finden sich zwischen Aufnahmen aus der kürzlich ins Weltall gestarteten SpaceX Rakete Dragon humorvolle Memes, Bilder von seinem Sohn inklusive mysteriösem, wohlgemerkt deutschem Kommentar ("Das Baby kann noch keinen Löffel benutzen") sowie direkte Nachrichten an Investoren und Kunden. Musk nutzt Twitter also keineswegs ausschließlich für geschäftliche Inhalte, sondern teilt spontan Eindrücke aus seinem Leben und teilweise unausgegorene Gedankengänge. Eines ist offensichtlich: Die Reichweite von Musk und die durch seine Inhalte generierte Aufmerksamkeit für Tesla und SpaceX ist deutlich höher als die von Herbert Diess.

Herbert Diess zeigt neben Tochter Caro plakativ, dass es der elektrische VW auch bis nach Italien schafft (Bild: Post Diess, LinkedIn-Profil).
CEO zu Gast: Entspannter Joint vs. gezielter Politik-Support
Bereits etablierte Personenmarken und Meinungsführer werden regelmäßig zu Interviews gebeten. Ein vergleichsweise modernes Format hierfür stellt der Podcast dar. Sowohl Herbert Diess, als auch Elon Musk waren bereits in Podcasts zu Gast - doch beide präsentieren sich völlig unterschiedlich. Erstgenannter sprach im "Morning Briefing" von Gabor Steingart im April über die Corona-Krise und darüber, wie VW mit den temporären Werksschließungen umgeht. Außerdem unterstützt er ausdrücklich das Vorgehen der Bundesregierung, wünscht sich auf europapolitischer Ebene mehr Solidarität. In einem Tagesschau Auftritt vom 27. April versucht er, die Zuschauer von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines Konjunkturprogramms für die Automobilindustrie zu überzeugen. Im Januar fordert er in einem Phoenix-Interview das "Durchbruchs-Jahr für Elektroautos" in Deutschland und wendet sich damit an deutsche Automobilkonzerne und Politiker. Herbert Diess nutzt seine Personenmarke in öffentlichen Auftritten, um die Interessen seines Konzerns zu vertreten und teilweise dafür, Druck auf die Bundesregierung zu erzeugen. Seine Auftritte sind meist kurz, stets zweckgerichtet und offenbaren noch wenig über den Menschen Herbert Diess.
Elon Musk dagegen ist für polarisierende Interview-Aussagen und öffentliche Auftritte berüchtigt. Unter Fans und Kritikern ist bis heute eine dreistündige Podcastfolge von Star-Host Joe Rogan legendär, in der Musk live Marijuana raucht - was in Kalifornien wohlgemerkt legal ist. Im Mai 2020 ist der Tesla-Gründer abermals für zwei Stunden bei Joe Rogan zu Gast und plaudert munter vor sich hin: Künstliche Intelligenz, das Coronavirus, Donald Trump, Jiu Jitsu, Netflix-Serien. Trotz seines nach eigener Aussage "kranken" Arbeitspensums ist sich Musk im Februar diesen Jahres für ein mehrstündiges Podcast-Interview mit Tesla-Fans, darunter eine deutsche Studentin, nicht zu schade. Obwohl großer Respekt und pure Bewunderung seitens der sechs Interviewer spürbar sind, gleicht der Austausch einem Gespräch unter technik-faszinierten Freunden. Neben Technologie, der Autoindustrie und Astronomie geht es dieses Mal um Musks privates Vermögen, seine Abneigung gegenüber Facebook und seine Meinung zum Kommunismus. Selbst in einem offiziellen Auftritt im Rahmen des "Air Warfare Symposium 2020" verzichtet der Wahl-Amerikaner nicht auf lockere Sprüche und "Star Trek"-Referenzen. Im Vergleich zu Herbert Diess wirken öffentliche Auftritte und Interviews mit Elon Musk oft spontan, immer leidenschaftlich, aber dennoch hoch informativ. Gleichzeitig ermöglichen es diese Gespräche, den Menschen Elon Musk mit all seinem Genie und seinen Besonderheiten kennenzulernen. Musk-Interviews werden millionenfach geklickt, wogegen Auftritte des VW-Papsts noch wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Unvergesslich wie der Tesla- und SpaceX-Chef im Podcast von Joe Rogan an einem Joint zieht (Bild: Interview mit Joe Rogan - Youtube).
Welchen Einfluss haben die Personenmarken Musk und Diess?
Let´s talk about money
Bisher wurden unterschiedliche Ausprägungen von Kommunikation und öffentlichem Auftreten zwischen den Personenmarken Elon Musk und Herbert Diess verglichen. Doch eine Personal Brand ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn sie Einfluss nehmen kann. Im Gegensatz zu den vorherigen Kriterien spielen subjektive Wahrnehmung und persönliche Präferenz hier keine Rolle - es zählt einzig die Wirksamkeit der Personenmarke. Doch wie misst man den Einfluss einer Personal Brand? Zum Beispiel in Umsatzzahlen. Bei dem Vergleich zwischen zwei Automobil-Chefs stellt sich die Frage, ob allein die Personal Brand des jeweiligen CEOs die Produktverkäufe ankurbeln kann.
Elon Musk ist dafür bekannt, allein durch Tweets Einfluss auf die wirtschaftliche Bewertung seines Unternehmens Tesla nehmen so können - positiv wie negativ. Regelmäßig postet er Preisnachlässe oder preist neue technologische Durchbrüche der Tesla Modelle an - woraufhin die Bestellungen steigen. Viel Kritik und sogar Ärger mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC bescherte ihm dagegen sein Tweet, die Tesla Aktie würde zu hoch gehandelt. Beide Beispiele zeigen eindrucksvoll, welchen Einfluss die Marke Musk auf die Geschäftszahlen seiner Unternehmen hat.
Herbert Diess ist trotz seines Muts zur Personal Brand eher konservativ aufgestellt und will allen Anspruchsgruppen gerecht werden. Er vertritt zwar öffentlich die Interessen der VW Aktionäre, ob seine Social-Media-Aktivitäten die Verkaufszahlen des Konzerns beflügeln, bleibt bislang unwahrscheinlich. Aber er ist auf einem guten Weg.
Let´s talk about people
Wirksames Personal Branding auf C-Level kann dafür sorgen, dass das zugehörige Unternehmen als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnt. Bestes Beispiel für diesen Effekt sind Arbeitgeber-Rankings unter Hochschulabsolventen von technischen Studiengängen in den USA. Diese würden laut einer Umfrage von NBC am liebsten für das von Musk gegründete Raumfahrtunternehmen SpaceX arbeiten, dicht gefolgt von Tesla. Musk nutzt und verstärkt diese Wirkung bewusst, indem er kluge Köpfe via Twitter-Aufruf dazu ermutigt, sich für eines seiner Projekte zu bewerben. Herbert Diess verzichtet darauf jegliche Recruiting-Inhalte über LinkedIn zu verbreiten. Unter deutschen Hochschulabsolventen sind Unternehmen des VW Konzerns laut einer Befragung durch Absolventa dennoch nach wie vor sehr beliebt. Unter Ingenieuren belegt Audi Platz eins, Porsche Rang vier und VW immerhin den achten Platz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Platzierungen (noch) nicht auf der Personal Brand von Herbert Diess gründen.
Let´s talk about power
Besonders einflussreichen Personenmarken gelingt es sogar, (welt-)politische Entscheidungen herbeizuführen. Hierfür gibt es nicht viele Beispiele, weil es die wirtschaftliche Unabhängigkeit nationaler Regierungen gewissermaßen untergraben und fast sicher Interessenkonflikte bewirken würde. Dennoch konnte Elon Musk im Jahr 2018 den U.S. Präsidenten Donald Trump dazu bringen, sich für günstigere Bedingungen für amerikanische Unternehmen am chinesischen Markt auszusprechen. Als Folge wurde schließlich sogar ein bisher für alle ausländischen Unternehmen geltendes Gesetz ausgehebelt. Dies ermöglichte Tesla die Errichtung einer Produktionsstätte in Shanghai - ohne die bis dato notwendige Gründung eines Joint Ventures mit einem chinesischen Unternehmen. Somit ist Tesla unabhängiger von der chinesischen Wirtschaft als der von der Joint-Venture-Regelung betroffene VW-Konzern. Herbert Diess adressiert gerade in Zeiten der Corona-Krise politische Anliegen wie das von ihm angepriesene Konjunkturprogramm für die Automobilbranche. Bisher ist es ihm jedoch noch nicht gelungen, allein durch seine öffentliche Personenmarke Einfluss auf die Politik der Bundesregierung zu nehmen.
Fazit: 20 Jahre Vorsprung wollen aufgeholt werden
Ohne Zweifel ist die Personenmarke von Elon Musk etablierter, erfolgreicher und einflussreicher als die von Herbert Diess. Erstgenannter betreibt Personal Branding seit über 20 Jahren. Jeder Unternehmer und auch die meisten Endverbraucher kennen ihn. Er ist einer der weltweit wichtigsten Meinungsführer. Verallgemeinert: Deutsche und europäische CEOs wie Herbert Diess haben im Vergleich zu amerikanischen Wirtschaftslenkern wie Musk, Trump oder Gates in puncto Personal Branding absoluten Aufholbedarf. Positiv ist, dass einige DAX-Chefs diese Tatsache erkannt haben und seit kurzem an dem Aufbau ihrer Personenmarke arbeiten. Leider begegnet die Mehrheit der deutschen Manager dem Thema Personal Branding noch mit großer Skepsis und investiert wenig in die eigene Präsenz. Die Corona-Pandemie macht ein Umdenken möglich. Musk ist weit voraus, aber Diess geht entschlossen voran, wie kaum ein anderer. Es ist ein wenig so wie beim Kernthema der beiden Automobilgötter: Elektro- vs. Verbrenner-Antrieb scheint entschieden. Amerika ging entschlossen voran. Deutschland wartete ab und zieht spät nach. Doch die Aufholjagd läuft bei der Antriebstechnik genauso wie im CEO-Personal-Branding.

mvw
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