- CONSULTING.de
- Die Macht der Psyche: Psychometrie als unterschätztes Tool für die Personal- und Unternehmensberatung
Psychometrie und HR Die Macht der Psyche: Psychometrie als unterschätztes Tool für die Personal- und Unternehmensberatung

Bild: picture alliance / Zoonar | Max
Während einzelne Elemente dieses Teilgebiets der angewandten Psychologie bereits Einzug in Eignungstests und Personalcoachings gefunden haben, bleibt ein Großteil der verfügbaren Techniken und Verfahren ungenutzt. Ein Grund dafür ist, dass es etwas Know-how erfordert, um professionelle Ansätze von küchenpsychologischen Spielereien zu unterscheiden.
Eine kurze Geschichte der Psychometrie
Seine Wurzeln hat die Psychometrie im 19. Jahrhundert. Entstanden ist sie zu einer Zeit, als Pioniere wie Sir Francis Galton und Wilhelm Wundt begannen, quantitative Methoden zur Untersuchung von individuellen Unterschieden in der Persönlichkeitsentwicklung und den kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln. Der Fokus der Psychometrie liegt deshalb auf einer systematischen Erfassung und Messung gewisser Merkmale. Dabei geht es vor allem um die Möglichkeit einer objektiven Bewertung von bestimmten Eigenschaften, mit der Absicht, die Resultate für eine Verbesserung des Bildungswesens oder auch der Zuordnung einer beruflichen Eignung zu verwenden. Im Laufe der Zeit hat die Disziplin deutliche Fortschritte gemacht, sodass die genutzten Methoden und Verfahren immer präziser wurden. Mittlerweile hat auch die Personalberatung und Unternehmensberatung das Thema für sich entdeckt. Trotzdem finden neuste Erkenntnisse und Analysetechniken oft kaum Beachtung, da sich die Branche in vielen Fällen auf vulgärpsychologische Ansätze oder reine Intuition stützt. Insbesondere für das Consulting stellt die Psychometrie deshalb ein mächtiges Werkzeug dar, sofern sie richtig eingesetzt wird.
Die Vermessung der Persönlichkeit
Über die Jahrzehnte haben Theoretiker und Forscher die Toolbox der Psychometrie um eine Vielzahl an Testverfahren und -methoden erweitert. Diese verfügbaren Instrumente variieren im Hinblick auf ihre Komplexität und sind oft für einen bestimmten Anwendungsbereich optimiert. Wer die Möglichkeiten der Psychometrie nutzen möchte, sollte daher die gängigsten Testvarianten kennen:
- Myers-Briggs Type Indicator (MBTI): Ein Persönlichkeitstest, der auf den Theorien von Carl Gustav Jung basiert und dazu dient, Persönlichkeitstypen zu identifizieren. In der Beratung kann der MBTI für Teambildungsmaßnahmen eingesetzt werden.
- Watson-Glaser Critical Thinking Appraisal: Dieser Test zielt darauf ab, die Befähigung zum kritischen Denken und der Entscheidungsfindung zu bewerten. In der Geschäftswelt wird er verwendet, um die Fähigkeiten von Führungskräften und Managern genauer unter die Lupe zu nehmen.
- Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI): Ein umfassender Persönlichkeitstest, der in der klinischen Psychologie weit verbreitet ist. Er lässt jedoch auch in der Beratung nutzen, um gewisse Persönlichkeitsmerkmale und die psychische Gesundheit zu bewerten.
- Hogan Assessments: Dieser Test konzentriert sich auf die Bewertung von berufsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen und Führungskompetenzen. Er kann Unternehmen bei der Identifizierung von Führungspotenzialen und der Auswahl von Führungskräften helfen.
Ein Schlüssel zur Rekrutierung neuer Talente
Bei der Personalauswahl ist es besonders wichtig, die Fertigkeiten und Stärken einer Person möglichst schnell und zuverlässig einschätzen zu können. Psychometrische Tests bieten sich deshalb an, da sie für die Erhebung von objektiven Daten konzipiert worden sind. Dabei ergeben sich einige Vorteile gegenüber Methoden, die lediglich das Fachwissen oder die Selbsteinschätzung von Bewerbern erfragen. So umgehen Entscheider das Risiko, ihre Wahl auf Grundlage irreführender Eindrücke oder von Vorurteilen zu treffen. Durch den Abgleich von Testergebnissen mit den spezifischen Qualifikationen und Fähigkeiten, die für die Stelle erforderlich sind, können Unternehmen sicherstellen, dass die ausgewählten Kandidaten die besten Voraussetzungen für die Position mitbringen. Darüber hinaus offenbaren einige Testverfahren auch versteckte Entwicklungspotenziale. Dieser Aspekt ist vor allem vor dem Hintergrund des weitreichenden Fachkräftemangels von wachsender Bedeutung.
Wie Psychometrie Führungskräfte formt
Der Erfolg und das nachhaltige Wachstum eines Unternehmens sind maßgeblich von guten Führungskräften abhängig. Die Entwicklung von Führungspotenzialen zählt damit zu den Schlüsselaspekten der Wettbewerbsfähigkeit. Da die Psychometrie detaillierte Einblicke in die Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale von Führungskräften bietet, sollte sie gezielt als Analysetool zum Einsatz kommen. Wer die Stärken und Schwächen seines Führungspersonals kennt, kann auf dieser Grundlage individuelle Entwicklungspläne erstellen, die exakt auf die Anforderungen und Bedürfnisse der betroffenen Personen zugeschnitten sind. Zu den zentralen Entwicklungsfeldern gehören die Bereiche Kommunikation, Konfliktlösung, Entscheidungsfindung und Teammanagement. Ein weiterer Aspekt ist die Förderung der Fähigkeit zur Selbstkenntnis und Selbstreflexion. So geben Unternehmen ihrem Führungspersonal Skills an die Hand, mit denen eine langfristige und selbstständige Optimierung möglich ist.
Die Grenzen der Methodik
Die Psychometrie, obwohl äußerst nützlich und leistungsstark, wirft allerdings auch Fragen auf. Auf fachlicher Ebene wird beispielsweise diskutiert, wie zuverlässig die Ergebnisse verschiedener Testverfahren sind und wo die Grenzen der praktischen Anwendung liegen. Auch Consultings, die verstärkt auf die Psychometrie setzen, sollten sich darüber im Klaren sein, dass einzelne Tests immer nur bestimmte Aspekte abbilden und der Aussagegehalt auf die verfügbaren Messinstrumente beschränkt bleibt. Von den spezifischen Ergebnissen auf nicht untersuchte Persönlichkeitsmerkmale zu schließen ist daher sowohl unwissenschaftlich als auch ethisch fragwürdig. Grundsätzlich ist bei der Anwendung der Analysemethoden immer zu beachten, dass es sich nicht um Probanden in einer Studie, sondern um potenzielle Mitarbeiter eines Unternehmens handelt. Unabhängig davon sind auch psychometrische Tests nicht frei von Fehlern und funktionieren ausschließlich in einem bestimmten kulturellen Kontext. Es ist daher entscheidend, die Ergebnisse nie isoliert und stets im Zusammenhang mit anderen Datenquellen zu betrachten. Die Durchführung und Auswertung psychometrischer Tests sollte daher nur unter Aufsicht von geschulten Experten erfolgen
Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden