Studien zu ESG Nachhaltigkeit und welche Rolle sie fürs C-Level, das Risikomanagement und HR spielt

Rund um den Jahreswechsel erreichten uns in der Redaktion von CONSULTING.de interessante Studien zu Environmental Social Governance und ihrer Bedeutung für verschiedene Unternehmensbereiche – unter anderem von Deloitte, WTW, Diligent und Sopra Steria. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse zum Thema Nachhaltigkeit.

Protestierende kritisieren am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos den Umgang mit dem Klimawandel. (Bild: picture alliance / AA | Dursun Aydemir)

Nachhaltigkeit ist gerade neben dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise eines der dominierenden Themen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Der Klimawandel und seine Folgen stehen dabei besonders im Fokus. Passend dazu stellte Deloitte am Rande des Treffens seinen „CxO Sustainability Survey 2023“ vor, in dem die Bedeutung deutlich wird, die Unternehmenslenker ihm inzwischen beimessen.     

Demnach gehört der Klimawandel für Vorstände deutscher Unternehmen im Jahr 2023 zu den drei Top-Prioritäten. Nur die künftige Konjunkturentwicklung und Innovationen werden als drängendere Themen eingeschätzt, gleichauf liegen Lieferkettenprobleme. Auf den Plätzen dahinter folgen Fachkräftemangel und geopolitische Konflikte. International liegt der Klimawandel auf Platz zwei der größten Herausforderungen. Für die Studie wurden im Herbst 2022 weltweit über 2.000 C-Level-Führungskräfte befragt, darunter 105 aus Deutschland.

Wirtschaftswachstum und Klimaziele schließen sich nicht aus

Weitere Ergebnisse: 72 Prozent der Befragten in Deutschland (84 % global) sind überzeugt: Wirtschaftswachstum lässt sich im Einklang mit den Klimazielen realisieren. 76 Prozent der untersuchten deutschen Unternehmen - und damit ein ähnlich hoher Anteil wie global - haben ihre Investitionen in Nachhaltigkeit gesteigert, ein Fünftel von ihnen sogar um 20 Prozent oder mehr. Keiner der Vorstände hierzulande gab an, die entsprechenden Finanzmittel reduziert zu haben.

"Diese unbedingt erforderlichen Investitionen stellen die Weichen, um die grüne Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft entschlossen anzugehen. Neben diesen ermutigenden Zahlen zeigt auch die Agenda des WEF diese Woche in Davos erneut, wie hoch das Thema auf der Prioritätenskala der Unternehmensvorstände weltweit ist",

sagt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, globaler Consulting Lead für Sustainability & Climate Strategy bei Deloitte.

Der Klimawandel gehört für C-Level-Führungskräfte weltweit und in Deutschland zu den drängendsten Herausforderungen. (Grafik: Deloitte)

ESG ist global im Blickfeld der Risikomanager

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Change-Thema, sondern spielt auch dort eine Rolle, wo es gilt, potenziellen Gefahren für Unternehmen vorzubeugen. „ESG rückt weltweit in den Fokus der Risikomanager“, stellt Thomas Olaynig, Leiter Corporate Risk & Broking DACH bei WTW, fest. In der kürzlich veröffentlichten internationalen Studie "ESG Global Risk Managers Survey 2022" seines Hauses zufolge sind weltweit bereits 55 Prozent der Risikomanager maßgeblich an den ESG-Bemühungen ihres Unternehmens beteiligt, im DACH-Raum sind es 73 Prozent. Mehr als Dreiviertel sagen, dass die Risikomanagement-Funktion eine noch stärkere Rolle bei der Entwicklung und Steuerung von ESG-Strategien spielen sollte. An der Befragung beteiligten sich zwischen April und August 2022 weltweit Risikomanager aus 312 Unternehmen aller Größenordnungen, darunter 32 aus dem deutschsprachigen Raum.

Trotz dieses Bedeutungszuwachses in den Augen der Risikomanager ist der tatsächliche Einfluss von ESG im heutigen Risikomanagement noch eher gering. Ein Drittel aller Befragten gibt an, dass ESG bereits heute die Risikostrategie ihres Unternehmens beeinflusst, weitere neun Prozent erwarten dies für die kommenden zwei Jahre. Unter den Befragten im DACH-Raum erkennen nur 24 Prozent bereits einen Niederschlag im jetzigen Risikomanagement, aber 54 Prozent erwarten ihn in den kommenden zwei Jahren. Dieses Ergebnis kommentiert Thomas Olaynig so:

„Trotz der Aufwärtsentwicklung sind 24 Prozent mit klaren ESG-Zielen recht wenig. Wer seinen ESG Score merklich verbessern will, braucht dafür eine Strategie mit Zielen und messbaren Kennzahlen. Erschwert wird dies allerdings dadurch, dass bislang kein allgemeingültiges Rating existiert, an dem sich die Unternehmen orientieren können.”

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Ziele und Maßnahmen in Sachen ESG

Die WTW-Studie beschäftigte sich zudem mit den Zielen und Maßnahmen der befragten Unternehmen hinsichtlich der drei Bereiche von ESG:

Environmental: Im DACH-Raum haben sich 46 Prozent klare Ziele und Meilensteine zur Bekämpfung des Klimawandels gesetzt. Im Bereich der Kohlenstoff- oder Emissionsminderung verfügen sogar 75 Prozent über dokumentierte Ziele. Jedoch haben hier nur 32 Prozent der Befragten (im Vergleich zu 51 Prozent weltweit) formelle Ziele für längerfristige Klimarisiken und Widerstandsfähigkeit beschlossen.

Social: Der Fokus liegt hier auf Datenschutz und Cyber-Sicherheit (97 Prozent), Sicherheit am Arbeitsplatz (88 Prozent) und Produkthaftung (79 Prozent). Was WTW überraschte: In der DACH-Region stufen weit weniger Befragte (39 versus 65 Prozent weltweit) das Thema Mitarbeiterbelastbarkeit als wichtig für das Risikomanagement ein.

Governance: Zwei Drittel der befragten Risikomanager gaben an, dass sie sich intensiv mit den Risiken im Bereich Governance befassen. Gerade für die DACH-Region fällt auf, dass besonderes Augenmerk auf die Lieferketten gelegt wird: So sagen hier beispielsweise 79 Prozent (weltweit 61 Prozent) der Befragten, dass sie ihre Zulieferer kontrollieren, um ESG- und Compliance-Regeln einzuhalten.

Diese Maßnahmen ergreifen Unternehmen, um in ihren Lieferketten für Compliance zu sorgen. (Grafik: WTW)

ESG als Kriterium für die Vergütung

Wenn es gilt, Nachhaltigkeit im täglichen Handeln einer Organisation zu verankern, sind entsprechende Zielvorgaben für Führungskräfte ein Weg. Wie oft er gegangen wird, hat Insightia, eine Gesellschaft des Software-Anbieters Diligent, kürzlich in einer Analyse von Daten aus europaweit 1.914 Unternehmen untersucht. Der Anteil der in Europa börsennotierten Unternehmen, die ESG-Kennzahlen (KPI = Key Performance Indicators) in ihren Vergütungsplänen für Führungskräfte einbeziehen, ist demnach von 15 Prozent im Jahr 2008 auf 46 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Frankreich ist der Auswertung zufolge bei dieser Entwicklung führend: 82 Prozent der Aktiengesellschaften mit Hauptsitz in Frankreich haben bereits entsprechende Indikatoren eingeführt. Deutsche Unternehmen fallen bei der Entwicklung dagegen ab. Nur 22 Prozent von ihnen berücksichtigten 2021 ESG-Indikatoren in den Vergütungsplänen ihres Managements.

Kennzahlen aus dem Bereich Social überwiegen an dieser Stelle leicht. Der Prozentsatz der europäischen Unternehmen, die soziale Kennzahlen in ihren Vergütungspläne berücksichtigen, liegt bei 32 Prozent. Im Vergleich dazu haben 31 Prozent der befragten Unternehmen umwelt- und 17 Prozent Governance-bezogene Kennzahlen in ihre Vergütungspläne aufgenommen.

„Vorstände, die noch nicht in dieser Hinsicht von Stakeholdern unter Druck gesetzt werden, sollten in jedem Fall aufmerksam den Markt beobachten. Sie müssen alles daransetzen, diesen zu verstehen und die Grundlage für eine eventuelle Einbeziehung von ESG in die Vergütungspläne zu schaffen",

rät Hanna Krüger, Regional Vice President DACH bei Diligent.

Nachhaltigkeit im Employer Branding

Jeder zweite Arbeitgeber in Deutschland investiert in hybride Arbeitsmodelle (Stichwort Homeoffice), um damit Fachkräfte zu gewinnen und an sich zu binden. Ebenso viele setzen auf ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement. Mit 35 Prozent werben dagegen deutlich weniger im HR-Management gezielt mit dem Thema Nachhaltigkeit und nur 27 Prozent mit einer ausgefeilten Diversity-Strategie. Das geht aus der Studie „Managementkompass Survey Skilling“ hervor, die im September 2022 von F.A.Z. Business Media | research im Auftrag des F.A.Z.-Instituts und von Sopra Steria unter 395 Entscheiderinnen und Entscheidern aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung durchgeführt wurde.

Das Thema Nachhaltigkeit besetzen vor allem Banken und Versicherer, und zwar nicht nur im Vertrieb, sondern auch in den Personalabteilungen. 46 Prozent der befragten Finanzdienstleister investieren in Nachhaltigkeitsmanagement, um so Fachkräfte für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Sie zeigen beispielsweise Präsenz auf Portalen wie goodjobs.eu, thechanger.org und jobverde.de. und werben mit Nachhaltigkeitsthemen wie „Impact Investment“ und „Social Finance“. 

„Die Maßnahmenbreite der HR-Verantwortlichen ist per se positiv zu bewerten. Nicht jede oder jeder Mitarbeitende lässt sich mit Remote Work, Arbeitgeberzertifikat oder Kicker-Tisch begeistern. Somit ist es gut, wenn Arbeitgeber viele Anreize bieten“,

sagt Katja Thielemann, HR-Beraterin von Sopra Steria.

Lesetipp

In unserem „Greenbook Nachhaltigkeit“ stellen wir auf 44 Seiten die wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für die Consulting-Branche heraus. Das kostenfreie E-Book beleuchtet dabei Angebot und Nachfrage von ESG-Beratung, beschreibt die zentralen Herausforderungen von Sustainability Management und lässt Fachleute zu verschiedenen Themen wie Digitalisierung als Treiber für ESG, Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeit als HR-Thema zu Wort kommen.

 

Über die Personen

Alexander Kolberg ist seit Februar 2022 Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

Alexander Kolberg ist seit Februar 2022 Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

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