Schwarzmanns Horizont – Kolumne von Oliver W. Schwarzmann Qual der Wahl

Lust auf Zukunft?
Am 26.09. wählen wir den 20. deutschen Bundestag. Und die Demoskopen eilen dem Ereignis wie stets in ihren Prognosen voraus. Gut, die erfahrene Wahlforschung weiß um die Wankelmütigkeit von Stimmungen und dass auf Absichten selten Realitäten folgen.
Spekuliert wird also viel. Die Meisten sehen dabei die SPD vorne, gefolgt von CDU/CSU und den Grünen. Eine Momentaufnahme, selbstverständlich, aber eine konstante. Wird sich da noch was ändern?
Eher nicht. Die Spitzenkandidaten werden weiterhin alles tun, um auch den kleinsten Fehler, der sich heute eben ganz schnell zum Monsterskandal auswachsen kann, tunlichst zu vermeiden. Man legt sich deshalb nicht fest, bleibt gerne vage, vieldeutig, Motto: nur nicht anecken. Lieber Sympathiepunkte sammeln und Lust machen.
Nur – Lust auf was?
Auf die Zukunft?
Hmm …
Kommt durch den Wahlkampf wirklich Zukunftsfreude auf?
Bei Ihnen?
Die Zukunft ist ein Problem
Eigentlich ist die Zukunft ein Raum für neue Möglichkeiten und Fortschritt. Eine Zeit, die besser werden soll als die gegenwärtige. So das Ur-Versprechen der Politik.
In den letzten Jahrzehnten haben wir uns eher in Bestandswahrung geübt. Es sollte stets bleiben wie es ist, Bewährtes und Bekanntes als Zukunftsversprechen. Das war schon auch eine Herausforderung, Unveränderlichkeit in einer sich verändernden Welt zu praktizieren.
Nunmehr ist die Zukunft ein Problem. Denn es bleibt nicht so, wie es ist – und ernüchternd die Erkenntnis: Es kann auch nicht so bleiben, wie es ist. Nach vorne schauen heißt nicht mehr, das Jetzt zu verlängern, sondern das Morgen zu verändern. Das könnte weh tun, was alle wissen. Statt Verspechen gibt es also eine leise Mahnung nach dem „Wenn-dann-Prinzip“. Wenn wir nichts tun, dann kommt’s dicke.
Veränderung light
Nun, die Probleme – Pandemie, Klimakollaps, soziale Spaltung, Krisenherde und Migration – sind schon da und mit politischen Wellnessangeboten kaum zu lösen. Ebenso wenig mit Verzicht, der sich als Verbot zudem nicht durchsetzen lässt. Angst vor Verlust wiegt schwer. Die will niemand schüren. So bewegt man sich zwischen Bestandswahrung und Veränderungseinsicht.
Letztere weichgespült, wie gesagt: Erschrecken kostet Punkte.
Daher auch die überdreht farbenfrohen und fast schon kumpelhaft angelegten Wahlplakate. Viel Verpackung. Klar, Marketing ist wichtig, aber es ist eben nicht nur Entertainment. Das gilt in Politik wie im Business. Die Folge: Viele Wähler wissen nicht, was sie tatsächlich bekommen. Konsequenz: Die Unentschiedenen werden die Wahl entscheiden, ihre Anzahl ist größer denn je.
Höchste Zeit also für kreative Lösungen, zukunftsweisende Ideen und klare Visionen. Zeit für Zukunft. Natürlich nichts Abgehobenes und Weltfremdes, eine komplexe Welt und diffuse Mehrheitsverhältnisse zwingen zu Pragmatismus und Konsens. Da will niemand weitreichende Verspechen abgeben. Das wissen auch Wähler. Wir sind keine Träumer mehr. Was nicht wenige schmerzlich vermissen.
Wann die Welt besser wird
Doch auch im Angesicht der Probleme brauchen wir bei aller notwendigen Vernunft inspirierende Vorstellungen darüber, wie die Zukunft werden könnte. Statt nur Problem-Analyse und situatives Handeln endlich mehr Weitblick. Mutige Perspektiven. Aussichten, die einfach Lust machen. Führung eben.
Aber: Wir dürfen die Politik dabei nicht allein lassen. Die Welt wird nur besser, wenn wir alle besser werden.
Allerdings: Hierfür bräuchte es Impulse. Anregende, innovative und auch konträre. Dann hätte man die Wahl.
Über den Autor

Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden